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Neue Vertriebssituation: Pharmaaußendienst ist zu wenig produktiv

20.03.2013 -

Pharmaaußendienst ist zu wenig produktiv. Neue Vertriebssituation durch Wettbewerbsdruck unter Ärzten. Prozessorientierung im Verkauf. Mehr denn je stehen sämtliche Verkaufsmannschaften der pharmazeutischen Hersteller und medizintechnischen Unternehmen unter einem stärker werdenden Druck. Umsatz- und Renditeergebnisse, die sie generieren, werden genau beäugt. Zunehmend setzt sich nämlich auch in diesen traditionell eher durch gute Margen verwöhnten Industrien das Bewusstsein durch, dass Produktivitätsbetrachtungen im Verkauf eine große Bedeutung beigemessen werden muss. Dieses für einige Markteilnehmer neue Denken wird ausgelöst durch eine Vielzahl an Veränderungen. So reagiert die Ärzteschaft zunehmend empfindlich auf den gestiegenen Wettbewerbsdruck, und politische Vorgaben setzen einen zunehmend enger werdenden Rahmen. Dr. Bodo Antonic, selbstständiger Unternehmensberater und Coach, beleuchtet die Effektivität klassischen des Außendienstes und und ist vorwiegend für die Pharma- und Medizintechnik- Branche tätig.

Ein weiterer Aspekt: „Peak Oil“, das Fördermaximum der erdölproduzierenden Länder, der erst ganz langsam Aufmerksamkeit erfährt, wird in den nächsten zehn Jahren einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren, da KFZ-Kosten einen signifikanten Anteil an den Gesamtkosten eines Außendienstmitarbeiters ausmachen werden. Vor dem Hintergrund geänderter Marktsituationen werden Verkaufsprozesse künftig stärker überdacht und hinsichtlich ihrer Produktivität angepasst werden müssen. In einer kürzlich publizierten Studie der Unternehmensberatung Proudfoot wurde auf den geringen Teil der Arbeitszeit, die ein Außendienstmitarbeiter beim Kunden verbringt, hingewiesen. Die sich im allgemeinen Branchendurchschnitt ergebenden Zahlen sprechen davon, dass der Verkäufer nur etwa 20 % seiner Arbeitszeit mit Kunden verbringt, die Hälfte davon mit der Neukundenakquise. Eingedenk der allgemein akzeptierten Tageskosten eines Verkaufsmitarbeiters, die je nach Branche und Quelle mit bis zu 1.500 € zu beziffern sind, ergibt sich so ein katastrophales Bild in der Verkaufsproduktivität. Dies wird drastische Folgen in den nächsten Jahren nach sich ziehen, mehr denn je ist von einem deutlichen Umbau der Verkaufsaußendienstmannschaften hinsichtlich Anzahl, Struktur und Qualität auszugehen.

Nimmt man diese Grundannahmen als gegeben und richtig hin, so ergibt sich sofort die Frage nach dem „Wie“ dieser Umstrukturierungen. Zwei Schlüsselbereiche sind aus der Sicht des Autors als kritische Faktoren auf dem Weg zu höherer Produktivität im Verkauf zu benennen: Zum einen die kritische Betrachtung der Verkaufsprozesse, zum anderen die durch Coaching-Maßnahmen unterstützte Führung der Mitarbeiter.

Fehlende Prozessorientierung im Verkauf

Kaum ein Bereich im Unternehmen wird nach wie vor so wenig prozessorientiert geführt wie der des Verkaufs. Für nahezu alle Elemente der Wertschöpfungskette gibt es Prozesse, Vorschriften zum Qualitätsmanagement im jeweiligen Bereich – jedoch in den wenigsten Unternehmungen findet sich Ähnliches für den Verkauf. Oft ergeben sich auf die Frage nach „dem Ordner mit der Beschreibung der Verkaufsprozesse“ Antworten, die einen annehmen lassen, dass Verkauf durchaus Ähnlichkeiten mit dem Mysterium einer Black Box habe. Damit wird sicherlich richtig das Phänomen des Beziehungsaufbaus auf emotionaler Ebene zwischen Kunden und Verkäufer beschrieben. Dieses zweifelsohne schwer zu beschreibende Phänomen des Rapports ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit und zwingt den Arbeitgeber des Außendienstmitarbeiters in die ungewünschte Rolle der Passivität, da nicht die Unternehmung die Kundenbeziehung „besitzt“, sondern das Informationseigentum faktisch beim Mitarbeiter sitzt. Dies führt bisweilen zu massiven Umsatzeinbrüchen, die insbesondere den zentral bedeutsamen Key Accounts große Schmerzen bereiten. Kommt es aus Gründen wie Personalfreisetzung oder beruflicher Veränderung des Mitarbeiters (Kündigung durch den Mitarbeiter, Veränderung auf andere Positionen, Rente, etc.) zu einer Unterbrechung der kontinuierlichen Kundenbeziehung, fällt der Arbeitgeber nicht selten in ein tiefes „Beziehungsloch“. In diesem sitzt er dann so lange, bis sich ein neuer Verkäufer die Beziehungspyramide beim Kunden wieder mühsam hochgearbeitet hat. Die Folgen sind finanziell schmerzhaft, zumal der positive Ausgang nicht gewiss ist. Diese Art und Weise, mit Kundeninformationen umzugehen, kann nach dem Prinzip des „wer handelt, der handelt“ nur so verstanden werden, dass es offensichtlich wichtiger ist, die bisweilen als unangenehm aufgefassten Veränderungsprozesse nicht anzustoßen, als den Begriff des „Kundenwerts“ als Teil der Unternehmensbilanz auch zu leben. Das heißt im Klartext: Die Unternehmen verschwenden durch diese Art der Kundenführung Werte, die monetär ausgedrückt sicherlich im Bereich zehnstelliger Summen liegen.

