WVIS-Kolumne Neues aus dem Industrieservice: Der Chemieanlagenbau boomt.
Ein Treiber ist die Digitalisierung in der Industrie.
Die deutsche Wirtschaft wächst. Der Chemieanlagenbau boomt. Auch andere Branchen melden Zuwächse, sprechen von positiven Prognosen für die Folgejahre oder kündigen Investitionen an. Ein Treiber dieses Booms ist die Digitalisierung in der Industrie, die neue Möglichkeiten eröffnet, effizientere Abläufe verspricht und nicht zuletzt wirtschaftlicheres Handeln ermöglicht. Sogar die endlich in Amt und Würden bestätigte neue Regierung arbeitet fleißig mit am Ausbau schnellerer Datenverbindungen und stabilerer Netze. Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland, im digitalen Vergleich mit anderen Nationen, wird langsam wiederhergestellt. Indem sich der digitale Vorsprung der anderen verringert, wird der Blick frei auf eine neue Baustelle: der Fachkräftemangel.
Am deutschen Arbeitsmarkt fehlen derzeit rund 440.000 Arbeitskräfte (Quelle: Handelsblatt). 2020 werden bereits 1,7 Mio. Fachkräfte fehlen, bis 2030 wird die Zahl sogar auf 3,5 Mio. steigen. Grund für die fehlenden Arbeitskräfte ist in erster Linie der demografische Wandel. Aber zusätzlich haben Wirtschaft und Politik es jahrelang versäumt, die Voraussetzungen für eine Lösung des bekannten Problems zu schaffen. Selbst durch qualifizierte Zuwanderung ist der Ist-Zustand kurzfristig nur marginal zu korrigieren. Ein klarer Fall von menschlichem Versagen trotz datenbasierter Kennzahlen.
Wesentlich für das Fortschreiten des kontinuierlichen Wachstums sind daher zwei Faktoren: Zuerst einmal sind Daten dazu da, unsere Denkprozesse zu unterstützen und nicht dazu, unser Denken auszuschalten. Die bloße Verfügbarkeit der Information löst kein Problem. Daher gilt zweitens, den Menschen hinter den Zahlen wieder in den Vordergrund zu stellen und mit qualitativ gleichwertigen Rahmenbedingungen zu fördern, die mit dem Ausbau von Netzen und Leitungen zuteil werden.
Für die Industrie und den Industrieservice bedeutet dies, Fach- und Führungskräfte mit dem Blick auf die eigenen Notwendigkeiten zu entwickeln und vorhandene Kräfte, auch aus dem Ausland, zu fördern. Des Weiteren müssen Investitionen in Bildung, Ausbildung und Forschung auf der Prioritätenliste gleichgesetzt werden mit der Digitalisierung in den Anlagen und Betrieben.
Für die Politik ist ein Umdenken in der Bildungspolitik essentiell. Die aktuelle Entwicklung im schulischen und akademischen Bereich untergräbt ein Asset der deutschen Ausbildung, um das uns andere Länder beneiden: das duale System. Der Wert der Bildung muss hervorgehoben werden und ihre Wertschätzung in der Wahrnehmung gefördert werden. Warum sollte man nicht auch für das Handwerk sichtbare Auszeichnungen, vergleichbar mit dem BA oder MBA in der akademischen Ausbildung, ausloben und damit Leistung hervorheben, die bisher vielerorts als zweitklassig bewertet wird.
Nötig sind weiterhin mehr Flexibilität im Arbeitsmarkt und weniger und vor allem einfachere Regelungen. Ein kluger Abbau der Bürokratie erspart den Unternehmen unnötigen Aufwand, Zeit und Kosten und sorgt für mehr Flexibilität und Agilität im globalen Wettbewerb.
Die Wirtschaft wird nur dann weiter wachsen, wenn langfristig und planbar ausreichend Facharbeiter verfügbar sind, die das Wachstum aktiv unterstützen. Die Dokumentation der Ausgangssituation liegt vor uns. Es gilt nun, die Störung zu beheben, Provisorien zu installieren und mittelfristig nachhaltige Lösungen zu generieren.
Für das Gelingen von Industrie 4.0 in Deutschland muss die Gesellschaft sehr schnell ihre Neugierde wieder finden, nicht vollständig abgesicherte Geschäftsmodelle akzeptieren, Disruption nicht für den Sündenfall halten und Volatilität als Chance begreifen.
Herzlichst Ihr
Reinhard Maaß
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