Anlagenbau & Prozesstechnik

Trends in der Prozessanalytik

Von der Forschung zur industriellen Anwendung

02.02.2010 -

Nur eine qualitativ hochwertige und zugleich wirtschaftlich konkurrenzfähige chemische und pharmazeutische Produktion und maschinelle Fertigungstechnik hat auf den Weltmärkten langfristig ­Bestand. Fest steht auch: Die Produktqualität wird zunehmend nicht erst nach dem Herstellprozess durch eine Endkontrolle garantiert, sondern der Herstellprozess selbst qualifiziert das Endprodukt. Die Prozessanalytik trägt zur Erhöhung der Prozesssicherheit, zu einer präventiven Sicherstellung von Qualität und damit zu einer wissensbasierten Produktion und zum Einsparen von Kosten bei. Sie ist somit ein wichtiges Instrument zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Produktionsstandorten. Eine interdiszi­plinäre Zusammenarbeit von Forschung und Geräteentwicklung ist aufgrund der hohen Komplexität der Prozessanalytik unerlässlich.

Die Prozessanalytik nutzt chemische, physikalische, biologische und mathematische Techniken und Methoden als Werkzeuge, die eine zeitnahe Erfassung kritischer Parameter in Produktions- und Umweltprozessen ermöglichen. Der Einsatz solcher Werkzeuge ist besonders attraktiv für die chemische und chemisch-pharmazeutische Produktion, ist aber ebenso von Interesse für physikalische oder biologische Vorgänge, die Fertigungstechnik, Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion bis hin zur Medizin. Instrumentell analytische Techniken erweitern das Spektrum klassischer Messgrößen wie Temperatur oder Druck, mit denen Produktionsprozesse durch Rückkopplung der Prozessinformation sicher gesteuert werden.

Das Ziel ist in allen Fällen die Bereitstellung der für diese Prozesse relevanten Informatio­nen und Daten, um präventiv eine konstante Produktqualität zu gewährleisten. Die dabei erlangte Prozesskenntnis bildet die Grundlage für eine wissensbasierte Gestaltung der Produktion („quality by design"). In diesem Konzept geht es nicht nur um die sichere, umweltverträgliche und kostengünstige Produktion, sondern auch darum, das erhaltene Wissen über die Abläufe auch möglichst sinnvoll für die Automatisierung, Steuerung und Regelung im Sinne eines optimalen Prozesses zu nutzen. Die Prozessanalytik lässt sich in einer Prozesskette als informationstechnisches Werkzeug betrachten und in Informationsmanagementsysteme (ERP-Systeme, Labor-Informations-Management-Systeme, Produktions-­Informations-Management-Systeme, Freigabedaten etc.) integrieren. Der verfügbare Informationsgewinn durch Prozessanalytik ist im Bereich der Produktion am größten. Damit bietet sich auch die Chance, das subjektive Wissen in der Steuerung eines Prozesses auf eine fundierte, physikalisch-chemische Basis zu stellen, was nicht zuletzt der zunehmenden Automatisierung vieler Prozesse entgegenkommt. Prozessanalytik findet aber auch bereits im Vorfeld der Produktion zum Beispiel bei der Rohstoff-Eingangskontrolle statt.

