News

Biotech: Zukunftstechnologie im Abseits?

Nachgefragt: Heribert Warzecha, TU Darmstadt, im Interview

22.02.2012 -

Heribert Warzecha, Professor für Plant Biotechnology and Metabolic Engineering an der TU Darmstadt, hat im vergangenen Sommer die europäische Forschungsgruppe „Plant Metabolic Engineering for High Value Products", ins Leben gerufen. In dem Netzwerk arbeiten 100 Wissenschaftler aus 21 Ländern daran, Pflanzen dazu zu bringen, spezifische Substanzen zu produzieren.

CHEManager fragte ihn welche Auswirkungen die vergleichsweise geringe Akzeptanz für Grüne Biotechnologie in der Bevölkerung auf die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei dieser Zukunftstechnologie haben wird.

CHEManager: Herr Prof. Warzecha, wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen für biotechnologische Forschung in Deutschland im internationalen Vergleich?

Heribert Warzecha: Biotechnologie ist zu vielschichtig, um hier eine allgemeingültige, alle Bereiche umfassende Beurteilung abzugeben. Die Forschung innerhalb der grünen Biotechnologie allerdings bewegt sich in Deutschland in Richtung „nicht existent". Natürlich ist Grundlagenforschung in Deutschland möglich. Umgekehrt ist Grundlagenforschung innerhalb der Pflanzenwissenschaften heute ohne Gentechnik kaum denkbar.

Diese findet aber in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und erfährt dementsprechend kaum Beachtung. Eine anwendungsbezogene Forschung allerdings findet in nennenswertem Maße kaum noch statt. Dies liegt auch daran, dass es kaum Firmen gibt, die sich noch an das Thema wagen.

Halten Sie die Bedenken der Biotech-Gegner für berechtigt oder überzogen?

Heribert Warzecha: Bedenken zu haben und zu artikulieren ist richtig und wichtig. Das fördert einen Diskurs, an dessen Ende nach Abwägen der Vor- und Nachteile eine Empfehlung stehen kann. In der Anwendung der Grünen Biotechnologie läuft es leider nicht so. Hier zählen Argumente wenig, wissenschaftliche Evidenz wird (absichtlich?) falsch interpretiert oder sogar ignoriert.

Wenn man ganz nüchtern die Ergebnisse der letzten 20 Jahre grüner Biotechnologie analysiert, dann stellt man fest, dass sämtliche Horrorszenarien, die Biotech-Gegner sich ausgemalt haben, nicht eingetreten sind. Mehr noch, die grüne Biotechnologie konnte zeigen, welches Potenzial in dieser Technik steckt, und dass, obwohl wir bisher nur die Produkte der ersten Generation sehen. Hier steckt viel Innovationspotenzial, welches durch die anhaltende, aggressive Blockade einer Minderheit verschenkt wird.

Die Argumente der Biotech-Gegner sind in der Mehrheit überzogen oder schlichtweg falsch. Die Art und Weise allerdings, wie sich diese Argumente in den Köpfen festgesetzt haben und zu der breiten Ablehnung der grünen Biotechnologie in der Bevölkerung geführt hat, ist beachtlich und das Ergebnis einer professionell geführten Protest-Industrie.

Welche Motivation steckt hinter der Ablehnung der Gentechnik-Gegner?

Heribert Warzecha: Im Prinzip stehen sich hier zwei relativ kleine Parteien gegenüber: Die Wissenschaftler, die überzeugt sind, bessere Produkte schaffen zu können und die Bedenkenträger, die in den neuen Technologien eine Gefahr sehen, die befürchten, die Büchse der Pandora zu öffnen oder gar in die „Schöpfung einzugreifen".

Die Motivation, die hinter der Ablehnung steht, mag unterschiedlich sein, dass Ergebnis ist allerdings dasselbe.Zwischen diesen beiden Lagern stehen die Verbraucher und Konsumenten, die sich zwischen wissenschaftlichen Fakten auf der einen Seite und emotionalen Argumenten und Bauchgefühl auf der anderen Seite entscheiden sollen. Wer kann es verdenken, dass nach all den Lebensmittelskandalen erst einmal Ablehnung vorherrscht.

Müsste hier nicht die Politik entsprechende innovationsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen?

Heribert Warzecha: Die Rolle der Politik ist hier wirklich enttäuschend. Anstatt ein Klima des Vertrauens zu schaffen und den Boden für eine breitere Akzeptanz der grünen Gentechnik zu bereiten, werden kurzsichtige, populistische Entscheidungen wie Anbauverbote etc. getroffen und somit diese Zukunftstechnologie ins Abseits gestellt. In der Konsequenz werden diese Technologien eben wo anders weiterentwickelt, die Produkte aber wieder bei uns ankommen.

Letztendlich werden die Verbraucher betrogen und in dem Irrglauben zurück gelassen, alles „natürlich" und „ökologisch" zu belassen. Dabei gibt es heute schon kaum eine Feldfrucht, die nicht mittels massiven züchterischen Eingriffs des Menschen verändert, optimiert und angepasst wurde. Biotechnologie ist lediglich eine weitere Methode.