Leitlinien zum Aufbau von Production Intelligence
09.10.2011 -
Leitlinien zum Aufbau von Production Intelligence in der Prozessindustrie. Ein zu hoher Automatisierungsgrad in der Produktion kann die Flexibilität mindern und damit den heutigen Marktanforderungen entgegen stehen. In der Prozessindustrie entwickelt sich mit Production Intelligence (PI) zunehmend eine strategische Zielsetzung, hinter der sich anspruchsvolle Maßstäbe in Bezug auf die Flexibilität und Wirtschaftlichkeit in den Produktionsabläufen verbergen. Denn PI verkörpert als Kerngedanken, die digitalen und manuellen Prozesse integrativ zusammenzuführen und auf diese Weise eine höhere Produktivität und Reaktionsfähigkeit auf die Kundenanforderungen zu ermöglichen.
Das Drehen an einzelnen Stellschrauben alleine schafft keine intelligenten Prozessstrukturen. Vielmehr bedarf es einer strategischen Konzeption, die mit einer kritischen Bestandsaufnahme der bestehenden Automatisierungsverhältnisse beginnt und von einer klaren Vision der Flexibilisierung geleitet wird. Daraus sind dann die operativen Vorgehensmodelle, Meilensteine und weiteren Realisierungsbedingungen bis hin zu den Verantwortlichkeiten abzuleiten. Daran anschließend gilt es, sich einer Gap-Analyse des ERP-Systems zu widmen. Denn die betriebswirtschaftlichen Standardlösungen und PPS-Systeme sind grundsätzlich für die längerfristigen Planungen konzipiert und unterstützen nur begrenzt die für eine intelligente Produktionssteuerung erforderlichen kurzfristigen Entscheidungen. Besonders wenn eine hohe Planungskomplexität mit einer großen Anzahl an Produkten und Produktionsstufen besteht und gleichzeitig kurzfristige Dispositionsentscheidungen getroffen werden müssen, bewirkt die geringe Steuerungsflexibilität zu statische Bedingungen. Dieser Situation versuchten Unternehmen bisher durch PPS-Lösungen beziehungsweise dezidierte Funktionen von ERP-Systemen gerecht zu werden, obwohl sie für die längerfristigen Planungen konzipiert sind und für kurzfristige Entscheidungen kein ausreichend taugliches Mittel darstellen. Dadurch sind Veränderungen in den Produktionsprozessen jeweils mit zu hohen Reaktionszeiten und damit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden.
Verbesserungsprozesse identifizieren und implementieren
Es ist deshalb zu ermitteln, welche der für eine PI-Strategie erforderlichen Funktionalitäten über die ERP-Umgebung nicht bereit gestellt werden und durch komplementäre Lösungen wie etwa eine MES-Plattform (Manufacturing Execution System) abzubilden sind. Sie darf jedoch nicht auf einem klassischen technologischen Konzept beruhen. Vielmehr muss sie sich für die flexible Integration von automatisierten und manuellen Prozessen eignen. Vorteilhaft ist hierfür ein technischer Ansatz, bei dem alle Prozesselemente der Fertigungsabläufe von den Aufträgen bis zu Handlungsanweisungen oder Qualitätsdefinitionen als Objekte zu verstehen sind. Sie werden jeweils mit Attributen versehen. Damit entsteht eine Content-Ebene, bei der durch die Attributierung eine grundsätzlich beliebige Verknüpfung der Objekte möglich wird. Dies ermöglicht eine intelligente Gestaltung von Workflows, weil die Produktionsmanager flexibel entscheiden können, wie sich jeder einzelne Prozess in seinen digitalen und manuellen Anteilen zusammensetzen soll. Auf diese Weise lässt sich der nach konkretem Bedarf erforderliche Automatisierungsgrad abbilden, so dass den tatsächlichen Praxisanforderungen bestmöglich Rechnung getragen wird. Eine ergänzende Maßnahme betrifft den Aufbau eines modernen Kennzahlensystems für intelligente Effizienz- und Qualitätsbewertungen. So genannte Key Performance Indicators (KPI) sind die entscheidende Basis für flexible Berechnungen der erfolgskritischen Faktoren in der Produktion, um sofort und nicht erst nach Produktionsende auf Abweichungen reagieren zu können. Dies verlangt die Entwicklung eines systematischen und auf die unternehmensspezifischen Bedingungen zugeschnittenen Kennzahlensystems. Sinnvoll ist es hier, zur Messung der Effizienz die mit OEE (Overall Equipment Effectiveness) bezeichnete Größe für die Gesamtanlageneffektivität heranzuziehen. Sie beschreibt das Niveau der Anlagenverfügbarkeit, Anlagennutzung und Qualität. Gleichzeitig ist eine Echtzeiterfassung der Maschinen- und Betriebsdaten (MDE/BDE) erforderlich. Die entsprechenden Auswertungstools sollten neben den Kalkulationsfunktionen auch die automatische Generierung von Reports in einem individuell definierbaren Rhythmus bieten. Vorteilhaft ist zudem eine konsolidierte Darstellung aller unternehmensweit entscheidungsrelevanten Daten unterschiedlicher Quellen in Echtzeit. Um zu nachhaltig wirksamen Optimierungsergebnissen zu gelangen, müssen gleichzeitig organisatorische Strukturen für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess implementiert werden. Hierbei werden aus den Ergebnissen der KPI-Analysen fortlaufend praxisnahe Impulse für Optimierungsmaßnahmen abgeleitet. Damit daraus ein praktikables Modell wird, setzt diese Ausrichtung nicht nur ein ausreichend differenziertes Kennzahlensystem voraus, sondern verlangt ebenso organisatorische Regelungen, Verantwortlichkeiten und personelle Ressourcen, damit die als erforderlich erachteten Konsequenzen adäquat umgesetzt werden. Zudem muss dafür gesorgt werden, dass sich der kontinuierliche Verbesserungsprozess bei allen Beteiligten zum Selbstverständnis manifestiert.
PI und BI wachsen perspektivisch zusammen
Was PI auf der Produktionsebene anstrebt, hat Business Intelligence (BI) auf der betriebswirtschaftlichen Ebene für das erfolgsorientierte Management der Geschäftsverhältnisse in den Grundzügen bereits etabliert. Denn beide Bereiche weisen in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung auf kennzahlenbasierten Steuerungsmethoden große Parallelen auf: Die präzise Analyse und die intelligente Nutzung der aufbereiteten Informationen. Dies unterstützt auch eine engere Verknüpfung der Produktions- und Business-Systemen, die nach den Ergebnissen einer von Felten durchgeführten Studie bei einem Großteil der Unternehmen in der Prozessindustrie noch fehlt. Insofern hilft perspektivisch eine engere Integration der durchgängigen Analyse der Leistungsprozesse. Im Idealfall werden zukünftig auch Verfahren entwickelt, die ein enges Zusammenspiel der technischen Tools von Production Intelligence und Business Intelligence ermöglichen.
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