Zusammenspiel von Supply Chain und Logistik
Camelot benennt vier Leitlinien, die das Zusammenwachsen von SC und Logistik fördern
Die Unsicherheit in den Supply Chains wird hoch bleiben. Das bestätigen auch unabhängige Stellen wie zuletzt Riskmethods in ihrem „2020 Risk Report“. In der Pandemie wurden dazu auf breiter Front Krisenstäbe eingerichtet, die bei langen Lieferketten die operative Lieferfähigkeit sicherstellten und gleichzeitig möglichst belastbare Pläne für die Zukunft ausarbeiteten.
Was als Reaktion auf die aktuelle Situation erscheint, reicht jedoch tiefer: Wir beobachten die massive Verstärkung des Zusammenwachsens von Supply-Chain-Planung und operativer Logistik. Wo dies noch nicht der Fall ist, sehen wir bei steigender Volatilität vor allem in der Logistik ein konstantes Firefighting, das auf fehlende Vorausschau und Abstimmung mit anderen Einheiten im Unternehmen zurückgeht. Es bleibt kaum Zeit für das strategische und taktische Management sowie die systematische Weiterentwicklung der Logistik; häufig wird die Kurzfristigkeit in Planung und Umsetzung von Maßnahmen mit schnell steigenden Logistikkosten bezahlt.
In der Supply-Chain-Planung sieht man sich in ähnlicher Art und Weise entkoppelt, was häufige Umplanungen notwendig macht und eine niedrige Performance bei den wichtigsten Planungskennzahlen nach sich zieht. In der Vergangenheit bestand ein wesentlicher Grund für die Trennung zwischen Supply-Chain-Planung und Logistik in den unabhängigen Systemen, die beide Funktionen unterstützten. Ein weiterer Grund ist, dass die Logistik im Sinne von Kapazitäten und Kosten häufig nicht in der Supply-Chain-Planung berücksichtigt wurde.
„Es setzt ein Umdenken im Zusammenspiel von Logistik und Supply Chain ein.“
Digitalisierung als Turbo
Die zunehmende Digitalisierung und Nutzung von großen, gemeinsamen Datenpools haben gerade im vergangenen Jahr nochmals an Geschwindigkeit zugelegt. Das versetzt viele Chemie- und Pharmaunternehmen nun in die Position, durch ein ‚Mehr‘ an Visibility frühzeitig zu reagieren und die strategisch-taktische Planungsebene mit der operativen Umsetzung zu verbinden. Neue Planungskonzepte unterstützen dies konzeptionell und arbeiten intrinsisch mit der Idee einer sich selbst steuernden Supply Chain.
Im Kern beschreiben die Konzepte eine nachfragegetriebene Lieferkette, welche an kritischen Punkten entkoppelt wird. Dies kann erfolgen, weil es knappe Logistikressourcen in der Supply Chain gibt oder weil hierdurch eine bessere Planung gewährleistet werden kann. Die Grundidee besteht in jedem Fall darin, dass Logistik und Supply Chain gemeinsam die Rahmenparameter im Kontext des Sales & Operations Planning (S&OP) erarbeiten und die Regelwerke bestimmen, nach denen sich die Lieferkette selbst steuert. Hierzu zählen bspw. geplante Nachschubsendungen oder die Reaktion auf Störungen in der Logistik.
„Logistik und Supply Chain sollten gemeinsam die Rahmenparameter im Kontext des S&OP erarbeiten.“
Vier Leitlinien für die Umsetzung
Wenn es um die Umsetzung dieser Ideen geht, empfehlen sich die folgenden vier Leitlinien:
- Design des Logistiknetzwerks mit Entkopplungspunkten an kritischen Stellen
Speziell in der Pharmaindustrie mit Produkten, die an strenge lokale Regularien gebunden und spezifisch für bestimmte Märkte produziert werden, sind Entkopplungspunkte ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Lieferfähigkeit. Für eines der Top-10-Pharmunternehmen haben wir in diesem Zuge ein Konzept zur Late-Stage Customization von Pharmazeutika entwickelt, welches zur Agilität und Flexibilität in der Supply Chain beiträgt.
