Zoll-Präferenzen begünstigen Warenimport
Automatisches Versandsystem erleichtert Umgang mit Präferenzkalkulation
Welche Vorteile Zoll-Präferenzen bieten oder worauf bei der Präferenzkalkulation zu achten ist, verrät Dr. Manfred Steins, Geschäftsführer von Anton Software, im Interview mit Dr. Sonja Andres.
CHEManager: Herr Dr. Steins, was steckt denn hinter dem Begriff Präferenzberechtigung?
Dr. M. Steins: Die Europäische Union hat mit einer ganze Reihe von Staaten oder auch Staatengruppen bilaterale Verträge geschlossen, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken. Dazu gehören auch Verträge, die den Import von Waren begünstigen, wenn sie zu einer bestimmten Warengruppe gehören und wenn sie einen gewissen Anteil von Wertschöpfung im jeweiligen Partnerland erfahren haben. Wird eine solche Ware in ein Vertragsland versandt, muss der Warenempfänger in der Regel einen deutlich niedrigeren Importzoll bezahlen.
Eine Zusammenarbeit mit einem Vertragsland ist dadurch häufig sehr viel wirtschaftlicher. Dies bedeutet einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern aus anderen Ländern. Um diesen Vorteil voll ausschöpfen zu können, ist die rechtssichere, klare und transparente Darstellung der Herkunft jeder einzelnen gehandelten Komponente oder jedes Teils zusammen mit einer Dokumentation unerlässlich. Schon geringe Ungenauigkeiten können im Falle einer Außenwirtschaftsprüfung sehr prekäre Folgen haben. Deshalb entscheiden sich auch heute noch viele Unternehmen für das „worst case" Verfahren und verzichten auf diese Begünstigung.
In diesem Zusammenhang existieren weitere Begriffe wie zum Beispiel Warenverkehrsbescheinigung, Ursprungszeugnis oder Präferenzkalkulation. Können Sie diese Begriffe bitte kurz erläutern?
Dr. M. Steins: Warenverkehrsbeschreibungen wie zum Beispiel das Formular EUR.1 dokumentieren den präferentiellen Status der Ware gegenüber dem Zoll. Das Ursprungszeugnis dokumentiert dagegen mit dem Ursprungsland, beziehungsweise der EU als Ursprung, den handelsrechtlichen Ursprung gegenüber dem Kunden und wird über die jeweilige IHK abgewickelt. Der präferentielle Status kann auch beispielweise über die Rechnung dokumentiert werden, falls die entsprechende zollrechtliche Vereinfachung bewilligt wurde. Diese ist sogar zwingend notwendig, wenn man dies gegenüber Südkorea bescheinigen möchte.
Die Präferenzkalkulation dient der Ermittlung des präferentiellen Status der Ware und muss mit einem Berechnungsprotokoll - zum Beispiel für eine spätere Zollprüfung - verbunden sein.
Weshalb ist die Präferenzkalkulation gerade für Unternehmen aus der chemischen oder pharmazeutischen Industrie von Bedeutung?
Dr. M. Steins: Gerade in der chemischen und pharmazeutischen Industrie ist eine Präferenzkalkulation häufig mit Problemen verbunden. Normalerweise erfolgt hier eine Kalkulation auf Basis von Chargen, die erst bei der Produktion feststehen. Das Endprodukt muss im Fall von Lagerware eindeutig zuzuordnen sein. Trotzdem soll häufig bereits bei der Angebotsabgabe eine Aussage über den präferentiellen Status möglich sein, so dass in diesem Fall sogar zweimal kalkuliert werden muss. Einmal auf der Basis von Standard-Rezepturen und ein zweites Mal zollrechtlich einwandfrei nach der Produktion.
Darüber hinaus gibt es immer wieder wechselnde Lieferanten für die Grundstoffe, eine exakte Verfolgung von Lieferantenerklärungen und eine genaue Zuordnung der Lieferungen ist hier extrem wichtig.
Was macht den Umgang mit dem Thema Präferenzkalkulation so kompliziert?
Dr. M. Steins: Es gibt hauptsächlich zwei Gründe für den hohen Arbeitsaufwand, den ein Unternehmen bei der manuellen Präferenzkalkulation leisten muss.
