Chemie & Life Sciences

Wearables werden zur Trendtechnologie

Silicone ermöglichen nicht nur im Sport Innovationssprünge bei intelligenten Textilien

14.07.2021 - Die Deutschen treiben in ihrer Freizeit gerne Sport – an dieser Erkenntnis hat sich auch in Zeiten von Corona nicht viel geändert. Rund zwölf Millionen Sportbegeisterte widmen sich mehrmals wöchentlich der eigenen Fitness: im Verein, im Fitnessstudio, unter freiem Himmel oder in den eigenen vier Wänden. Und egal, welchen Sport sie treiben: Silicone sind so gut wie immer dabei.

Siliconelastomere sind extrem elastische Materialien. Sie sind flexibel, reißfest, alterungs- und chemikalienbeständig und äußerst angenehm auf der Haut. Das zahlt sich in vielen Sportarten aus. Laufschuhe, Fahrradsattel oder Footballhelme werden mit stoßdämpfenden Siliconkissen ausgestattet. Hochwertige Taucherbrillen aus Silicon trotzen Salzwasser und UV-Licht und bieten dank hoher Transparenz ungetrübte Rundumsicht. 

Ballgefühl, Komfort und Schutz
Auch beim Fußball, zweifellos ein Lieblingssport der Deutschen, leisten Silicone nützliche Dienste: Schienbeinschoner mit Siliconbändern sitzen gut und verrutschen nicht. Mit Silicon beschichtete Kompressionstextilien reduzieren die Verletzungsgefahr und beschleunigen die Muskelregeneration. Sogar Fußballschuhe- und Torwarthandschuhe werden mit Silicon ausgestattet. Ballgefühl und Gripp werden dadurch noch besser. 

Auch wenn es um Sicherheit und Witterungsschutz geht, greifen Hersteller gerne zu dem Hightech-Material. Lawinenairbags, laut Deutschem Alpenverein das am meisten verkaufte Notfallprodukt bei hohem Risiko, werden mit Siliconkautschuk beschichtet, damit sich das rettende Luftkissen sicher entfaltet. Ausrüster und Zelthersteller imprägnieren Textilien mit Silicon und verkleben Nähte mit Silicongummi. So bleiben Zelt, Biwak und Regenjacke auch bei Dauerregen innen trocken. 

In der Wäscheindustrie haben sich Silicone schon seit längerem etabliert, bspw. bei Sport-BHs. Im Gegensatz zum Klassiker mit starrem Metallbügel bietet ein mit Silicon und Polyamid verstärkter bügelfreier Büstenhalter deutlich mehr Komfort. Die auf dem Träger aufgebrachte vertikale Siliconbeschichtung funktioniert wie ein Tragseil, welches das Gewicht der Brust hält. Am unteren Ende der Körbchen wird die Siliconbeschichtung häufig durch verstärkenden Kunststoff unterstützt. Dadurch passt sich der Sport-BH den Konturen deutlich besser an. Unangenehme Druckstellen können so gar nicht erst entstehen.

Smart Textiles
Ein weiterer Trend im Freizeit- und Leistungssport sind sog. Smart Textiles, also Textilien mit elektronischen Zusatzfunktionen. Sie messen bspw. den Puls oder geben elektronische Impulse für den Muskelaufbau. Aktuelles Beispiel ist der boomende Markt für EMS-Trainingsanzüge. EMS steht für Elektromyo- bzw. elektrische Muskel-Stimulation. Bei dieser Art des Trainings tragen die Sportler hautenge Anzüge mit Elektroden, die das Muskelwachstum anregen. 20 min Training pro Woche sollen für einen effektiven Muskelaufbau reichen, versprechen die Anbieter. 
Auch hier werden Silicone eingesetzt. Textilentwickler und -hersteller arbeiten derzeit an EMS-Anzügen, bei denen die Elektroden anders als bisher komplett mit elektrisch leitfähigen Spezialsiliconen beschichtet sind. Der Schweiß unter dem Silicongummi verbindet Elektrode und Haut so gut, dass die Elektroden nicht mehr wie bisher angefeuchtet werden müssen. Für die Kunden ist das deutlich angenehmer.

Training 4.0
Silicone sind für die Sportartikelindustrie noch in anderer Hinsicht interessant. Umgibt man eine hauchdünne Siliconfolie mit elektrisch leitenden Schichten, entsteht ein flexibler Wandler. Dieser verformt sich, wenn eine elektrische Ladung anliegt. Im entladenen Zustand nimmt er seine ursprüngliche Gestalt wieder an. Silicone gehören somit zu den dielektrisch-elektroaktiven Polymeren, und dieses genial einfache, weil nahezu verschleißfrei arbeitende Prinzip lässt sich auf unterschiedlichste Art und Weise nutzen – bspw. zur Messung von Verformungen oder Bewegungen. Sensoren, Aktuatoren, sogar Generatoren, die durch Bewegung Strom erzeugen, sind denkbar.

In Zukunft könnten Textilien also – dank unscheinbarer Sensoren aus Silicon – auch Körperbewegungen messen: Arm- und Beinbewegungen, Schrittfrequenz und andere Parameter des menschlichen Körpers, und auf diese Weise Auskunft über Bewegungsabläufe oder auch den individuellen Gesundheitszustand des Trägers bzw. eines Patienten geben. Werden solche Messungen an digitale Assistenzsysteme weitergegeben, lassen sich Trainingsfortschritte bei Leistungssportlern genauso dokumentieren wie Krankheitsverläufe bei Rehabilitationspatienten. Training 4.0 sozusagen.
Wearables entwickeln sich so zur Trendtechnologie schlechthin. Laut Analysten erzielte der Markt mit tragbaren Sensoren allein 2019 über 70 Mrd. USD. 2020 wurden rund 260 Mio. Wearables ausgeliefert, bis 2026 sollen es über eine dreiviertel Milliarde Einheiten sein. Wearables sind allgegenwärtig, und das nicht nur in technischen Anwendungen. Auch in verbrauchernahen Bereichen wie etwa in der Unterhaltungselektronik, im Gesundheits-, Sport- oder Wellnessbereich sind sie immer häufiger anzutreffen. 

Übrigens: Auch im Arbeitsschutz und im Militär weiß man solche Zusatzfunktionen zu nutzen. Zum Beispiel erkennen Unterhemden für Starkstromtechniker, wenn der Arbeiter stürzt, und schlagen Alarm. Bei Minenarbeitern in Chile regis­trieren Sensoren in der Kleidung, ob die Sauerstoffsättigung im Blut zu niedrig ist. Soldaten tragen integrierte Sensoren, die lebensgefährliche Verwundungen melden. Einen großen Zukunftsmarkt für smarte Textilien sehen Analysten bei alten und kranken Menschen. Mit Kleidung, die Vitalfunktionen überwacht, werden z.B. Senioren länger selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben können. Menschen mit spastischen Lähmungen können mit Elektrodenanzügen wieder ohne Hilfe gehen. Für Entwickler gibt es also viel zu tun. Dank Silicon ist so manche Lösung schon heute zum Greifen nahe.

Martin Bortenschlager, Direktor Engineering Silicones, EMEA & LATAM und
Renate Glowacki, Global Business Development Manager Silicone Film, Wacker Silicones, München

 

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