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Rohstoffeinkauf in der Chemie vor neuen Herausforderungen

14.09.2011 -

Einkauf in der Chemie vor neuen Herausforderungen. Um weltweit volatilen Rohstoffpreisen zu begegnen, sind Unternehmen der Chemieindustrie gut beraten, auch die Potentiale ihrer Einkaufsorganisation auszuschöpfen. Dazu ist es notwendig, den Einkauf von einem Erfüllungsgehilfen zu einer strategischen Beschaffung weiterzuentwickeln. Nur so kann dem Einkauf guten Gewissens ein Kostenblock anvertraut werden, der im Regelfall mehr als 50 % des Umsatzes ausmacht.

Während Forschung und Entwicklung sowie Produktion und Vertrieb seit jeher im Fokus des Managements von Chemieunternehmen stehen, wird der Einkauf im Vergleich zu anderen Branchen häufig immer noch stiefmütterlich behandelt. Oft geht es nur darum, am Ende des Beschaffungsprozesses die Preise möglichst stark zu drücken, bevor der Auftrag erteilt wird. Reicht das heute noch? Immerhin summieren sich die Kosten extern zugekaufter Materialien und Dienstleistungen regelmäßig auf über 50 % des Umsatzes. Zudem hat sich der Kostendruck der Unternehmen angesichts der Preisvolatilität im Rohstoffbereich teilweise drastisch erhöht. Ob die Preise wieder steigen oder sich die Konjunkturaussichten weiter eintrüben: Chemieunternehmen sind in jedem Fall gut beraten, sich krisenfest aufzustellen und dabei die Beschaffungsorganisation in ihre strategischen Überlegungen einzubeziehen.

Potentiale erschließen

Um brachliegende Potentiale im Einkauf nachhaltig zu nutzen, ist also ein grundlegender Paradigmenwechsel notwendig – vom rein operativen hin zum strategischen Handeln. Es bietet sich folgende Agenda an: Ganzheitliche Kostenbetrachtung: Werden heute üblicherweise die Einkaufspreise als Entscheidungsgrundlage herangezogen, müssen künftig die sogenannten Total-Cost-of-Ownership (TCO) im Fokus stehen. Dies sind alle mit einer Einkaufsentscheidung verbundenen direkten und indirekten Lebenszykluskosten, also beispielsweise auch Logistikkosten oder Aufwendungen, die mit der Qualifizierung und Betreuung neuer Lieferanten verbunden sind.

Erzeugung von Wettbewerb: Der Chemie-Einkauf ist gefordert, eine gesunde und nachhaltige Wettbewerbssituation auf dem Beschaffungsmarkt zu erzeugen. Nur dies sichert ein optimales Kostenniveau, innovative Produkte und eine leistungsfähige Lieferantenbasis bei kontrolliertem Beschaffungsrisiko.

Verbreiterung der Einkaufsverantwortung: Die Verantwortung des Einkaufs sollte neben den direkten Materialien für den Wertschöpfungsprozess künftig auch die indirekten Materialien und Dienstleistungen umfassen – etwa zugekaufte Marketingoder Entwicklungsleistungen, welche die jeweiligen Fachbereiche heute häufig ohne Beteiligung des Einkaufs unmittelbar bestellen. Ein derart umfassendes Mandat wird die Unternehmensleitung dem Einkauf im Regelfall nicht von vornherein per Dekret verleihen, er wird es sich vielmehr durch kontinuierliche Erfolge schrittweise erarbeiten müssen – und zwar nicht gegen die Fachbereiche, sondern gemeinsam mit ihnen. Hierzu benötigt der Einkauf Teamgeist und ein leistungsfähiges Instrumentarium.

Instrumente und Strategien

Der Einkäufer der Zukunft agiert – ähnlich wie ein kluger Verkäufer – zielorientiert mit systematisch entwickelten und nach Materialgruppen und Lieferanten differenzierten Strategien und Instrumenten.

  • Eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Beschaffungsstrategie ist die Definition einer optimalen Lieferantenzahl sowie eine stärkere Bedarfsbündelung. Hierzu bedarf es der Aggregation von Bedarfen, der Standardisierung von Spezifikationen, der Reduktion von Lieferanten sowie der Verlängerung von Vertragslaufzeiten. Bei der Auswahl der Lieferanten bedient sich der Verkäufer sogenannter Global Procurement- Maps, die für alle relevanten Materialgruppen zeigen, in welchen Regionen die betreffenden Produkte und Leistungen bestmöglich zu beschaffen sind und welche Einsparpotentiale auf TCOBasis hieraus resultieren.
  • Der Einkäufer neuen Typs bringt sich proaktiv in die Unternehmensprozesse ein und macht die Möglichkeiten der Beschaffungsmärkte frühzeitig transparent. Er leistet einen unmittelbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg, indem er etwa als Trendscout innovative Lösungen in das Unternehmen holt. Dabei helfen ihm seine umfassenden Produktkenntnisse sowie ein tief gehendes technisches Verständnis der Herstellungsverfahren bei den Lieferanten. Dieses Know-how ermöglicht es dem Einkäufer auch, die Kostenwirkung unterschiedlicher Spezifikationen frühzeitig abzuschätzen bzw. selbst zu berechnen. Auf dieser Basis kann er mit den Lieferanten jederzeit sachlich und auf Augenhöhe verhandeln.
  • Im Rahmen eines effizienten und transparenten Lieferantenmanagements stellt der Einkäufer eine unternehmensweit einheitliche Sichtweise zur Positionierung und Leistungsfähigkeit der Lieferanten sicher. Nur so lassen sich Entscheidungen treffen, ob Lieferantenbeziehungen aufzukündigen oder weiterzuentwickeln sind. Der strategische Einkäufer der Zukunft ist dabei Teamplayer und Manager eines globalen Einkaufsnetzes, in das neben den Lieferanten auch die Einkaufskollegen aus verbundenen Unternehmen sowie die Mitglieder der unternehmensinternen cross-funktionalen Sourcing-Teams ihr spezifisches Wissen einbringen.
  • Wichtig ist auch eine adäquate technische Unterstützung der strategischen Beschaffung. Business Warehouses verhelfen zu konzernweiter Transparenz der Beschaffungsvolumen in den einzelnen Materialgruppen. E-Sourcing und Contract-Management-Applikationen sind nützlich, um Beschaffungsprozesse zu standardisieren, nachvollziehbar zu gestalten und eindeutig zu dokumentieren. Dies dient der Erfüllung gesetzlicher und unternehmensinterner Vorgaben und erhöht zudem die Revisionssicherheit.

Effiziente Neuausrichtung

Einen solchen Paradigmenwechsel hin zu mehr Strategie stellt die Einkaufsorganisation vor umfangreiche Herausforderungen. Nachhaltigen Erfolg verspricht eine systematische Neuausrichtung des Einkaufs unter Berücksichtigung der Wirkungskette von Prozessen, Strukturen und „weichen Faktoren“, deren Ausprägungen aus der Beschaffungsstrategie ermittelt werden.

Weil nur verbessert wird, was auch gemessen wird, sollten zunächst eine sorgfältige Bestandsaufnahme vorgenommen und daraus die spezifischen Handlungsfelder abgeleitet werden. Maßstab dafür sind die Best Practices der chemischen Industrie sowie der Champions anderer Branchen. Im Regelfall wird es sinnvoll sein, von vornherein eine stringente Projektstruktur einzurichten, um dem Veränderungsprozess sowohl die erforderliche Aufmerksamkeit des Managements als auch eine ausreichend hohe Schlagzahl zu verleihen. Ein weiterer Erfolgsfaktor besteht darin, von Anfang an ein Beschaffungscontrolling zu implementieren, um kontinuierlich Projektfortschritte sichtbar zu machen.

Die „Quick Wins“ der Pilotanwendungen schaffen im Unternehmen Akzeptanz für die neuen Einkaufsprozesse und -methoden.

Kontakt:
Dr. Hanno Brandes
Management Engineers International Consultants
GmbH + Co. KG, Düsseldorf
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