Wasserstoffeinspeicherung mit bestehenden Erdgasverdichtern
Pulsationstechnische Aspekte als Schlüsselelement für die Energiewende
Doch bei einem steigenden Anteil von Wasserstoff in Erdgasnetzen und GDRM (Gasdruckregel- und Messanlage)-Anlagen verändert sich durch die unterschiedlichen Schallgeschwindigkeiten das Pulsations- und Schwingungsverhalten in den Rohrleitungen. Die Umstellung einer bestehenden Erdgasanlage hinsichtlich eines zunehmenden Wasserstoffanteils sollte deshalb möglichst frühzeitig schwingungstechnisch analysiert werden. Hierzu bieten sich sogenannte Pulsationsstudien an, die bereits im Vorfeld mögliche Probleme aufdecken. Parallel kann eine kontinuierliche Überwachung der Anlage die schwingungstechnische Sicherheit signifikant erhöhen. Zur Speicherung und Verdichtung von Wasserstoff entwickelt sich damit eine neue Ära der Kolbenverdichter: Während Turboverdichter starken technischen Einschränkungen unterliegen, weisen Kolbenverdichter klare Vorteile auf.
Im Zuge der Umstellung auf nachhaltige Energieträger wird die Verwendung von Wasserstoff zunehmend als Lösung favorisiert. Wasserstoff ist das chemische Element mit der geringsten Atommasse. Unter Bedingungen, die normalerweise auf der Erde herrschen, kommt nicht der atomare Wasserstoff H vor, sondern der molekulare Wasserstoff H2 als geruchloses Gas. Mit der nationalen Wasserstoffstrategie bekennt sich die Bundesregierung zu einer vielfältigeren Anwendung von Wasserstoff [1]. Der Einsatz eröffnet ein hohes Potenzial zur Minderung von Treibhausgasemissionen und soll in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Das über 500.000 km lange Erdgasnetz und die existierenden Erdgasspeicher bieten hierbei günstige Transport- und gewaltige Speichermöglichkeiten [2]. Doch zur Umsetzung dieses Ansatzes müssen zuvor zahlreiche technische Fragen geklärt werden.
Verdichtung von Wasserstoff mit Turboverdichtern
Grundsätzlich wird im Bereich bestehender Erdgasverdichter zwischen Turbo- (Strömungsmaschinen) und Kolbenverdichtern (Verdrängermaschinen) unterschieden. Allerdings ist der Einsatz von Turboverdichtern für Wasserstoff aus strömungstechnischer Sicht nicht ohne weiteres möglich. Vergleicht man die Grundeigenschaften von Erdgas und Wasserstoff, fallen neben der unterschiedlichen Dichte insbesondere die Unterschiede bei den Schallgeschwindigkeiten auf.
Vergleich pulsationsrelevanter Stoffeigenschaften unter der Referenzbedingung: Temperatur 0 °C und 1 bar Druck (Quelle: KÖTTER Consulting)
Eine Verdichtung von Wasserstoff mit einem Turboverdichter ist nur dann möglich, wenn die Schallgeschwindigkeitsdreiecke am Laufrad-Ein- und -Austritt gleichbleiben (Mach’sche Ähnlichkeit). Für reinen Wasserstoff wäre demnach ein viermal größerer Durchsatz sowie eine viermal höhere Drehzahl (Umfangsgeschwindigkeit) erforderlich. Dieses ist für bestehende Turboverdichter-Anlagen kaum zu realisieren. Aus diesem Grund werden bei einer Druckerhöhung von Wasserstoff Kolbenverdichter favorisiert.