Prozessanalysenmesstechnik

Die Prozessanalysenmesstechnik und Sensorik stellen schnelle, automatisierte Messmethoden zur Verfügung, die in der Regel in die Prozessleittechnik inte­griert sind (Hard Sensors), wodurch die gewonnenen Prozessdaten über den unmittelbaren Datentransfer für die Prozesssteuerung nutzbar sind. In der chemischer Produktion werden vor allem hohe Anforderungen an die Robustheit und Sicherheit der Prozessanalytik gestellt. Neben der Überwachung der Ausbeute, des Energieeinsatzes und der produzierten Qualität müssen zu jeder Zeit die Arbeits- und Anlagensicherheit, der Anlagenzustand und ihre Verfügbarkeit und der Umweltschutz sichergestellt sein.
Ideale Prozess-Sensoren arbeiten dabei ohne Eingriff in den Prozess (nicht-invasiv), in Echtzeit, benötigen möglichst keine Instandhaltung (Wartung, Kalibrierung und Justierung), und sie erkennen und melden Fehlfunktionen eigenständig. Es besteht ferner der Wunsch nach zuverlässigen und einfach zu implementierenden sowie nachhaltig unterstützen Schnittstellen und eine kontinuierliche, abwärtskompatible Verbesserung bei gleichzeitig geringem Preis. Neben dem Nachweis der Prozessfähigkeit und der optimalen Prozesslage wächst aber auch das Interesse an der ­Erfassung „nicht chemischer Größen" und deren Integration in die Prozesssteuerung: Damit kommt der Prozessdatenauswertung mit Entscheidungshilfen zur Ergebnisbewertung eine immer größere Bedeutung zu. Dieses geschieht etwa mittels multivariater (chemometrischer) Methoden oder auf Basis von Simulationsmodellen (Soft Sensors).

Zusammenspiel im „Trialog"

Aufgrund der hohen Komplexität der Prozessanalytik ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Forschung und Geräteentwicklung gemeinsam mit den Anwendern unerlässlich. Diesem Ziel hat sich der Arbeitskreis Prozessanalytik verschrieben, indem er den Trialog zwischen Industrieanwendern, Geräteherstellern und Forschern im Bereich der Prozessanalytik im deutschsprachigen Raum fördert und eine Plattform zur Vorbereitung und Durchführung gemeinsamer Aktivitäten in der Entwicklung und Anwendung von prozessanalytischen Lösungen bietet. Es soll erreicht werden, dass die Prozessanalytik in der deutschen und internationalen Forschungslandschaft stärker etabliert wird. Dabei sieht sich der Arbeitskreis als Bindeglied zu verwandten nationalen und internationalen Arbeitskreisen und Organisationen und organisiert nationale und internatio­nale Tagungen, um Fachleute unterschiedlicher Disziplinen einander näherzubringen.

Aktuelle Trends in der Forschung

Die größten Fortschritte sind in neuerer Zeit auf dem Gebiet der Laserspektroskopie erzielt worden. Quantenkaskadenlaser (QCL) zeichnen sich durch ihre durchstimmbare Wellenlänge, den Einsatz bei Raumtemperatur sowie eine besonders hohe optische Ausgangsleistung aus. Sie werden u. a für die Tunable Diode Laser Absorption Spec­troscopy (TDLAS) eingesetzt, eine Methode zum Nachweis von Species in Gasen bei sehr niedrigen Detektionsgrenzen bis hin zu Volumen-ppb.

Die Cavity Ring-Down Spectroscopy (CRDS) ist eine direkte quantitative Absorptionstechnik, die im Wellenlängenbereich von UV (200 nm) bis IR (10 µm) eingesetzt wird. Ein optischer Resonator mit hoher Güte erzeugt einige Tausend Meter optischer Weglänge, wodurch die Detektion von Molekülen mit sehr schwachen ­Absorptionskoeffizienten und die (Ultra-)Spurenanalytik in Gasen möglich wird.

