VCI: Forschungsetat der Chemie soll 2011 auf fast 10 Mrd. € steigen
04.08.2011 -
Die deutsche chemische Industrie hat nach der schweren Wirtschaftskrise ihre Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (F&E) deutlich erhöht: Sie investierte 2010 rund 9,4 Mrd. € in FuE. Das ist ein Plus von etwa 8 % gegenüber dem Vorjahr. „Dass wir aus der Krise so gut herausgekommen sind, hat viel mit der Innovationskraft der Branche zu tun", sagte Dr. Andreas Kreimeyer, Vorsitzender des Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung im VCI. Er kündigte außerdem an, dass die Forschungsbudgets der Chemieunternehmen 2011 auf fast 10 Mrd. € steigen sollen. „Die chemische Industrie ist wichtigster Lieferant von neuen Materialien und Vorprodukten sowie von Ideen und Anwendungs-Know-how für viele andere Industriezweige", hob Kreimeyer die Bedeutung der Branche für den Innovationsstandort Deutschland hervor. 60 % der industriellen Forschung und Entwicklung bei Werkstoffen und Vorprodukten entfallen auf die Chemie. Nach der Automobilindustrie hat sie den höchsten F&E-Etat und zählt somit zu den forschungsintensivsten Branchen in Deutschland. „Sichtbares Zeichen unserer Innovationskraft sind Forschungsergebnisse, die sich auch in Patenten niederschlagen", so der Vorsitzende des VCI-Forschungsausschusses weiter. Jedes fünfte Patent in Deutschland mit branchenübergreifenden Technologieimpulsen kommt aus der Chemie. Damit ist sie vor dem Maschinenbau der wichtigste Motor für neue Technologien hierzulande.
Negative Rückkopplungseffekte
Gleichzeitig warnte Kreimeyer vor negativen Auswirkungen von mangelnder Technikakzeptanz für den Standort Deutschland: „Eine Innovation ist ein Forschungsergebnis, das erfolgreich im Markt eingeführt wurde. Für die Industrie sind Innovationen die Lebensader. Wenn wir in Deutschland Forschung groß schreiben, die Einführung von Forschungsergebnissen in den Markt aber be- oder - wie bei der grünen Gentechnik - verhindern, werden wir auch in der Forschung über kurz oder lang einen negativen Rückkopplungseffekt erleben." Mit Blick auf die Herausforderungen der Energiewende hob Kreimeyer hervor, wie wichtig Forschung und Entwicklung für die Industrie in Deutschland seien. Laut einer VCI-Umfrage planen über 90 % der VCI-Mitgliedsunternehmen in den nächsten fünf Jahren ihre Forschungskapazitäten im Inland auszuweiten. Von den großen Unternehmen wollen 88 % ihr Forschungsengagement in Deutschland stärken. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen sind es sogar alle befragten Firmen. Für die großen Chemieunternehmen spielen jedoch auch die Schwellenländer eine zunehmend bedeutende Rolle. 46 % planen einen Ausbau ihres Forschungsengagements in diesen Ländern, vor allem in Asien. Knapp ein Drittel der großen deutschen Chemieunternehmen will ihre Forschung dort sogar stärker ausbauen als in Deutschland. „Ihre Motive sind dabei ähnlich wie beim Aufbau von Produktionskapazitäten vor Ort", erläuterte Kreimeyer: „Sie nutzen die Nähe zu wichtigen Absatzmärkten, greifen auf wissenschaftliches Know-how und den Talentpool vor Ort zurück." Daher müsse man sich anstrengen, damit Deutschland ein Spitzenforschungsstandort bleibe. Der Vorsitzende des VCI-Forschungsausschusses mahnte deshalb die Bundesregierung an, sich noch in dieser Legislaturperiode für eine steuerliche Forschungsförderung zu entscheiden.
Innovationen aus der Chemie sind Grundstein für Energiewende
Die Chemie wird mit ihrer Forschung einen wichtigen Beitrag leisten, um die Herausforderungen der Energiewende zu meistern. Das machte Dr. Andreas Kreimeyer deutlich: „Unsere Innovationen zur Stromerzeugung und -speicherung sowie zur Erreichung höherer Energieeffizienz werden in Zukunft noch stärker gefragt sein als heute."
Regenerative Energien
Mit ihren Hightech-Materialien könne die Chemie beispielsweise dazu beitragen, dass Windräder und photovoltaische Systeme leistungsfähiger und belastbarer werden. So arbeiten Forscher in der Branche an Verbundmaterialien mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die eine Blattlänge für Windräder von bis zu 90 Metern zulassen. Sie entwickeln außerdem halbleitende Polymere für Photovoltaik-Module, die man kostengünstiger herstellen kann und besser verarbeiten kann.
Energieeffizienz und Klimaschutz
Darüber hinaus hilft die Chemie, Energie zu sparen und damit das Klima zu schützen. Das sei im Bau zum Beispiel möglich durch den Einsatz von Hochleistungsdämmmaterialien, Wärmeschutzfenstern, Dachisolierungen oder energiesparender Beleuchtung. So bringen die Forscher beispielsweise Dämmstoffen bei, Infrarotlicht zu absorbieren und in Wärme umzuwandeln.
Energiespeicherung
„Um den aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom besser speichern zu können, sind leistungsfähige Batterien notwendig, in denen sehr viel Chemie-Know-how steckt", hob Kreimeyer weiter hervor. So forschen die Mitarbeiter in den Laboren an den entscheidenden Komponenten für praxistaugliche Hochleistungsbatterien - an Elektroden, Elektrolyten und Separatoren. Viel versprechende Ansätze für den Einsatz von Batterien als Großspeicher für Strom gebe es bei Natrium-Schwefel oder Redox-Flow-Batterien. Lithium-Ionen-Batterien in Elektrofahrzeugen könnten in Zukunft bei entsprechender Einbindung in Intelligente Netze (Smart Grids) ebenfalls als Energiepuffer für Strom genutzt werden. Auch auf dem Gebiet der Solarthermie, das heißt der Umwandlung von Sonnenlicht in Wärme, ist die Branche aktiv. Die Chemieforschung konzentriere sich dabei einerseits auf optimierte Wärmeträgeröle, andererseits auf Salze mit hoher Wärmekapazität, die zur Speicherung der Sonnenenergie eingesetzt werden können. Die Chemie werde zum Gelingen der Energierevolution beitragen. Doch seien mehr Anstrengungen und ausreichend Zeit in der Forschung notwendig, um diese Herausforderungen zu stemmen. Darum appellierte Kreimeyer an das Bundesforschungsministerium, die Werkstoffforschung weiter zu intensivieren, die Forschungsförderung hierzu zu bündeln und das 10-Punkte-Programm zur Materialforschung konsequent umzusetzen.