Verdichtung von Wasserstoff mit Kolbenverdichtern
Im Vergleich zu Turboverdichtern ermöglicht das Verdichtungsprinzip von Kolbenverdichtern eine vom Fördermedium näherungsweise unabhängige Einsatzmöglichkeit. Dennoch werden beim Umstieg auf ein anderes Fördermedium der Verdichter, die Pulsationsdämpfer sowie das Rohrleitungs- bzw. Speichersystem mit gänzlich anderen Stoffeigenschaften konfrontiert. Diese haben einen wesentlichen Einfluss auf das Pulsationsverhalten der gesamten Anlage und können dadurch das Schwingungsverhalten verändern. Es stellt sich die Frage, inwiefern ein Erdgasverdichter aus dynamischer Sicht für Wasserstoff genutzt werden kann.
Pulsationstechnische Aspekte an Kolbenverdichteranlagen
Der Kolbenverdichter kann aufgrund seiner oszillierenden Arbeitsweise in verschiedenen Betriebsbereichen bei nahezu beliebigen Druckverhältnissen eingesetzt werden. Er überzeugt dabei insbesondere durch seine Robustheit und den ausgezeichneten Wirkungsgrad. Nachteilig ist hingegen der hohe Instandhaltungsaufwand sowie die dynamischen Kräfte, die zu erhöhten Schwingungen führen können. Um Schwingungen bereits in der Planungsphase zu vermeiden, werden im Vorfeld Berechnungen in Form von Pulsationsstudien durchgeführt. Sie geben unter anderem Aufschluss über die Auslegung und Dimensionierung von Pulsationsdämpfern. Die Dämpfer werden möglichst nahe an die Zylinderflansche installiert und ermöglichen eine erste signifikante Reduktion der Druckpulsationen.
Einflüsse von Wasserstoff auf das Pulsationsverhalten von Kolbenverdichtern
Die Nutzung von Wasserstoff hat zahlreiche physikalische Einflüsse auf das Pulsationsverhalten von Kolbenverdichtern. Der Verdichtungsvorgang sowie das Ansaugen in und Ausschieben aus der Arbeitskammer lassen sich dem eigentlichen Arbeitsprinzip des Verdichters zuordnen. Die Veränderung der Akustik des Pulsationsdämpfers sowie der Einfluss auf die Rohrleitungsakustik beschreiben wiederum die resultierende Interaktion des Verdichters mit der Anlage.
Verdichtungsvorgang
Die wesentliche Änderung während der Verdichtung in der Arbeitskammer eines jeden Kompressors ist der deutlich steilere Druckanstieg in Abhängigkeit vom Kammervolumen. Dieser resultiert aus dem stoffspezifischen Isentropenexponenten. Aufgrund der sehr schnellen Verdichtung in der Arbeitskammer kann hier von einem isentropen Vorgang ausgegangen werden. Bei gleichem Kammervolumen zu Beginn der Verdichtung wird der End-Druck deutlich schneller erreicht. Der Zusammenhang kann formal über die Isentropenbeziehung betrachtet werden:
Anhand der Gleichung wird deutlich, dass bei größeren Isentropenexponenten und gleichem Druckverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt der End-Druck im Kammervolumen erreicht wird. Dieser Effekt tritt gleichermaßen auch bei der Expansion nach Beendigung des Ausschiebens auf. Der Umstieg auf Wasserstoff führt somit zu einem größeren Volumenstrom gegenüber dem Betrieb mit Erdgas. Dieser Effekt ist jedoch nebensächlich, wenn man die Relation der beiden Stoffdichten berücksichtigt, die sich je nach Zustand etwa um den Faktor 9 unterscheiden. Daraus resultiert ein deutlich niedrigerer Fördermassenstrom.
Ansaugen / Ausschieben
Die Änderungen während der eigentlichen Verdichtung in der Arbeitskammer haben auch Auswirkungen auf den Ansaug- und Ausschiebevorgang. In der Abbildung ist der druckseitige Ausschiebevorgang anhand der Strömungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit des Kurbelwinkels dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die Verdichterventile bei dem Betrieb mit Wasserstoff etwas früher öffnen, da der End-Druck eher erreicht wird. Auf der Saugseite gelten dieselben Zusammenhänge, wodurch sich die akustische Anregung durch den Ansaug- oder Ausschiebeprozess verändert. Diese wiederum beeinflussen einzelne höherharmonische Komponenten deutlich.
