Wirksubstanzen und Fertigformulierungen
Interview mit Dr. René Imwinkelried, Leiter F&E von Siegfried
Die Schweizer Siegfried-Gruppe feiert in diesem Jahr ihr 140-jähriges Firmenjubiläum. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Zofingen, auf halbem Weg zwischen Basel und Luzern, vereint eine lange Tradition von Pharmazeutik und Chemie mit der innovativen Vorgehensweise eines „Integrated Supplier“. Siegfried bietet seinen Kunden heute maßgeschneiderte Lösungen in der Entwicklung und Produktion von pharmazeutischen Wirksubstanzen, Zwischenstufen und komplexen Verabreichungsformen. CHEManager sprach mit Dr. René Imwinkelried, der seit einem Jahr die Verantwortung für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Siegfried-Gruppe übernommen hat, über die Vorteile dieses integrierten Ansatzes. Die Fragen stellte Dr. Michael Reubold.
CHEManager: Sie haben vor Ihrem Wechsel zu Siegfried zunächst bei Lonza und anschließend bei Schering-Plough und Roche gearbeitet. Würden Sie Ihre früheren Aufgaben und Erfahrungen kurz zusammenfassen?
R. Imwinkelried: Ich war bei Lonza für die F&E-Aktivitäten im Custom Manufacturing zuständig und habe drei Jahre lang auch den Geschäftsbereich Lonza Biotec geleitet. Bei Schering-Plough in New Jersey hatte ich die globale Verantwortung für „Chemical and Physical Sciences“ inne. Wie die Bezeichnung sagt, war hier innerhalb der Prozessforschung und –entwicklung das Zusammenspiel von Drug Substance und Drug Product einer der Schwerpunkte. Hier wurde mir auch richtig bewusst, was für ein Potential in einer nahtlosen Integration von Chemie- und Formulierungsentwicklung liegt. Nach der Übernahme von Schering-Plough durch Merck hatte ich Gelegenheit, bei Roche die Globale Technische Entwicklung für Small Molecules zu leiten. Eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Chemie und Formulierung war auch dort eines der Schwerpunktthemen.
Durch Ihre früheren Anstellungen kennen Sie beide Welten: Die Pharmaindustrie selbst und die pharmazeutische Zulieferbranche, welche F&E- und Synthesedienstleistungen für Pharmaunternehmen erbringt. Wie passen die beiden Geschäftsmodelle zusammen, wie ergänzen sie sich?
R. Imwinkelried: Diese beiden Geschäftsmodelle passen sehr gut zusammen und ergänzen sich in der Tat. Es braucht hier unterschiedliche Kompetenzen. Für die Pharmafirmen ist eine starke, innovative Entwicklungspipeline überlebenswichtig. Wenn es der Pharmaindustrie gelingt, die Erfolgswahrscheinlichkeit der Pipelinekandidaten um z.B. 20% zu steigern und gleichzeitig die Entwicklungszeiten zu verkürzen, führt dies zu einer enormen Wertsteigerung. Wichtige Kompetenzen hierfür sind eine wissenschaftlich hervorragend aufgestellte Medikamentenforschung und eine effiziente klinische Entwicklung. Es hat sich über das letzte Jahrzehnt gezeigt, dass der Aufbau und die Kommerzialisierung einer vielversprechenden Pipeline durch gezielten Zukauf von Entwicklungsprodukten und Outsourcing von definierten Leistungen rascher und zielsicherer erreicht werden kann. Dies gilt auch für die Entwicklung und Industrialisierung von Herstellprozessen. Ich habe während meiner Zeit bei den beiden erwähnten Pharmafirmen wiederholt beobachtet, wie gut positionierte Zulieferer qualitativ hochstehende Dienstleistungen oftmals effizienter erbracht haben als unsere eigenen Ressourcen.
Immer noch herrschen in der Pharmabranche unterschiedliche Meinungen vor, wie viel der F&E- und Syntheseaufgaben man outsourcen soll. Wie beurteilen Sie das Outsourcing selbst und die weitere Entwicklung dieses Trends?
R. Imwinkelried: Ja, hier herrschen in der Tat unterschiedliche Meinungen und so wird es vermutlich auch bleiben. Unterschiedliche Meinungen sind ja grundsätzlich gut, wenn sie dann zu einer besseren Lösung des jeweiligen Problems führen. Gezieltes Outsourcing macht wirtschaftlich Sinn. Es gibt genügend erfolgreiche Beispiele auch außerhalb unserer Industrie. Pharmafirmen erzielen eine nachhaltige Wertsteigerung letztlich, wenn es ihnen gelingt, einen Zusatznutzen für die Patienten zu erbringen und sichtbar zu machen. Deshalb sind der Aufbau einer attraktiven klinischen Pipeline und deren anschließende Vermarktung entscheidend. Also fokussiere ich doch meine begrenzten Ressourcen auf diese Themenfelder und hole mir andere Kompetenzen gezielt über externe Anbieter an Bord. Dies ist unter anderem auch einer ausgewogeneren Risikoverteilung dienlich. Der Trend wird deshalb auch in der Prozessentwicklung und Produktion von Pharmazeutika anhalten, wenn auch nicht so schnell, wie in anderen Industrien. Unsere Industrie bewegt sich in einem hochregulierten Umfeld – zur Gewährleistung der Patientensicherheit. Der mögliche Skaleneffekt fällt deshalb geringer aus und Veränderungen brauchen allgemein mehr Zeit.
