Untersuchungen zur Partikelabgabe von Reinraumzwischenbekleidung
Auf das Darunter kommt es an
Dass der Reinraumbekleidung als einzigem Filter zwischen Mensch und Produkten eine entscheidende Rolle bei der Kontaminationskontrolle im reinen Prozessumfeld zukommen sollte, wird in den meisten Fällen nicht verneint. Schwieriger wird es jedoch, Anwender und Betreiber davon zu überzeugen, dass die Reinraumbekleidung als System zu verstehen ist und nicht „nur“ als ein Overall oder als ein Kittel. Die fachgerechte Dekontamination, die Mitarbeiterschulung und damit auch -motivation, das Abstimmen mit den ergänzenden Bekleidungselementen wie Handschuhe oder Mundschutz seien hier an erster Stelle aufgeführt. Aber noch viel wichtiger ist die Frage: „Was tragen eigentlich die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter unter der Reinraumoberbekleidung?“
Hierzu gab es bereits aussagekräftige Studien und Veröffentlichungen aus den 1990er Jahren und aktualisiert 2002. Trotzdem ist in der Wahrnehmung der Reinraumbetreiber die reinraumtaugliche Zwischenbekleidung oftmals ein Randthema, das gerne (nicht zuletzt aus Kostengründen) bei Seite geschoben wird.
Eine Bachelorthesis an der Hochschule Sigmaringen in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Dastex hat sich diesem Thema nochmals fundiert angenommen und einen Schwerpunkt gerade auf Anwendungsgebiete mit geringeren Luftreinheitsklassen gelegt – typische Anwendungsfelder, bei welchen in vielen Fällen aus Betreibersicht ein Reinraumkittel als völlig ausreichend erachtet wird.
Um möglichst praxisnahe Bedingungen nutzen zu können, wurde für diese Untersuchungen die Body-Box des Unternehmens Dastex in Muggensturm genutzt. Ein definierter Reinraum, der es zulässt Partikelmengen zu bestimmen, die von der jeweiligen Testperson und der von ihr getragen Bekleidung stammen. Im Leerlauf, also volle Filterleistung ohne dass sich die Testperson in der Body-Box befindet, wird eine Luftreinheitsklasse ISO 4 (gem. ISO 14644-1) erreicht. Betritt nun eine Person diesen Reinraum, müssen alle danach detektierten Verunreinigungen von dieser Person und deren Bekleidung stammen. Eine vergleichende Messung zwischen unterschiedlichen Bekleidungssystemen ist möglich, unter der Voraussetzung, dass immer ein und dieselbe Testperson diese trägt. Jede Person gibt unterschiedlich große Mengen an Kontaminationen ab und somit ist es zwingend notwendig immer auf die gleich Testperson im Verlaufe einer solchen Studie zurückzugreifen. Hinzu kommt, dass eine ausreichend große Anzahl an Wiederholungen mit dem jeweiligen Test-Setup sichergestellt ist, da die Werte einer einzigen Person ebenfalls stark variieren können.
Neben den Thematiken Testperson, Bekleidungsarten und Anzahl an Wiederholungsmessungen ist die Body-Box an sich noch genauer zu betrachten. Die Testmethode ist zwar in einer amerikanischen Empfehlung rudimentär beschrieben (IEST-RP-CC-003.4), aber die Erfahrungen der letzten 15 Jahre mit dieser Messtechnik haben gezeigt, dass einige Details maßgeblich die ermittelten Messwerte beeinflussen können. Dies bezieht sich nicht nur auf Temperaturbedingungen oder Luftfeuchtigkeit in der Body-Box, sondern vielmehr auf die Luftgeschwindigkeiten /-wechselraten und die allgemeine Luftführung aus der Prüfkammer heraus hin zu den Messpunkten. Ein Fazit aus diesen eher allgemeinen Erkenntnissen ist die Aussage, dass man Ergebnisse zu gleichen Thematiken, die aber in unterschiedlichen Body-Box-Prüfkabinen erfasst wurden, höchstwahrscheinlich nicht miteinander vergleichen kann.
Ergebnisse Vergleichsstudie
Ziel der aktuellen Vergleichsstudie war es, die Bedeutung einer reinraumtauglichen Zwischenbekleidung, insbesondere bei der Nutzung von Reinraumkitteln messtechnisch zu belegen. Hierzu wurden folgende zwei Bekleidungsvarianten in der ersten Testphase mit einander verglichen: Variante 1 mit Baumwollbekleidung unter dem Kittel und Variante 2 mit reinraumtauglicher Zwischenbekleidung unter dem Kittel. Je Variante wurden zehn Messungen jeweils mit frischen, neu aufbereiteten Materialien durchgeführt. Die in den nachfolgenden Tabellen dargestellten Ergebnisse basieren auf Mittelwerten: Partikelanzahl pro Minute und Kubikmeter, abgegeben vom Probanden mit der jeweiligen Testbekleidung.
Die Partikelzahlen der Variante 2 bei welcher der Kittel mit reinraumtauglicher Zwischenbekleidung aus Kunstfasern kombiniert wurde, liegen deutlich unter den Partikelzahlen der Variante 1 mit der Baumwollbekleidung.
Partikel pro m³ und Minute bei den Kombinationen Reinraumkittel mit verschiedener Zwischenbekleidung.