Bei der Laser Induced Breakdown Spectroscopy (LIBS) erzeugen kurze Laserpulse Mikroplasmen von einigen Zehntausend Kelvin. Das so angeregte Atom-Emissionsspektrum im UV-VIS-Bereich lässt sich qualitativ und quantitativ auswerten. Die Technik stellt eine der wenigen Ferndiagnosemethoden dar, die Aussagen über Elementverteilungen liefern. Sie wird zur Detektion und Identifizierung von Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern eingesetzt.
Die Terahertz Spectroscopy (THzS) erweitert die konventionelle Schwingungsspektroskopie (NIR-, IR- und Raman-Spektroskopie) in den niederfrequenten Bereich von einigen 10 GHz bis 10 THz. Als FT-Technik (Fourier-Transform) ist sie wegen der nichtionisierenden Strahlung und Eindringtiefen von einigen Millimetern besonders interessant für Anwendung an biologischem Gewebe oder zur Durchdringung von Kleidungsstoffen und Verpackung („Bodyscanner"). Eine weitere Variante ist die THz-Time-­Tomain Spectroscopy (THz-TDS) mittels Picosekundenlaser. Die Methode erfasst niedrig­energetische molekulare, intermolekulare und Kristallschwingungen und wird zur Messung der ­Dicke, Dichte und Lage von ­Defektstellen in (Multilayer-)Materialien und zur Bildgebung (THz-TDS-Imaging) mit Auflösungen bis zu 1 Millimeter eingesetzt. Anwendungen liegen im Bereich der Pharmazie (Polymorphie, API-Anteil, Coating von Tabletten) und der Strukturerfassung von Polymerkompositen.

Die Ion Mobility Spectroscopy (IMS) erfährt eine große Nachfrage für Anwendungen in der Halbleiterherstellung, im medizinischen Gerätebau, in der pharmazeutische Produktion, zur Reinigungsvalidierung sowie auf dem Gebiet der Proteomik und Metabolomik. Sie wird immer häufiger zur Schadstoffdetektion und -überwachung (Petrochemie, Militär, Flughäfen) eingesetzt. Ähnlich wie die Massenspektroskopie basiert die Methode auf der Drift von ionisierten Spezies im homogenen elektrischen Feld, allerdings bei Normaldruck und unter Driftgasen, was den Bau sehr kleiner Geräte möglich macht.

Anwendung in der Industrie

Prozessanalytische Methoden, die vor einigen Jahren noch im Mittelpunkt der Forschung standen, finden allmählich Einzug in die Anwendung. Dazu gehören u. a. Ultraschallverfahren (Schallgeschwindigkeits- und -absorptionsspektroskopie, Akustische Emissions-Spektroskopie), Lichtstreumethoden, Mikrowellen- und dielektrische Spektroskopie.

Speziell in der Polymerherstellung haben sich neben der Verfolgung der physikalischen Reaktorzustandsgrößen (Druck, Temperatur, Drehzahl) die ­Reaktionskalorimetrie und optisch-spektroskopische Methoden breit etabliert. Da Polymerisationen stark exotherme Reaktionen sind, bietet sich die Wärmeflussmessung zur globalen Verfolgung des Reaktionsfortschrittes an. Die eigentliche Messtechnik ist relativ einfach und preiswert (Temperatur- und Durchflussmessungen), Wärmeverluste bei industriellen Reaktoren können vernachlässigt werden. Da die Reaktionswärme aber nur eine summarische Größe ist, erhält man spezifische chemische Informationen zu einzelnen Spezies nur durch den Vergleich mit spektroskopischen Techniken. Hier haben insbesondere Raman- und NIR-Spektroskopie zu wesentlichen Forschritten geführt. Erst die konsequente Kombination von Hard- mit Softsensoren erlaubt eine realistische Prozessmodellierung und damit eine optimale Prozesssteuerung. Aus den online gesammelten Prozessdaten lassen sich finale Produkteigenschaften vorhersagen und Zusammenhänge zwischen Prozessverlauf und Produktqualität ableiten.

Aus industrieller Anwendersicht gibt es noch eine Reihe von Herausforderungen an die forschenden und produzierenden Prozessanalytiker. Wünschenswert wären zum Beispiel Fortschritte in:

  • Prozess-Infrarot-Spektro­skopie
  • Partikelgrößenmessungen in dichten Systemen
  • Reaktions-/Reaktor-Tomografie
  • Erfassung biologischer Kontamination/Aktivität
  • Korrosionserkennung.

 

Informationen zum Arbeitskreis sind zu finden unter:

  • www.gdch.de/strukturen/fg/ach/aks/pat.htm oder
  • www.analyticjournal.de/aj_navigation/ak_pat.htm.

 

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