CHEMonitor 1/2011 - Rohstoff- und Energiepreise größte Wachstumsrisiken für die Chemie
24.02.2011 - Rohstoff- und Energiepreise stellen größte Wachstumsrisiken für die Chemie dar.
Im Jahr 2010 beindruckte die deutsche Chemieindustrie mit imposanten Wachstumsraten: 17,5 % Plus beim Umsatz, 11 % bei der Produktion, meldete der Verband der Chemischen Industrie (VCI) Mitte Dezember 2010, und damit die größten Steigerungsraten seit 1976. Gleichzeitig warnte VCI-Präsident Dr. Klaus Engel: „Von einem selbsttragenden Aufschwung der Weltwirtschaft kann noch nicht die Rede sein."
Welche Faktoren können das Wachstum bremsen? Welche Wachstumsstrategien verfolgen deutsche Chemieunternehmen in den kommenden Monaten? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die aktuelle CHEMonitor-Umfrage zum Thema Wachstumstrends vom Januar 2011. An der Befragung nahmen über 100 Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und Entscheider aus der Chemiebranche teil, drei Viertel von ihnen stammten aus Unternehmen mit weniger als 5000 Mitarbeitern. Insgesamt gehören dem Panel des Trendbarometers von CHEManager und der Strategie- und Prozessberatung Camelot Management Consultants rund 300 Top-Entscheider der deutschen Chemieindustrie an. Sie werden regelmäßig zu den Entwicklungen in der Branche befragt.
Vertrauen in den Standort höher als vor der Krise
Entsprechend der eingangs genannten Branchenbilanz zeigte sich auch die Stimmung der deutschen Chemieindustrie zu Jahresbeginn: Über 90 % der befragten Top-Entscheider - mehr als bei allen vorangehenden 13 CHEMonitor-Befragung seit Januar 2007 - bewerteten die Standortbedingungen in Deutschland als positiv (Grafik 1). Befragt nach den Entwicklungen in den kommenden 12 Monaten, rechneten jedoch fast doppelt so viele Chemiemanager mit einer Verschlechterung (24 %) wie mit einer Verbesserung (11 %) der Standortbedingungen. Die Mehrheit ging von konstant guten Bedingungen aus (59 %).
Ebenfalls auf höchstem Niveau seit Beginn der Umfragen vor vier Jahren bewegt sich mit 47 % der Anteil der Unternehmen, die ihre Investitionen erhöhen wollen (Grafik 2). Bei großen Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern liegt dieser Anteil mit rund 60 % noch höher. 56 % alle befragten Chemiemanager planen Investitionen auf Vorjahresniveau und nur 7% rechnen mit einem rückläufigen Trend.
Ähnlich wie die Prognose zu den Standortbedingungen sieht in der Tendenz auch die zur Geschäftsentwicklung für das Jahr 2011 (Grafik 3) aus: 4 % der Chemiemanager erwarten Umsatzwachstumsraten auf dem Niveau des Jahres 2010. Etwa zwei Drittel sagen einen einstelligen Zuwachs bei Umsatz und Ergebnis voraus. Nur ein geringer Anteil von 5 % bzw. 6 % geht für 2011 von einer negativen Umsatz- und Ergebnisentwicklung aus. Im Januar 2009 lagen die CHEMonitor-Umfragewerte hierfür noch bei 18 % bzw. 23 %.
Unter Berücksichtigung der Unternehmensgrößen und -umsätze liegen die Umfrageergebnisse damit im Bereich der Prognose des VCI, der im Dezember ein Umsatzplus in der deutschen Chemiebranche von 4 % vorhersagte.
Rohstoff- und Energiepreise größte Wachstumsrisiken
Befragt nach äußeren Bedingungen, die das Unternehmenswachstum bremsen, nannten 64 % (Grafik 4) steigende Energie- und Rohstoffpreise als größte Wachstumsbarriere, gefolgt von regulatorischen Auflagen der EU (56 %) und dem Mangel an qualifiziertem Personal (50 %). Letzteres sehen besonders große Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern als Herausforderung. Hier lag der Anteil der Nennungen mit 65 % deutlich über dem bei kleinen Unternehmen (45 %).