Ohne allzu großen Aufwand ist somit eine Reduktion von mehr als 90 % durch den Einsatz einer entsprechend auf die Reinraumbedürfnisse ausgelegte Zwischenbekleidung realisierbar. Bei Umgebungsbedingungen, die typischerweise in Reinraumklassen ISO 7 – ISO 9, sowie in Produktionsbereichen der technischen Sauberkeit herrschen, sind dies bemerkenswerte Resultate. In der Regel ist die Luftführung (über die Filterdecken) in diesen Produktionsbereichen turbulent. Dazu kommen weitere Turbulenzen, verursacht durch die Bewegungen der Mitarbeiter. Die Gefahr steigt somit signifikant, dass Verunreinigungen, die zwar nach unten Richtung Boden aus den Kitteln herausfallen, durch besagte Turbulenzen ohne Schwierigkeiten wieder auf Produkthöhe befördert werden und somit das Produkt kontaminieren können.
Neben den positiven Ergebnissen bzgl. der Kontaminationsvermeidung kann die richtige Zwischenbekleidung zusätzlich den Tragekomfort des gesamten Bekleidungssystems deutlich verbessern. Typische Fasern, die die meisten bereits aus dem Bereich der Sportswear kennen, sorgen für eine angenehmes Trageempfinden, fördern die Atmungsaktivität und in manchen Fällen lassen sich auch unangenehme Gerüche durch eine antimikrobielle Funktionalität reduzieren. Diese antimikrobiell wirkendenden Zwischenbekleidungskomponenten sind folglich für den Einsatz in Life-Science-Bereichen ausdrücklich zu empfehlen, da sie bereits unter der Reinraumoberbekleidung das Wachstum überlebensfähiger Kontaminationen reduzieren.
Ein weiterer wichtiger Aspekt spricht dafür, grundsätzlich in allen kontrollierten Bereichen den Einsatz einer definierten reinraumtauglichen Zwischenbekleidung zu empfehlen: Die private Straßenbekleidung der Mitarbeiter ist aus Reinraumbetreibersicht nicht zu kontrollieren. Alle Arten von Kontaminationen aus dem privaten Haushalt, aus der Umwelt oder aus anderen Bereichen der eigenen Fertigung/Produktion können so in die reine Fertigung gelangen.
Ermutigt durch die eindeutigen Messergebnisse in Bezug auf die Kittel wurde die zweite Testphase gestartet. Der gewählte Versuchsaufbau bzw. -ablauf war ähnlich dem der ersten Phase. Diesmal ging es jedoch darum, den Einfluss der Zwischenbekleidung bei Reinraumoveralls zu überprüfen und zu dokumentieren, sowie einen möglichen Unterschied zwischen Reinraumkittel und Reinraumoverall messtechnisch herauszuarbeiten.
Die Unterschiede der Messergebnisse mit den Overalls anstelle der Kittel waren nicht ganz so dramatisch, aber am Ende trotzdem eindeutig. Die Variante 4 mit der reinraumtauglichen Zwischenbekleidung zeigte geringere Partikelzahlen als Variante 3 mit der Baumwoll-Zwischenbekleidung.
Partikel pro m³ und Minute bei den Kombinationen Reinraumoverall mit verschiedener Zwischenbekleidung
Fällt die reinraumtaugliche Zwischenbekleidung beim Stehen noch gar nicht allzu sehr ins Gewicht, so wird bei der gehenden Bewegung der Einfluss im Hinblick auf die Reduzierung von möglichen Kontaminationen ausgehend von der unter dem Overall getragenen Bekleidung umso eindeutiger. Eine Partikelreduktion bei der gehenden Bewegung von ca. 60 % konnte bei den kleineren Partikeln (≥ 0,5 µm) ebenso nachgewiesen werden, wie bei den etwas größeren Verunreinigungen (≥ 5,0 µm). Dass der Unterschied beim Stehen nicht ganz so signifikant ausfällt, ist der Vorteil der Filtrationseffizienz des Reinraumoveralls als Ganzes. Vergleicht man die Ausgangswerte der Varianten 1 und 3 (also jeweils mit der Baumwoll-Zwischenbekleidung), so ist Effizienz des Overalls klar zu erkennen.
Partikel pro m³ und Minute bei den Kombinationen Reinraumoverall und Kittel jeweils mit der Baumwoll-Zwischenbekleidung.
Was aber nicht minder interessant ist, ist die Aussage, dass die Variante 2 (Reinraumkittel mit reinraumtauglicher Zwischenbekleidung) mit der Variante 3 (Reinraumoverall mit Baumwoll-Zwischenbekleidung) vergleichbare Ergebnisse – zum Teil sogar bessere Werte aufzeigen. Wenn also die Mitarbeiter aufgrund von Akzeptanzkriterien einen Reinraumoverall in Umgebungsbedingungen von ISO 7 – ISO 9 ablehnen, so wäre ein Reinraumkittel mit einer reinraumgerechter Zwischenbekleidung aus Sicht der Kontaminationskontrolle eine akzeptable Alternative.
Partikel pro m³ und Minute bei den Kombinationen Reinraumoverall mit der Baumwoll-Zwischenbekleidung und Reinraumkittel mit reinraumtauglicher Zwischenbekleidung.
Fazit
Die Bachelorarbeit hat die Wichtigkeit und die Effizienz einer auf die Reinraumbedürfnisse angepassten Zwischenbekleidung eindeutig nachgewiesen und vorangegangene Studien in dieser Richtung erneut belegt. Insbesondere für Anwender in weniger kritischen Bereichen, wie denen in Teilen der „Technischen Sauberkeit“, in „staubarmen“ Umgebungsbedingungen sowie in Reinräumen der Luftreinheitsklassen ISO 7 – ISO 9 ist der Einsatz von tauglicher Zwischenbekleidung eine geeignete Maßnahme, die von den Mitarbeiter ausgehende Kontaminationen einfach und zugleich in erheblichen Umfang zu reduzieren. Trotz erschwerter Luftbedingungen durch die in diesen Prozessbereichen turbulenten Luftführung, können Risiken einer Kreuzkontamination (ausgehend von den Mitarbeitern) deutlich gesenkt werden.