Fokus Kunde statt Fokus Produkt

Was heißt das für ein modernes Verständnis des Begriffs „Verkaufen“? Sowohl Mitarbeiter als auch Arbeitgeber müssen aus der Falle des Beziehungsverkaufs aussteigen. Erst die gelebte Definition des Kunden als Geschäftspartner, der nicht nur auf persönlich-emotionaler Ebene „abgeholt“ werden muß, sondern eben auch im Sinne eines B2B-Vorgangs kontaktiert werden muss, bringt die notwendige PS-Zahl auf die Straße. Schlagen Anbieter und seine Mitarbeiter diesen Weg ein, ergeben sich mannigfaltig neue Ansätze zur Kundenbetreuung. Das klassische Repertoire erweitert sich umgehend um die Vielzahl der Zusatzleistungen, die nun erbracht werden können, von der betriebswirtschaftlichen Analyse und Optimierung der ärztlichen Praxis bis hin zu Potentialbetrachtungen des Patientenmarktes für in Kliniken angesiedelten Ambulanzen. Anstatt mit der bisher praktizierten und kostenintensiven Produkt-Push-Bewerbung der Produkte und der Person des Verkäufers fortzufahren, rückt der Kunde mit seinen Bedürfnissen, seinen persönlichen Wünschen und angestrebten Geschäftsresultaten in den Vordergrund.

Win-win-orientierte Zusammenarbeit

Es gibt einen weiteren Grund, sich mit modernen Verkaufsprozessen auseinanderzusetzen. Moderne Verkaufsprozesse sind allesamt in der erstmalig durch Miller und Heiman zusammen mit der Harvard Business School nach vorne getragenen Idee des „Buying Centers“ zusammengefasst. Nach dieser Idee gilt es, die Gesamtheit aller Kaufbeeinflusser zu kontaktieren und eine win-winorientierte Zusammenarbeit mit ihnen einzugehen. Für die Pharma- und die Medizintechnikbranche bedeutet dies unter anderem die enge Kooperation und gute Kommunikation mit den Leistungskostenträgern. Die Faktoren Kooperation und Kommunikation werden jedoch recht oft nur als notwendiges Übel wahrgenommen, die einem „nur das Leben schwer machen“. Mit dieser Einstellung wird die Verkaufsproblematik an einen äußeren Teilnehmer delegiert, die Organisation wird dadurch per se freigesprochen. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf diesen Markt, bietet jedoch für die Marktteilnehmer, die sich zu einer anderen Politik entschließen bzw. bereits entschlossen haben, einen deutlichen Produktivitätsvorsprung. Das vernetzte Denken im Buying Center gibt somit den Unternehmen, die neue Ansätze im Verkaufsprozess anwenden, handfeste Vorteile hinsichtlich Umsatz, Rendite und Produktivität.

Steigerung der Transparenz

All diese Dinge können durch einen Verkaufsprozess geleistet werden. Doch soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass die Einführung eines Verkaufsprozesses durchaus zu Widerständen führen kann, denn im Verlauf des Prozesses werden Schwachstellen aufgedeckt und Transparenz erzeugt. Eine Transparenz, die, so könnte man meinen, durchaus nicht immer erwünscht ist. Die Herausforderung an das Management und die Mitarbeiter mit dieser Transparenz umzugehen, ist eine nicht zu vernachlässigende, doch sie bietet enorme Chance für Alle, da aus Transparenz eine Kreativität entstehen kann, die den Kunden, dem Unternehmen sowie den Mitarbeitern zu Gute kommt. Kreativität wird das Unternehmen in seiner Entwicklung nach vorne beschleunigen, da Kundenwünsche schneller detektiert werden und ebenso beschleunigt zur marktreifen Umsetzung kommen. Somit stellt die Einführung der Verkaufsprozesse auch eine Emanzipation aller Beteiligten dar. Die sicherlich zu beobachteten Widerstände lassen sich durch Möglichkeiten des systemischen Coachings bzw. der systemischen Beratung moderieren. Den positiven Fortgang der Prozesseinführung, von der Einführung der Prozesse an sich, der Verflechtung mit unterstützenden elektronischen Systemen, zum Beispiel den heutzutage zumeist vorhandenen CRM-Lösungen, sowie der Moderation der Veränderung, lassen sich im Vorfeld durch eine gute Planung des Gesamtvorgangs, unter Einbeziehung der hierfür relevanten Schlüsselkennzahlen (KPIs, Key Performance Indicator) erreichen und ergeben so die gewünschten Resultate.

Kontakt:
Dr. Bodo R. V. Antonic
Die Kontur Marketing und Vertriebsberatung,
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