Dass die europäische Industrie zunehmend den Kostendruck durch teure Rohstoffe spürt, belegt auch der aktuelle Einkaufsmanagerindex des britischen Instituts Markit. Danach stiegen die Einkaufspreise der Unternehmen im Januar 2011 so stark wie nie seit April 1996. „Die Rohstoffsituation bleibt in vielen Bereichen der Chemieindustrie weiter angespannt", sagt Dr. Sven Mandewirth, Partner bei Camelot Management Consultants, „Durch volatile und nicht prognostizierbare Rohstoffpreisentwicklungen hat die Steuerung von Rohstoffpreisrisiken in der Branche in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen."
Bei den Antworten zu unternehmensinternen Wachstumsbarrieren zeigt die CHEMonitor-Befragung ein differenzierteres Bild (Grafik 5), auch in Bezug auf die Unternehmensgröße: 28 % aller befragten Top-Manager - und 41% der Umfrageteilnehmer aus Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern - nannten limitierte Produktionskapazitäten als größte Wachstumshürde. „Diesen Trend können wir bestätigen: Unsere Kunden berichten einerseits von Lieferengpässen in der Supply Chain, weil noch immer nicht alle Anlagen nach der Krise wieder vollständig in Betrieb genommen wurden", sagt Dr. Josef Packowski, Managing Partner bei Camelot Management Consultants. „Andererseits klagen Unternehmen, die stark international expandieren, darüber, dass zu geringe Produktionskapazitäten oder eine verbesserungsfähige Produktivität und Planbarkeit sie in ihrem Wachstum bremst."
In Bezug auf die Produktionskapazitäten ist eine Besserung in Sicht: 39 % der Chemiemanager erwarten für 2011 einen moderaten Ausbau der Produktionskapazitäten (Grafik 6) um bis zu 5 % für ihr Unternehmen. 17 % sagen gar einen Anstieg über 10 % voraus, während nur 4 % mit rückläufigen Produktionskapazitäten rechnen.
Deutsche Chemie weiter auf Wachstumskurs
Nicht nur das hohe Investitionsniveau belegt den klaren Wachstumskurs der deutschen Chemie: Für 42 % aller befragten Top-Manager hat Wachstum in den kommenden 12 Monaten eine höhere Priorität als Kostensenkung (Grafik 7). Nur 6 % der Unternehmen, und damit so wenig wie bei keiner CHEMonitor-Befragung zuvor, fokussieren sich auf Kostensenkung. Für die Hälfte der Manager sind beide Strategien gleichrangig.
Auch wenn die Berichterstattung der vergangenen Wochen und Monate ein anderes Bild der Branche prägt, setzt nach den Ergebnissen der aktuellen CHEMonitor-Befragung der überwiegende Anteil der wachstumsorientierten Unternehmen auf organisches Wachstum (26 %). Nur 4 % richten ihre Wachstumsstrategie allein auf Fusionen und Akquisitionen aus. Für 61 % sind beide Strategien gleichrangig.
Die Antworten auf die Frage nach den wichtigsten Wachstumsregionen für die deutsche Chemie zeigen eine starke Abhängigkeit von der Unternehmensgröße. Während 43 % aller Befragten Deutschland als wichtigste Wachstumsregion nennen, dicht gefolgt von China mit 42 %, zeigt sich bei Unternehmen über 10.000 Mitarbeiter ein anderes Bild: Hier ist China mit 86 % der Nennungen klar die Nummer Eins und Deutschland spielt mit 9 % nur eine untergeordnete Rolle.
Chemie plant Einstellung für 2011
Der Wachstumskurs der Chemieindustrie sollte sich 2011 positiv auf die Beschäftigtenzahlen der Branche auswirken. Nachdem die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche in Folge der Krise 2009 um 3 % und 2010 um 0,5 % sank, lassen die Ergebnisse des aktuellen CHEMonitor auf eine Wende hoffen (Grafik 8): 44 % aller befragten Unternehmen wollen ihre Mitarbeiterzahlen in den kommenden Jahr 2011 erhöhen, dagegen planen nur 4 % einen Personalabbau. Die Hälfte rechnet mit konstanten Beschäftigungszahlen.
Der gesamte Trendbericht der chemischen Industrie 1.2011, mit umfangreichen Zahlenmaterial ist als PDF für 990 Euro
unter chemanager@gitverlag.com erhältlich.
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