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WVIS-Kolumne Neues aus dem Industrieservice: Arbeitnehmer in Deutschland: Leitfigur oder Marionette?

15.08.2016 -

Die Bundesregierung überarbeitet seit geraumer Zeit das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) mit dem Ziel, die Flexibilität im Personaleinsatz bei den Unternehmen zu beschränken, die Arbeit der Betriebsräte im Entleihbetrieb zu erleichtern und die Leiharbeitnehmer in der Ausübung ihrer Tätigkeit zu beschneiden. Damit wird in einer Zeit, in der Fortschritt und Wandel als maßgebliche Aspekte der wirtschaftlichen Aktivität gelobt werden, darüber diskutiert, einen Rückschritt in die Arbeitnehmerkultur der ersten industriellen Revolution vorzunehmen.

Eine Festanstellung in Vollbeschäftigung bei einem Arbeitgeber, bestenfalls von der Lehre bis zur Rente, im Umfeld zum Wohnort, ist nicht mehr die Lebensrealität der meisten Arbeitnehmer. Insbesondere in der Industrie erhalten heute alle Menschen die Chance, gleichgültig ob qualifiziert oder weniger gut ausgebildet, mobil oder langzeitarbeitslos, im Arbeitsmarkt ihren Platz zu finden. Maßgeblich bei der Sicherung des Platzes ist die eigene Leistung, die bei der Arbeit erbracht wird, und nicht die zugewiesene Position, die einmal gewonnen, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Entwicklung, irgendwie behalten werden muss.

Das Angebot der Leiharbeit – wobei die Praktiker den Begriff Zeitarbeit bevorzugen - bietet vielen, die im ersten Schritt durch das Auswahlraster des Arbeitsmarktes gefallen sind, die Chance sich für den Wunschjob zu qualifizieren. Aus diesem besonderen Arbeitsverhältnis entstehen für alle Beteiligten Vorteile. Der Arbeitnehmer lernt Betrieb und Tätigkeit mit einem starken Partner im Rücken kennen und wird dort eingesetzt, wo Bedarf besteht. Kurzarbeit, Lohneinschränkungen oder gar Entlassungen sind für ihn ein Fremdwort. Das Entleihunternehmen kann sein Personal flexibel einsetzen und Spitzen ebenso wie Talsohlen in der Auftragslage wirtschaftlich effizient abfedern. Durch die bestehende Gesetzeslage sind Zeitarbeiter finanziell abgesichert und die Dienstleistungsunternehmen verdienen an den Aufschlägen, die von den Entleihunternehmen für diese Flexibilität gezahlt werden.

Die Bundesregierung versucht ein funktionierendes Konstrukt, das zum Nutzen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gewachsen ist, zu verändern. Unter dem Titel des Arbeitnehmerrechts wird überflüssigerweise das berühmte Haar in der Suppe gesucht. Doch Zeitarbeitnehmer sind keine Tagelöhner, sie passen sich den wandelnden Bedingungen im Arbeitsmarkt an. Unternehmen sind keine Ausbeuter, sie reagieren auf schnelllebige Marktveränderungen. Personaldienstleister sind keine Sklavenhalter, sie geben auch schlechter qualifizierten Menschen eine Chance. Wenn wir uns von dem traditionellen Bild des Arbeitsnehmers lösen und akzeptieren, dass nicht alle Chef sein können – und die wenigstens das trotz des in Aussicht stehenden „vielen Gelds“ überhaupt wollen, weil hier noch mehr Einsatz, Flexibilität, Verantwortung und Entscheidungskompetenz gefragt sind – müssen wir zugeben, dass Zeitarbeit das Arbeitsmodell der Zukunft ist.

Zeitarbeit sorgt für Gleichstellung der Arbeitnehmer in der Industrie gegenüber den Chefs, Freiberuflern und Angestellten aller Bereiche unserer Wirtschaft. Leistung und Flexibilität werden belohnt, Eigenverantwortung gefördert und Einsatzbereitschaft wird zur Währung, die Planungssicherheit mit sich bringt. Liest man die Statistik zur Zeitarbeit zudem richtig, zeigt sich deutlich, dass die Einsätze der Mitarbeiter im Entleihunternehmen häufig über den Überlassungshöchstgrenzen liegen und häufiger in Festanstellungen münden. Damit ist Gleichbehandlung die logische und gesetzlich gesicherte Folge effizienter Personaldisposition.

Flexibilität in der Beschäftigung mag familienunfreundlich erscheinen, aber ein Arbeitnehmer, der aus eigener Kraft seine Familie versorgt, ist sicher ein besseres Vorbild für seine Kinder, als sein staatlich still gesetztes Pendant, das den aus der Schule heimkehrenden Nachwuchs mittags vom Sofa aus begrüßt.

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