Anlagenbau & Prozesstechnik

Instandhaltung quo vadis? Interview mit Jürgen Potthoff, Bayer Technology Services

29.01.2010 -

Im Interview mit CHEManager erläutert Jürgen Potthoff, Business Management, Bayer Technology Services, die Vorteile einer Implementierung von Risikomanagement-Prozessen. Die Fragen stellte Michael Reubold.

CHEManager: Herr Potthoff, die traditionelle reaktive Instandhaltung hat sich im Laufe der Zeit zur proaktiven Instandhaltung weiterentwickelt. Sind damit die früheren reaktiven, präventiven und prädiktiven Instandhaltungsansätze überholt?

J. Potthoff: Nein, die angesprochenen Instandhaltungsansätze sind nicht überholt. Im Rahmen der Ausrüstungsstrategien wird für jede Ausrüstung in Abhängigkeit der Risiken, d. h. einer Kombination von Konsequenzen - darunter auch Kosten - und Wahrscheinlichkeit, entschieden, welche Maßnahmen erforderlich sind, um den Anforderungen zu genügen. Dabei wird ausrüstungsspezifisch, individuell, risikobasiert festgelegt, welcher der verschiedenen Ansätze - reaktiv/run to failure, präventiv oder prädiktiv - für die konkrete Ausrüstung zum Einsatz kommen soll.

Sie haben mit vielen Unternehmen über das risikobasierte Asset Management-Programm gesprochen. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht, wie wird dieser Ansatz von der Industrie angenommen?

J. Potthoff: Der Ansatz stößt auf ein wachsendes Interesse am Markt. Nur ein risikobasierter Ansatz gewährleistet, dass das Asset Management eines Betriebes oder einer Anlage den jeweiligen, d. h. auch marktkonformen Ansprüchen genügt. Anlagenbetreiber haben erkannt, dass ein risikobasierter Prozess nicht nur im Bereich des Finanzwesens essenziell ist, um in der ersten Liga der Unternehmen mitzuspielen, sondern dass entsprechende Prozesse auch im Bereich der Instandhaltungs- und Betriebsoptimierung von grundlegender Bedeutung sind.

Sparen bzw. investieren viele Unternehmen an den falschen Stellen, um Kosten und Stillstandszeiten zu senken oder ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern?

J. Potthoff: Definitiv. Instandhaltung wird nach wie vor von vielen Unternehmen als reiner Kostenverursacher verstanden, nicht als ein strategisches Werkzeug zur Steuerung und Steigerung der Profitabilität. Durch eine konsequente risikobasierte Ausrichtung gelingt es Unternehmen, sich besser den Schwankungen des Marktes anzupassen. Gerade in der aktuellen Zeit und Situation mit sinkenden Produktions- und Absatzzahlen sind viele Unternehmen darauf aus, schnell Kosten zu reduzieren. Dementsprechend werden auch Instandhaltungsbudgets gekürzt.

Mit welchen Konsequenzen müssen die Betreiber dann rechnen?

J. Potthoff: Typischerweise führt eine entsprechende Reduktion, auch bei Unternehmen ohne ein risikobasiertes Asset Management, zunächst nicht zu Beeinträchtigungen des Anlagenbetriebes. Nach einer betriebsabhängigen Zeit steigt jedoch, wenn die Mittelkürzung nicht risikobasiert erfolgt, die Zahl der Anlagenstörungen und sinkt die Anlagenzuverlässigkeit. Diese resultiert dann nicht nur in einem gestiegenen Produktionsausfall, sondern auch in erhöhten Kosten für aufwendige Reparaturen, einem gestiegenen Risiko von GSUQ-Ereignissen und damit einem schwerwiegenden potentiellen Imageschaden für den Anlagenbetreiber. Die mit der Regulierung dieser Konsequenzen verbunden Kosten überschreiten häufig um das Vielfache die vorherigen Einsparungen.

Auch wenn Unternehmen Investitionen in ihre Produktionsanlagen beschließen, fließen die Mittel nicht immer in angemessener Höhe in die richtigen bzw. wichtigen Projekte. Weshalb ist das so?

J. Potthoff: Beispiele für Investitionen in „falsche" Projekte entstehen durch das Fehlen risikobasierter Investitionsmanagementprozesse. Mangels einheitlicher Kriterien werden Projekte genehmigt, ohne vorab zu evaluieren, ob die entsprechenden Mittel nicht besser bzw. effektiver anderen Investitionen zugeordnet werden sollten. Andere Beispiele sind Investitionen in neue Ausrüstungen, Teilanlagen oder gar Anlagen, um moderate Kapazitätssteigerungen zu erzielen. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass die Verfügbarkeit der Anlagen häufig noch beträchtliche Optimierungsmöglichkeiten aufweist. Eine Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit ohne zusätzliche Investitionen könnte jedoch durch die Einführung moderner, risikobasierter Methoden erreicht werden, insbesondere wenn diese RCM, also Reliability Centered Maintenance, als wichtiges Element enthalten.

Wann ist der beste Zeitpunkt zur Implementierung von Risikomanagement-Prozessen in der Instandhaltung?

J. Potthoff: Jetzt und sofort! Und das gilt für immer und jeden Zeitpunkt, und zwar sowohl im Anlagenlebens- als auch im Wirtschaftszyklus. Mit der Einführung eines risikobasierten Prozesses können innerhalb kürzester Zeit relativ schnell Maßnahmen eliminiert werden, deren Notwendigkeit einer risikobasierten Begutachtung nicht standhalten. Somit können erste Einsparungen schnell realisiert werden. Die Implementierung eines risikobasierten, ganzheitlichen Asset Management Systems, das auch Elemente wie Life Cycle Length & Cost Study, Reliability Availability Mantainability Study oder Risk-based Inspection beinhaltet, führt innerhalb eines überschaubaren Zeitfensters immer zur Amortisation der Kosten.

 

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