Linde-Chef Reitzle steckt Erben hohe Ziele
08.03.2013 -
Linde-Chef Wolfgang Reitzle hinterlässt seinem Nachfolger ein anspruchsvolles Erbe. Der im kommenden Jahr ausscheidende Manager hob die Prognose für den Industriegasekonzern für 2016 an und sagte einen operativen Gewinn von 5 Mrd. € voraus. Im abgelaufenen Jahr hatte Linde unter seiner Ägide gut 3,5 Mrd. € Betriebsergebnis eingefahren - so viel wie nie zuvor. "Wir haben uns gut behauptet, obwohl das Umfeld im Verlauf des Jahres 2012 zunehmend schwieriger wurde", sagte Reitzle am Donnerstag. Die Aktionäre profitieren ihrerseits davon: Sie sollen für 2012 eine um 0,20 € höhere Dividende von 2,70 € je Aktie erhalten.
Am Sparkurs will Reitzle dennoch festhalten. So sollen zwischen 2013 und 2016 die Bruttokosten um insgesamt 750 bis 900 Mio. € sinken. Analysten lobten, dass sich das Unternehmen höhere Ziele stecke. Am Aktienmarkt zeigten sich die Anleger allerdings unbeeindruckt. Die im Dax notierten die Linde-Papiere gaben 0,5% auf 139,85 € nach.
Den Sprung an die Weltspitze verpasste Reitzle 2012 indes. Trotz eines Umsatzplus' von einem Zehntel auf 15,28 Mrd. € blieben die Münchner 46 Mio. € hinter dem französischen Erzrivalen Air Liquide zurück. Im laufenden Jahr dürfte Linde allerdings durch den zusätzlich hinzukommenden Umsatz des übernommenen US-Medizindienstleisters Lincare an den Franzosen vorbeiziehen. Das Betriebsergebnis soll dann mindestens 4 Mrd. € betragen.
Zu Fragen über seine Nachfolge bei dem Traditionsunternehmen zeigte sich Reitzle gereizt. Sein Erbe an der Vorstandsspitze müsse, wie er auch, langfristig agieren, sagte der Manager. "Wir denken in Zeiträumen von zehn Jahren." Wichtig sei jetzt allerdings, dass der Übergang ohne großes Getöse über die Bühne gehe. "Es ist doch klar, dass ich nur ein großes Interesse habe: Dass die Nachfolge so sauber, geschmeidig und elegant wie möglich geregelt wird, damit die Kontinuität des Unternehmens gewahrt bleibt", sagte Reitzle. Der für seine politischen Äußerungen bekannte Manager stößt sich allerdings an der Vorgabe, dass Vorstandschefs nach ihrem Abgang nicht direkt in den Aufsichtsrat wechseln sollen. "Ich halte das für nicht gut, das schadet mehr als es hilft." In den Beschränkungen sieht der streitbare Reitzle einen Eingriff in das Eigentumsrecht der Aktionäre. Dennoch habe sich Linde aus Angst um sein Image dagegen entschieden, ein Viertel der Stimmrechte zu mobilisieren, um die Hürde zu überwinden.
Lieber investieren als Schulden tilgen
Auch seine Nachfolger müssten investieren, um den Konzern auf Wachstumskurs zu halten. Im laufenden Jahr will Reitzle dafür gut 2 Mrd. € ausgeben, vor allem um in den Schwellenländern zu punkten. Die Schulden von über 8 Mrd. €, die aus den Übernahmen der vergangenen Jahre stammen, sollen lieber später abgestottert werden.
Für die kommenden Monate deutete Reitzle mehrere Großaufträge für seine Anlagenbausparte an. Noch während er in München sprach, verkündete der norwegische Gasnetzbetreiber Gassco, ein Gasterminal für rumgerechnet rund 270 Mio. € bei den Bayern bestellt zu haben. In dieser Größenordnung werde es weitergehen, deutete Reitzle an. Bereits im Vorjahr hatten sich die Auftragsbücher für Gasanlagen prall gefüllt, der Auftragseingang 2012 war um ein Viertel gestiegen.
Der Linde-Chef hob das große Potenzial der Schiefergas-Förderung hervor. In Nordamerika verspreche die Technik schon bald zum "schönen Wachstumstreiber" für den Konzern zu werden. So hofft er auf Bestellungen von Anlagen für die Aufbereitung des aus dem Tiefengestein geförderten Gases und die Entstehung neuer Chemie-Zentren in deren Umfeld. In Deutschland ist die so genannte Fracking-Methode wegen möglicher Umweltschäden umstritten.
Bis zum endgültigen Durchbruch der Förderung, die vor allem die USA unabhängiger von Importen machen soll, verspricht sich Linde viel vom Geschäft mit medizinischen Gasen. Der Markt werde bis Ende des Jahrzehnts auch wegen der alternden Weltbevölkerung auf 16 Mrd. € von derzeit 11 Mrd. € wachsen.