Dr. Julia Schüler, Geschäftsführerin, Verein Bioregion Rhein-Neckar-Dreieck im Interview: Platz 3 hinter Cambridge und Basel
Bioregion Rhein-Neckar-Dreieck sieht sich in einer europäischen Spitzenposition
Seit 1. Oktober ist Julia Schüler Geschäftsführerin des Vereins Bioregion Rhein-Neckar-Dreieck. Die promovierte Biologin löste Ernst-Dieter Jarasch ab, der in den Ruhestand getreten ist. Was Frau Dr. Schüler sich für ihren neuen Job vorgenommen hat und wie sich die Bioregion im nationalen und internationalen Umfeld behauptet, verriet sie im Gespräch mit CHEManager. Das Gespräch führte Dr. Michael Klinge.
CHEManager: Frau Dr. Schüler, seit 1. Oktober sind Sie Geschäftsführerin des Bioregion Rhein-Neckar e. V. Was haben Sie sich für Ihre neue Aufgabe vorgenommen?
J. Schüler: Zunächst einmal möchte ich an das bisher Erreichte anknüpfen, das heißt eine Weiterführung der Vernetzung der Mitglieder betreiben, den Verein in übergeordnete regionale und nationale Strategien einbinden sowie unsere Interessen in solchen Initiativen vertreten. Die Biotechnologie in ihren verschiedenen Aspekten, aber auch Life Science als übergeordnetes Thema muss noch mehr in der Bevölkerung und in anderen Branchen beworben bzw. verankert werden. Zudem ist es mein Ziel, noch mehr Mitglieder von einem Beitritt in unseren Verein zu überzeugen. Selbstverständlich machen wir auch Werbung für unsere Region im In- und Ausland.
Wie steht die Bioregion Rhein-Neckar derzeit im nationalen Vergleich zu anderen Bioregionen da, also etwa München oder Köln?
J. Schüler: 1996 sind wir zusammen mit München und dem Rheinland als Sieger aus dem BioRegio-Wettbewerb hervorgegangen. Heute ist die Bioregion Rhein-Neckar neben München und Berlin der Top-Standort für Life Science in Deutschland. Unsere Stärke ist die Fokussierung im medizinischen Sektor mit Schwerpunkt zellbasierte und molekulare Medizin sowie das Vorhandensein weltbekannter Institutionen wie der Universität Heidelberg, dem European Molecular Biology Laboratory und dem Deutschen Krebsforschungszentrum. Global tätige Unternehmen wie Abbott, BASF, Becton Dickinson, Imclone, Merck Serono und Roche Diagnostics sind hier neben einer Vielzahl an kleinen und mittleren Unternehmen in einer hohen geografischen Konzentration vertreten. Die Führungsstellung wurde der Region im vergangenen Jahr durch den Gewinn des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgeschriebenen Spitzencluster-Wettbewerbs bestätigt. Der Antrag aus Rhein-Neckar war bundesweit der einzige aus dem Bereich Life Science, der als preiswürdig angesehen wurde. Der Region fließen damit Fördergelder in Höhe von 40 Mio. € über fünf Jahre zu, das Land Baden-Württemberg unterstützt die Entwicklung des Clusters mit weiteren 5 Mio. €.
Und im Vergleich zu internationalen Standorten, zum Beispiel in UK oder den USA?
J. Schüler: Innerhalb Europas sehen wir uns derzeit auf Platz 3 hinter Cambridge und Basel. In Großbritannien hat die Entwicklung der Biotech-Industrie früher begonnen als in Deutschland, in der Schweiz liegen sehr günstige steuerliche Rahmenbedingungen sowie ebenfalls ein sehr gutes universitäres, industrielles und finanzielles Umfeld vor. Die führenden Biotech-Standorte in den USA wie die San Francisco-Bay-Area, Süd-Kalifornien oder Boston sind ganz Europa nach wie vor recht weit voraus, da sich bereits viel früher eine meist mit viel Kapital ausgestattete Biotech-Industrie erfolgreich etablieren konnte.
Was wollen Sie künftig tun, um den Standort rund um Heidelberg noch attraktiver zu machen?
J. Schüler: Wir als Verein setzen uns für die Entwicklung der Life Science in der ganzen Metropolregion Rhein-Neckar ein, die die Zentren Heidelberg, Ludwigshafen und Mannheim umfasst sowie die Länder Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz verbindet. Die Reichweite unseres Vereins geht im Norden bis nach Darmstadt, das wissenschaftliche Zentrum ist jedoch eindeutig Heidelberg. Hier sind im Technologiepark Heidelberg auch viele kleine innovative Unternehmen angesiedelt. Die großen Unternehmen und die meisten der unterstützenden Dienstleister kommen vor allem aus Ludwigshafen und Mannheim. Neben bereits oben angesprochenen Maßnahmen werden die derzeit laufenden Projekte im BioRN-Spitzencluster sichtbare Erfolge in Form von neuen Diagnostika und Arzneimitteln sowie innovativen Technologie-Plattformen und Dienstleistungen hervorbringen. Wir setzen stark auf die personalisierte Medizin sowie die Krebsforschung und sind der Meinung, dass auf diesem Gebiet in Zukunft international gesehen kein Weg an unserer Region vorbeiführt. Das wird zahlreiche neue Arbeitsplätze schaffen. Zur erfolgreichen Entwicklung des Clusters hat der Verein im Zusammenhang mit dem Sieg im Spitzencluster-Wettbewerb die Gesellschaft BioRN Cluster Management gegründet, die neben der Koordination der Projekte die Aufgabe hat, weitere Unternehmen anzusiedeln sowie Beratung anzubieten. Um den bestehenden und kommenden Bedarf an Führungskräften zu decken, wird im Rahmen der Spitzencluster-Förderung derzeit eine eigene Ausbildungsakademie, die BioRN Academy, aufgebaut. Sie hat zum Ziel, europäischen Life-Science-Wissenschaftlern Management-Fähigkeiten zu vermitteln und sie zu hoch qualifizierten Führungskräften auszubilden. Wichtige Partner der BioRN-Academy sind neben Roche Diagnostics die SRH Hochschule Heidelberg, die Graduate School Rhein-Neckar und die Mannheimer Unternehmensberatung Graf & Associate.
Was muss auf politischer Ebene geschehen, um die Attraktivität Deutschlands als Biotech-Standort im Allgemeinen und der Rhein-Neckar-Region im Speziellen nachhaltig zu verbessern?
J. Schüler: Wir schließen uns den Forderungen des Branchenverbandes Bio Deutschland an, dessen Mitglied wir sind. Die regionalen Kommunen sind Mitglied in unserem Verein, sodass wir auch hier alle an einem Strang ziehen. Für die Biotech-Industrie von Bedeutung sind zum Beispiel verbesserte steuerliche, finanzielle, patentrechtliche oder arzneimittelrechtliche Rahmenbedingungen, um auch global aufzuschließen. Eine Förderung nach dem Gießkannenprinzip hilft in der internationalen Aufholjagd keinem weiter.