Dieser Effekt hat einen positiven Einfluss auf das Pulsationsniveau. Die deutlich niedrigere Schallimpedanz (Produkt aus Schallgeschwindigkeit und Dichte des Mediums) führt zu niedrigeren Druckschwankungen bei gleichbleibenden Geschwindigkeitsschwankungen. Während die induzierten Geschwindigkeitsschwankungen also aufgrund des ähnlichen Volumenstroms auf etwa gleichem Niveau bleiben, sind die induzierten Druckschwankungen hier niedriger.
Pulsationsdämpfer
Die Auslegung der Pulsationsdämpfer entscheidet maßgeblich über das schwingungstechnische Betriebsverhalten einer Kolbenverdichteranlage. Daher werden diese in der Regel individuell für den jeweiligen Prozess ausgelegt und gefertigt. Eine entscheidende Einflussgröße ist dabei die Schallgeschwindigkeit des Fördermediums. Daher ist es unabdingbar zu prüfen, welches Pulsationsverhalten sich beim Betrieb mit Wasserstoff einstellt.
In der Abildung ist exemplarisch die Dämpferwirkung für einen hochwertigen Pulsationsdämpfer in Zwei-Kammer-Bauweise mit dazwischen liegendem Choke-Tube dargestellt. Diese Bauform wird häufig für Erdgasverdichter gewählt. Wird derselbe Verdichter nun jedoch mit Wasserstoff betrieben, verschiebt sich die akustische Einfügungsdämpfung aufgrund der höheren Schallgeschwindigkeit. Infolgedessen wird die Ausstoßfrequenz nun deutlich weniger stark gedämpft, was unmittelbar zu mehr Schwingungen führt.
Rohrleitungsakustik
Die aus dem Pulsationsdämpfer austretenden Pulsationen treffen anschließend auf das Rohrleitungssystem, in dem sogenannte akustische Resonanzen auftreten können. Eine akustische Resonanz tritt immer dann ein, wenn die Länge eines akustischen Rohrleitungsabschnitts und die Anregungsfrequenz einer Erregerquelle unter Berücksichtigung der Schallgeschwindigkeit in einem konkreten Verhältnis zueinanderstehen. Ein geschlossener Rohrleitungsabzweig wird in diesem Kontext als akustisch geschlossen bezeichnet, während ein Rohrleitungsanschluss an einem Behälter einem akustisch offenen Ende entspricht.
In der Abbildung wird deutlich, dass in Rohrleitungsabschnitten üblicherweise eine Vielzahl von akustischen Resonanzen auftreten können. Der wesentliche Unterschied zwischen der Lage der Resonanzfrequenz bei Erdgas und Wasserstoff resultiert erneut aus den stark unterschiedlichen Schallgeschwindigkeiten. Zusätzlich zeigt sich, dass die bei der Planung von Bestandsanlagen zur Dämpfung akustischer Resonanzen installierten Drosselelemente (in der Regel einfache Blenden oder Pulsations-Dämpferplatten) einen deutlich niedrigeren Dämpfungseinfluss besitzen. Dadurch treten Resonanzeffekte beim Förderfluid Wasserstoff stärker hervor als bei dem Betrieb mit Erdgas.
Literatur
[1] Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung zu einer vielfältigeren Anwendung von Wasserstoff, https://www.bmu.de/download/nationale-wasserstoffstrategie/, 10.06.2021
[2] Bick, D. S. und Schmüker, A.: H²-Tauglichkeit des Ferngasnetzes der Open Grid Europe- Status, erforderliche Anpassungen und Fahrplan zur Umsetzung. Tagungsband zum 34. Oldenburger Rohrleitungsforum
Erstveröffentlichung in gwf Gas + Energie, 4/21
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