Ehrgeizige Ziele
Clariant implementiert qualitative Wachstumsstrategie
Seit rund einem Jahr verfolgt Clariant eine ehrgeizige Strategie mit dem Ziel, auf Weltklasseniveau aufzuschließen. Dazu will das Unternehmen sich auf seine Stärken fokussieren, Produkte, Standorte und Stellen reduzieren und produkt- und serviceorientierte Geschäfte voneinander trennen und gemäß ihrer Bedürfnisse managen. Brandi Schuster sprach mit Jan Secher, der seit rund 21 Monaten CEO von Clariant ist, über die Fortschritte bei der Umstrukturierung des Unternehmens.
CHEManager: Herr Secher, Clariant steht vor einem grundlegenden Wandel. Was passiert im Moment?
J. Secher: Im Moment tut sich im Unternehmen enorm viel, ob im Bereich der Kostensenkung, der Rationalisierung oder der Straffung des Produktportfolios. Wir haben Assessment Center für unsere Führungskräfte eingerichtet, durch die Clariant Academy neue Möglichkeiten der Mitarbeiterentwicklung geschaffen und ein neues Preismanagementsystem eingeführt. Allerdings haben sich diese Maßnahmen noch nicht im Ergebnis niedergeschlagen - das wird im Jahr 2008 passieren. Deshalb habe ich das Unternehmen kürzlich mit einem Flugzeug auf der Piste verglichen. Im Moment befinden wir uns in der Phase, wo die Maschine mit dröhnenden Turbinen die Startbahn entlang rollt und beschleunigt.
Und wann ist Clariant bereit zum Abheben?
J. Secher: Die Divisionen haben im Ende letzten Jahres die Transformation unserer Strategie in konkrete divisionale Maßnahmenpakete abgeschlossen. Wir haben jetzt Klarheit darüber, wie wir die Trennung von produkt- und servicegetriebenem Geschäft im Einzelnen umsetzen werden und welche Konsequenzen das auf unser operatives Ergebnis haben wird. Nach einer strategischen Analyse aus dem vorletzten Jahr ist bei rund 40% unseres Portfolios der Preis der differenzierende Faktor - und das bei einem Unternehmen der Spezialchemie. Was bedeutet «spezial»? Es bedeutet, dass wir Produkte anbieten, die andere nicht anbieten können, und doch differenzieren sich etwa 40% unseres Portfolios über den Preis. Das war ein unsanftes Erwachen, aber auch sehr heilsam. Es bedeutet einfach, dass wir unser Geschäft anders führen müssen. Wir müssen besser lernen, auch die eher kommoditisierten Geschäftsgebiete zu managen. Wenn man das richtig macht kann man sehr interessante Erträge damit erwirtschaften.
Wie weit ist der Umstrukturierungsprozess fortgeschritten?
J. Secher: Wir bewegen uns in die Richtung, die wir mit unserem Ziel für 2010 vorgegeben haben, und an unseren Zielsetzungen hat sich nichts geändert. In einigen Bereichen sind wir zugegebenermaßen nicht ganz so weit wie geplant, aber wir tun das Richtige und wir werden unser Ziel erreichen. Nehmen wir zum Beispiel die Straffung des Produktportfolios: Wir hatten uns vorgenommen, unsere Produktpalette um 25% zu verringern, und haben schon jetzt eine Reduzierung um mehr als 20% erreicht.
Im Bereich der Standortreduzierung haben wir bereits drei Standorte sowie sieben technische Labore geschlossen. Im dritten Quartal des letzten Jahres haben wir die Schließung des Standorts der Division „Textile, Leather & Paper Chemicals" im britischen Selby angekündigt. Zudem haben wir beschlossen, die Fabrik der Division Pigments & Additives in Coventry, Rhode Island, USA, sowie den Standort der Division Masterbatches in Naucalpan, Mexiko, zu schließen. Einschließlich der für das vierte Quartal eingeplanten Umstrukturierungskosten werden in diesem Bereich für das Jahr insgesamt rund 250 Mio. CHF anfallen. Durch diese Schließungen, die Kernstück unseres Umstrukturierungsplans sind, werden wir die Hälfte des Personalabbaus erreichen, den wir uns zum Ziel gesetzt haben.
Standortschließungen und damit verbundene Entlassungen gehören sicherlich zu den schwierigeren Maßnahmen. Können Sie weitere Maßnahmen nennen?
J. Secher: Dies ist ein schmerzhafter Prozess, den wir seit der Ankündigung im vergangenen November durchlaufen. Wir sprechen erst dann über Standortschließungen, wenn wir so weit sind. Es gibt keine Garantien, nicht einmal für unsere größten Standorte. Wenn ich einzelnen Standorten zusichern würde, dass sie nicht geschlossen werden, würden alle anderen ebenfalls entsprechende Garantien erwarten. Damit wäre es unmöglich, unser künftiges Standortnetz auf Grundlage einer rationalen Analyse unseres Marktumfelds aufzubauen.
Wie hat sich die Veräußerung von Phamaceutical Fine Chemicals und Custom Manufacturing auf die Dynamik von Clariant ausgewirkt?
J. Secher: Es gab zwei Veränderungen: Zum Ersten hat sich die Leistung verbessert, da diese beiden Geschäftsbereiche eine schwache Performance zeigten. Zum Zweiten haben die Veräußerungen dem Führungsteam einen neuen Fokus gegeben.
Ist es denkbar, dass Clariant weitere Geschäftsbereiche veräußert?
J. Secher: Wir werden unser Portfolio in Zukunft aktiver managen als zuvor. Wir werden uns von den Bereichen trennen, in denen unsere Marktposition und Profitabilität nicht führend sind und wir auch keine realistische Chance haben, dorthin zu gelangen. Dabei werden wir Wert für unsere Aktionäre schaffen. Auf der anderen Seite werden wir unser Portfolio dort verstärken, wo wir uns bereits in einer führenden Position befinden. Der entsprechende Analyseprozess hat im Juli letzten Jahres begonnen und wir werden im Laufe des ersten Quartals Einzelheiten bekannt geben.
Wo sehen Sie die Zukunft von Clariant?
J. Secher: Seit ich bei Clariant angefangen habe, spreche ich davon, das Unternehmen in eine stärker kundenorientierte Organisation zu verwandeln. Wir brauchen einen deutlich stärkeren Marketingansatz zur Identifizierung neuer Chancen. In vielen Bereichen investieren wir bereits in die Untersuchung der Marktbedürfnisse und lassen die Erkenntnisse in die Forschung und Entwicklung einfließen. Damit machen wir einen Schritt von einem rein technologiegetriebenen Unternehmen hin zu mehr Kundenorientierung.
Die chemische Industrie hat dieses Denken erst relativ spät angenommen. Man muss aber berücksichtigen, dass die Entwicklung in dieser Branche traditionell von den Ressourcen angetrieben wird. Das Konzept einer kundenorientierten Organisation scheint nahe liegend, doch die Umsetzung erfordert einen kulturellen Wandel. Der Kulturwandel, den Clariant derzeit erlebt, beinhaltet ein besseres Verständnis unserer Märkte und entsprechende Reaktionen.