Shell und BG fusionieren
09.04.2015 -
Shell sorgt mit der 64 Mrd. EUR schweren Übernahme des Gasproduzenten BG nicht nur in der Energiebranche für Furore. Der Deal dürfte auch bei den Banken für Gesprächsstoff sorgen. Denn Shell und BG betraten bei ihren Verhandlungen über den größten Zukauf in der Energiebranche seit mehr als zehn Jahren Neuland. Der britisch-niederländische Energiekonzern hatte lediglich eine Investmentbank an seiner Seite: Bank of America Merrill Lynch. Und BG stützte sich nur auf die Expertise von Goldman Sachs und der Beratungsfirma Robey Washaw. Wie eine mit den Gesprächen vertraute Person sagte, sollte dies der Geheimhaltung dienen. Gleichwohl könne das auch bedeuten, dass die Bank of America den Kredit allein schultert, den Shell für den Zukauf aufnimmt.
Shell will damit zum global führenden Anbieter von Flüssiggas aufsteigen und den Rückstand zum US-Ölweltmarktführer ExxonMobil verringern. Wegen der großen Präsenz beider Unternehmen in der Europäischen Union, in Australien, Brasilien und China rechnet Shell-Chef Ben van Beurden allerdings mit intensiven Verhandlungen mit den Wettbewerbshütern.
Es ist die erste Großfusion in der Branche seit den Zeiten um die Jahrtausendwende, als sich die Energiekonzerne wegen sinkender Preise in ähnlichen Schwierigkeiten befanden. Damals kaufte der britische Ölkonzern BP die amerikanischen Rivalen Amoco und Arco. Exxon übernahm Mobil, und Chevron schloss sich mit Texaco zusammen. Nun herrscht ein ähnlicher Druck. Seit dem vergangenen Sommer haben sich die Rohölpreise halbiert. Gründe dafür sind die hohen Fördermengen, für die es angesichts der schwächelnden Weltwirtschaft nicht genügend Abnehmer gibt, sowie der Schiefergasboom in den USA. Auch der Gaspreis, der sich am Ölpreis orientiert, ist im Zuge dessen kräftig gesunken.
Um gegenzusteuern lässt sich Royal Dutch Shell die Übernahme der BG Group, die einst aus dem Konzern British Gas hervorging, einen Aufschlag von gut 50% auf den durchschnittlichen BG-Aktienkurs der vergangenen drei Monate kosten. Bezahlt wird in bar und Aktien. "Wir haben eine Reihe von Möglichkeiten geprüft, BG stand aber immer ganz oben auf unserer Liste", erklärte van Beurden. Die Fusion verbinde nun zwei Unternehmen mit einem "starken Portfolio" bei der Öl- und Gasförderung auf hoher See sowie der Liefer-Infrastruktur. Experten sehen dies ähnlich: "Der Deal dürfte ausgezeichnet zu Shell passen", schrieben die Analysten vom Brokerhaus Jefferies. Allerdings müssten die Anleger noch überzeugt und um Geduld gebeten werden, weil der Schuldenabbau wohl künftig eine größere Priorität als die Ausschüttung an die Aktionäre haben dürfte.
Shell fallen mit BG milliardenschwere Projekte in Brasilien, Ostafrika, Australien, Kasachstan und Ägypten in die Hände. Darunter sind auch einige der weltweit ambitioniertesten Projekte mit Flüssiggas, das in der Branche als zukunftsträchtiges Geschäft gilt. Vor allem europäische Abnehmer erhoffen sich angesichts des Ukraine-Konflikts davon eine größere Unabhängigkeit vom Erdgas-Lieferanten Russland, der sich auf gigantische Pipeline-Netze stützt. Flüssiggas kann dagegen mit Schiffen, der Bahn und per Lkw transportiert werden und damit den Markt umkrempeln.
Der Zukauf soll die Öl- und Gas-Reserven von Shell um 25% steigern. Das Management begründet den BG-Kauf aber auch mit Einsparungen: Pro Jahr soll er Synergien von rund 3,4 Mrd. EUR vor Steuern bringen. Die Megafusion wird zudem den Verkauf zusätzlicher Geschäftsbereiche nach sich ziehen: Shell kündigte an, sich zwischen 2016 und 2018 von Konzernteilen und Beteiligungen im Volumen von knapp 28 Mrd. EUR zu trennen. Im Januar hatte der Ölkonzern die Summe der geplanten Verkäufe pro Jahr noch mit rund 4,5 bis 5,5 Mrd. EUR beziffert.
BG wurde vor der Fusionsankündigung mit umgerechnet rund 42,5 Mrd. EUR bewertet, Shell bringt 186,5 Mrd. EUR ein. Ein Zusammenschluss würde den Abstand von Shell zu ExxonMobil verringern, der auf eine Börsenkapitalisierung von gut 330 Mrd. EUR kommt.