Das Konzept wird gemeinsam von der Supply-Chain-Planung als auch von der Logistik genutzt, um bei steigendem Outsourcing-Grad in der Produktion und Verpackung eine schnelle Lieferfähigkeit und insgesamt eine höhere Kontrolle zu gewährleisten. So lassen sich Märkte mit kleineren Losen häufiger versorgen und Nachfrageschwankungen ausgleichen; Risiken der Obsoleszenz werden vermieden und gleichzeitig Bestände eingespart.
- Verknüpfung von End-to-End-Visibility und taktischer Planung
Visibility im Sinne von Track & Trace und ähnlichen Konzepten gibt es seit vielen Jahren. Speziell Pharmaunternehmen legen, getrieben durch Kühlketten und die Nachverfolgbarkeit von Medikamenten allgemein, sehr großen Wert darauf. Neu ist, Informationen systemübergreifend zur Verfügung zu stellen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Dies beginnt bspw. in einer frühen Sichtbarkeit zukünftiger Transportbedarfe für die Logistik, um Kapazitätsengpässe zu vermeiden. Zudem werden bei Verspätungen in der Logistik alternative Routen geprüft oder sogar eine Notfallsendung ausgelöst. Schließlich funktionieren diese Prozesse nicht nur auf dem Weg zum Kunden, sondern, vor allem in der Closed-loop Supply Chain von Zell- und Gentherapien, auch in die entgegengesetzte Richtung.
- Organisatorische Zusammenführung von Supply Chain und Logistik in kleinen, unternehmerisch denkenden Einheiten
Auf sich verändernde Rahmenbedingungen in der Supply Chain und der Logistik sollte immer auch strukturell reagiert werden. Wir sehen, dass Organisationen, welche funktionsübergreifend in kleinen Teams organisiert sind, den speziellen Herausforderungen besser begegnen können. Meist handelt es sich um interne geschlossene Supply Chains von bestimmten Produkten/Produktgruppen, für die von der Supply-Chain-Planung bis zur operativen Abwicklung der Supply Chain gemeinschaftlich gearbeitet wird.
Die Schlagkraft einer unternehmerisch denkenden und handelnden Einheit entlang gemeinschaftlicher Ziele ist nicht zu unterschätzen. In unseren Projekten konnten wir beobachten, dass sich über die Verzahnung der taktischen Planung mit der operativen Logistik weitere Verbesserungen realisieren ließen, die zur Kosten- und Bestandssenkung beitragen.
- Systemische Umsetzung in digitalen Zwillingen und Control Tower
Die oben genannten Leitlinien von Supply-Chain-Design, Visibility und Organisation entfalten das maximale Potenzial, wenn sie systemgestützt und automatisiert ablaufen. Hierzu setzen sich vermehrt digitale Zwillinge und Control Tower der Supply Chain durch, in denen sich Informationen bündeln lassen. Unternehmen profitieren hier von der ganzheitlichen Sichtweise auf die Supply Chain – vorausschauend, bewertend und mit Ableitung von Handlungsempfehlungen. So werden Entscheidungen nicht mehr isoliert für eine Funktion (etwa Logistik) oder nur für einen Teilbereich (z.B. einen Markt) getroffen.
Digitale Zwillinge erlauben es, langfristige Engpässe frühzeitig zu erkennen bzw. vorherzusagen. Über verschiedene Planungsszenarien und proaktive Risikomanagementkonzepte steuern Unternehmen, die diese Konzepte und Technologien einsetzen, Krisen wie auch das tägliche Geschäft deutlich besser. Gerade die Verstetigung des gesamten Prozesses erlaubt es, Volatilität und damit Firefighting auf ein Minimum zu reduzieren, und damit schließt sich der Kreis.
Ob nun entlang aller vier Leitlinien gearbeitet wird oder man mit den strategisch-konzeptionellen Themen beginnt: Es setzt ein Umdenken im Zusammenspiel von Logistik und Supply Chain ein. Die oben genannten Markttrends werden sich weiter fortsetzen, sowohl in der Kundenzentriertheit als auch in der Störungsanfälligkeit der durchoptimierten Lieferketten. Unternehmen, die den Trend jetzt aufgreifen und umsetzen, investieren in ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit.
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