Vega Radarsensoren messen Füllstände in Petrochemie-Anlagen unter klimatischen Extrembedingungen
02.08.2018 -
350 individuell gefertigte Geführte Radarsensoren Vegaflex 81 und 86 messen demnächst Füllstände und Prozessdrücke in einer der weltweit größten Ethylenanlagen.
Pünktlich abholbereit türmten sich etwa 400 massive Transportkisten in einer Lagerhalle. „Die gesamte Lieferung lag platzoptimiert auf- und ineinander gestapelt. Sie sah aus, wie ein riesiges Tetris-Puzzle,“ so Sebastian Harbig, Key Account Manager bei Vega und für das Großprojekt verantwortlich, beeindruckt. Insgesamt 350 Radarsensoren, bestens geeignet für die extremen Bedingungen, die sie in Sibirien erwarten, messen kontinuierlich die prozessrelevanten Füllstände bei bis zu -50 °C.
Dabei gleicht kaum eines der 350 Geräte in seiner Ausführung einem anderen. Gerade im Petrochemie-Großanlagenbau gilt es, Kundenanforderungen auf den Punkt genau und vor allem individuell zu erfüllen. Bis ins kleinste Baudetail hinein. So wurden beinahe 300 der insgesamt 350 Vegaflex 81 und 86 als Komplettlösung – fertig konfektioniert, montiert und betriebsbereit – mit Bypass gefertigt. Etwa 30 weitere Sensoren kommen in einer Spezialausführung in Hochdruck-Dampfkesseln zum Einsatz.
Herausforderung Prozesskomplexität
Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen und, wie das Projekt bewies, auch ebensolche Messgeräte. Nur wenige Spezialfirmen stellen Technologien bereit, die für das Steamcracken von gasförmigen und flüssigen Kohlenwasserstoffen und zur Auftrennung von Cracking-Produkten in wichtige Rohstoffe für nachgeschaltete petrochemische Prozesse benötigt werden. Als einer der weltweit führenden Anbieter besitzt die Engineering Division der Linde Group das technische Know-how und die umfassende Expertise, um die Herausforderungen beim Bau dieser komplexen Anlagen zu bewältigen.
Linde Engineering baut bei seiner Füllstand- und Trennschichtmessung auf geführte Radarsensoren des Typs Vegaflex 81 und 86 – gefertigt in passgenauen Ausführungen. Überall dort, wo extreme Temperaturen und hoher Druck herrschen, sind Vegaflex 86 im Einsatz. Sie sind prädestiniert, wenn eine wartungsfreie, lange Lebensdauer zu den Grundvoraussetzungen zählt. In den Hochdruckkesseln, die nun in Sibirien errichtet werden, liefern die Vegaflex 86 dank automatischer Laufzeitkorrektur eine genaue Messung. Diese bleiben, selbst unter den dort herrschenden Sattdampfbedingungen, unbeeindruckt.
Vorgefertigt bis zur Endprüfung
In Ethylenanlagen erfordern die Prozesse eine jederzeit sichere Überwachung der Phasen in den beteiligten Flüssigkeiten. Vegaflex 81 ermitteln hier kontinuierlich die Trennung der Prozesssubstanzen in Produkt- und Trägerphasen mit konstanten, charakteristischen Werten. Um bei Fracht, Montage und Inbetriebnahme sowohl Kosten als auch Aufwand zu minimieren, wurden für das Sibirien-Projekt sämtliche Bypass-Ausführungen bereits vormontiert und voreingestellt gefertigt und auch endgeprüft. Alle Anlagenteile müssen exakt zueinander passen.
Robust ohne mechanische Bauteile
Geführte Radarsensoren sind widerstandsfähig und bestens für die Aufgaben in petrochemischen Anlagen geeignet. Hier messen sie während den kryogenen Verfahrensschritten selbst bei schwankenden Dichtewerten zuverlässig die exakten Füllstände der Olefine. Eine zweite Prozessabdichtung der Vegaflex-Sensoren, die sogenannte Second Line of Defense, gibt dabei zusätzlichen Schutz. Überzeugen konnten die geführten Radargeräte auch dank ihrer unkomplizierten Wartung. Da sie ohne mechanisch bewegliche Teile arbeiten, reduzieren sich zu erwartende Anlagenstillstände gegen Null.
Herausforderung Prozesstemperaturen
Das Herzstück einer Ethylenanlage sind riesige Spaltöfen, in denen Kohlenwasserstoff-Einsätze, wie Benzine und Gase, in von außen beheizten Rohren unter hohen Temperaturen thermisch gespalten – gecrackt – werden. Im oberen Teil des Spaltofens, der Konvektionszone, wird mit bis zu ca. +1.300 °C heißem Rauchgas der zu spaltende Einsatzstoff vorgewärmt sowie Dampf erzeugt.
Der eigentliche Cracking-Prozess findet in der Brennkammer des unteren Ofenteils statt. Hier befinden sich lange Rohre aus einer Speziallegierung, in denen das Einsatzgemisch mit Hilfe von großen, gasgefeuerten Brennern bis auf etwa +850 °C erhitzt und dabei thermisch gespalten wird. Um das Produktgemisch zu stabilisieren, wird die Temperatur extrem schnell von etwa +850 auf ca. +400 °C heruntergekühlt. Bei einer langsameren Abkühlung würden die gewonnenen Produkte durch weitere Reaktionen teilweise wieder verloren gehen.
Herausforderung Internationalisierung
Geht es im Anlagenbau um internationale Projektkompetenz, um kulturelle und um Sprachbarrieren, müssen mittelständische Unternehmen die gleiche Professionalität aufweisen, wie Global Player. Je größer und komplexer die Anlagen, desto wichtiger das Zusammenspiel innerhalb der internationalen Wertschöpfungskette. Schnell konnte Vega ein internationales Projektteam ins Leben rufen, das perfekt mit der Arbeitsweise der Linde Engineering Division harmonierte. Fest integriert in die Planung von Linde Engineering India, der außerhalb Deutschlands größten Engineering-Einheit des Unternehmens, war auch das Vega-Tochterunternehmen im indischen Pune. Grenzüberschreitend liefen mehrere weitere Projektschritte rund: für Präzision und Qualität der Bypässe für die Vegaflex 81 und 86 etwa zeichnete gewohnt verlässlich ein Schweizer Partnerunternehmen verantwortlich.
Herausforderung Umgebungsbedingungen
Zeit ist Geld – und zwar in direkter Relation zur Projektgröße. On-time-delivery war auch für die Ethylenanlage in Westsibirien die entscheidende Kenngröße. Sie gilt, ganz gleich, wohin, wieviel und unter welchen klimatischen Bedingungen geliefert wird. Bei der Fertigung der 350 Vegaflex-Sensoren galt es für Vega die extremen Herausforderungen fest im Blick zu behalten. Der Füllstand wird über diese Messgeräte geregelt, und dies muss bei extremen Prozessdrücken, wechselnden, sehr hohen Medientemperaturen und Umgebungstemperaturen von unter -50 °C zuverlässig funktionieren. Ein wichtiger Faktor sind dabei neben den speziellen Ausführungen auch optimal angepasste Einbaulösungen. Nicht zuletzt erfordern die Bedingungen vor Ort minutiöses Timing. In diesem Fall drängte jedoch weniger der Arbeitgeber, vielmehr die speziellen Rahmenbedingungen: Durchschnittlich 45 Tage ist das Gelände, auf dem die komplexe Anlage entsteht, für übergroße Schwertransporte über die Flüsse Tura und Tobol eisfrei zugänglich.