Zum einen ist das zu Grunde liegende Datenmaterial extrem komplex. Je vierstelliger Warentarifnummer und je Vertragsland können unterschiedliche Regeln für die Ermittlung vorliegen. Wenn die Ware an einen Wiederverkäufer geht und sie mit einer eigenen Lieferantenerklärung begleitet wird, muss der Präferenzstatus für alle Vertragsländer ermittelt und das Ergebnis auf der Lieferantenerklärung ausgewiesen werden.
Zum anderen ist die Abbildung der internen Prozesse in der Präferenzkalkulation für den Erfolg maßgeblich. Obwohl die zu Grunde liegenden Algorithmen immer gleich sind, spielen viele Dinge wie zum Beispiel die Minimalbehandlung, das Verbot von Durchschnittspreisen oder auch eine Multi-Company Abwicklung eine Rolle.
Was sollte ein automatisches Versandsystem können, das in der Pharma- oder Chemieindustrie eingesetzt wird? Welche Vorteile bietet es beim Thema „Präferenz"?
Dr. M. Steins: Ein automatisches Versandsystem sollte dem Mitarbeiter die meiste Arbeit abnehmen und die verbleibenden Arbeiten strukturiert vorlegen. Die entsprechenden Dialoge sollten auf das Tätigkeitsfeld des Mitarbeiters ausgeprägt sein und nur die Daten zur Bearbeitung aufweisen, die auf Grund seines internen Ablaufs notwendig sind. Das System sollte sich darüber hinaus selbstverständlich an sich ändernde gesetzliche oder auch interne Vorgaben anpassen können und eine moderne technische Basis bieten. Alles steht und fällt aber mit einer kompetenten Betreuung und einem guten Service.
Welche Voraussetzungen müssen für eine automatische Erfassung der nötigen Daten für die Präferenzkalkulation gegeben sein? Sind hierfür Cloud-Lösungen nötig und praktikabel?
Dr. M. Steins: Eine wichtige Voraussetzung für eine automatische Präferenzkalkulation ist die Datenversorgung des Systems aus dem ERP-System mit Rezepturen und Lieferantendaten sowie mit Daten aus der Fertigung. Hier stellt sich die Frage nach dem aktuellen Sicherheitsstatus von Cloud-Lösungen, die es normalerweise erfordern, dass alle diese Daten inklusive der Einkaufs- und Verkaufspreise über das Internet transportiert werden. Darüber hinaus liefern Cloud-Lösungen normalerweise einen Standardprozess und können nur begrenzt auf besondere innerbetriebliche Abläufe reagieren. Für kleinere Unternehmen kann trotzdem eine Cloud-Lösung die richtige Lösung sein. Dennoch: wir haben es hier immer mit sensiblen, schützenswerten Daten zu tun. Anton liefert deshalb aus Sicherheitsgründen für die Präferenzkalkulation grundsätzlich nur Inhouse-Lösungen aus.
Präferenzangaben lassen sich mit Ihrem System auch chargenbezogen machen. Welche Vorteile hat das?
Dr. M. Steins: Das Präferenzrecht sieht für den Fall einer nicht chargenbezogenen Kalkulation grundsätzlich immer das „worst case"-Verfahren vor. Das bedeutet, dass im Fall von Lieferanten zum Beispiel. ein einmaliger Bezug von Drittlandsware im Jahr den präferentiellen Status negativ beeinflusst. Das gleiche gilt für den Einkaufspreis. Die Verwendung von Chargeninformationen liefert daher in der Regel sehr viel häufiger einen positiven Präferenzstatus.
Sie haben in Ihr automatisches Versandsystem zusätzlich eine Möglichkeit der Berücksichtigung von Präferenzen innerhalb von Unternehmensgruppen eines Gesamtunternehmens eingefügt. Weshalb? Was leistet diese Zusatzfunktion?
Dr. M. Steins: Wenn sich verschiedene Unternehmen innerhalb einer Gruppe gegenseitig beliefern und die einzelnen Produkte vielleicht sogar in anderen Unternehmensteilen weiterverarbeitet werden, müssen sich die Unternehmen eventuell gegenseitig Lieferantenerklärungen ausstellen und die entsprechenden Ursprungsinformationen in die einzelnen Präferenzkalkulationen aufnehmen. Mit dem EVA-Multi-Company Modul ist dies ohne weiteren Arbeitsaufwand möglich. Die Daten können so buchungskreis-übergreifend ermittelt werden. Damit entfällt der Aufwand für eine Weitergabe dieser Daten zwischen den Unternehmen einer Gruppe.