Wo können Pharmaunternehmen und Dienstleister Verbesserungspotentiale in ihrer Zusammenarbeit finden?
R. Imwinkelried: Die Zusammenarbeit hat sich über die letzten 20 Jahre sicher in die richtige Richtung verbessert. Wir arbeiten heute wesentlich enger und vor allem transparenter zusammen. Dies ist letztlich eine Frage der Risikoeinschätzung und des Vertrauens: Liefert mein Anbieter, was er verspricht? Sind die Compliance-Standards, die der Anbieter anwendet, auf dem neusten Stand? Und weitere Fragen mehr. Natürlich gibt es immer Verbesserungspotentiale. Manchmal erfolgt z.B. der Transfer von bestehendem Prozesswissen von den Kunden zu den CMOs nicht optimal, was zu Ineffizienzen und Zeitverzögerungen führen kann. Ich spreche hier vor allem den Transfer von sogenanntem „stillem Wissen“ an, also Wissen, welches nicht niedergeschrieben ist. Da helfen uns auch die modernsten Kommunikationstechnologien nicht weiter. Wir ermuntern unsere Kunden, so oft wie notwendig, Technologietransfers direkt bei uns vor Ort zu begleiten. Dies schafft direkte Kontakte zwischen den Fachspezialisten und stärkt auch das gegenseitige Vertrauen.
Siegfried ist sowohl als Hersteller von Fertigarzneimitteln wie auch als erfahrener Outsourcing-Partner für Wirkstoffe und Zwischenprodukte unterwegs. Warum fahren Sie zweigleisig? Welche Vorteile und welchen Mehrwert bietet diese Kombination den Kunden?
R. Imwinkelried: Unser Alleinstellungsmerkmal als Firma ist die Kompetenz in der Entwicklung und Herstellung von Wirkstoffen wie auch von festen und sterilen, flüssigen Endprodukten. Die Zusammenführung unserer Kompetenzen bei Wirkstoffen und Fertigformulierungen ermöglicht uns, die Prozessentwicklungsaktivitäten für Wirkstoffe gezielter auf das formulierte Endprodukt auszurichten. Wichtig für den Patienten ist schließlich, wie sich der Wirkstoff im formulierten Endprodukt verhält, sprich die Bioverfügbarkeit, welche maßgeblich durch die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Wirkstoffs beeinflusst wird. Unsere Experten aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen arbeiten eng zusammen und erweitern dadurch kontinuierlich ihr Wissen, was letztlich zu Mehrwert für den Kunden führt. Ein solches integriertes Technologieangebot vereinfacht unseren Kunden auch das Management der Entwicklungsprojekte, indem sie für ein Entwicklungs- oder Marktprodukt nicht mit zwei verschiedenen Lieferanten zusammenarbeiten müssen.
Wo sehen Sie Ihre Kernkompetenzen in diesen Bereichen und welche Dienstleistungen können Sie Ihren Kunden anbieten?
R. Imwinkelried: Auf den Gebieten Wirkstoffe und Fertigformulierungen haben wir großes Know-how in der Entwicklung und Kommerzialisierung von Prozessen sowie der kommerziellen Herstellung aufgebaut. Hier bieten wir eine breite Palette von Technologien an. In jüngster Zeit haben wir unter anderem in Anlagen zur Herstellung von hochpotenten Produkten investiert. Dabei sind auch unsere Fähigkeiten auf dem Gebiete der Handhabung von Feststoffen zu erwähnen. Diese Expertise wollen wir für unsere Kunden weiterentwickeln, so bauen wir zum Beispiel zurzeit sowohl unser Sprühtrocknungs- als auch unser Mikronisierungsangebot stark aus. Dies ganz im Sinne eines integrierten Angebots. Wir haben zusätzlich interne Programme mit dem Ziel laufen, die Löslichkeit von Wirkstoffen durch neuartige Formulierungstechnologien zu erhöhen.
Sie haben Ihr Portfolio zuletzt durch die Übernahme des kalifornischen Unternehmens AMP erweitert. Was sind Ihre weiteren Pläne?
R. Imwinkelried: Mit der Übernahme und der Integration der Alliance Medical Products AMP können wir unseren Kunden auch sterile Abfüllungen anbieten. Dies verbreitert unser Technologieangebot und unterstreicht unseren Willen, ein integrierter Partner zu sein. Wir prüfen laufend Möglichkeiten, um unsere Technologiepalette zu erweitern und zu erneuern. Im chinesischen Nantong bauen wir zurzeit eine eigene Wirkstoffherstellanlage mit 300 m3 Kapazität, in Zofingen werden ältere Chemieanlagen durch einen Neubau ersetzt. Die neuen Wirkstoffanlagen in Nantong und Zofingen werden gleich konfiguriert sein, was uns und unseren Kunden beim Technologietransfer enorm hilfreich sein wird. Dies alles im Einklang mit unserem Slogan „Expect More“.
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