Unternehmenssteuerreform behindert Risikokapitalgeber
Bessere Anreize für Investoren
Kleinere Pharma- und Biotechunternehmen können die gewaltigen Summen, die für die Entwicklung von Medikamenten nötig sind, kaum alleine stemmen. Sie benötigen Risikokapital, um gerade in der Aufbau- und Wachstumsphase gestärkt zu werden. Die Bereitstellung solchen Kapitals wird von der Bundesregierung verbal unterstützt, de facto aber durch die Unternehmenssteuerreform behindert.
Die Entwicklung von Arzneimitteln kostet Geld und Zeit - viel Geld und Zeit. Von der Identifikation eines Wirkstoffes bis zu seiner Zulassung als marktfähiges Medikament vergehen im Schnitt 10 Jahre, die Kosten werden mittlerweile durchschnittlich in der Größenordnung von 800 Mio. US-$ veranschlagt. Nicht eingerechnet sind die durchaus zahlreichen Fehlschläge beim Wettlauf über die immer höheren Hürden der Entwicklung und Zulassung neuer Medikamente.
Neben den großen Pharmaunternehmen zählen in den letzten Jahren zunehmend die sogenannten „Start-up" Unternehmen zu den Akteuren der Forschung und Entwicklung. Diese Unternehmen sind in der Regel Ausgründungen aus bestehenden Pharmaunternehmen oder aus Forschungseinrichtungen, welche sich auf der Basis einer Produktidee selbstständig gemacht haben.
Während die etablierten Pharmafirmen die Forschung und Entwicklung aus dem laufenden Umsatz finanzieren können, ist dies bei diesen jungen Unternehmen in der Regel nicht möglich. Vielmehr finanzieren sich diese Gesellschaften durch so genanntes Risikokapital, also Eigenkapital, welches von spezialisierten kapitalverwaltenden Unternehmen (Venture Capital Unternehmen) zur Verfügung gestellt wird.
Die typische Entwicklung des Kapitalbedarfs erfolgt in folgenden Phasen:
- Gründungs- und Start-up Finanzierung (0,5 - 3 Mio. €), häufig mit öffentlicher Förderung.
- Wachstumsfinanzierung (Privates Wagniskapital in der Größenordnung von 5 bis 40 Mio. € pro Finanzierungsrunde, manchmal mehrere Runden).
- Phase III der klinischen Prüfung und die eigene Zulassung (30 bis 50 Mio. €), in der Regel über einen Börsengang wegen des benötigten Finanzvolumens.
Über den Zeitraum der Produktentwicklung von bis zu über 10 Jahren schaffen die Unternehmen Vermögenswerte wie Patente, Know-how und Daten, die bei der späteren Vermarktung des Arzneimittels hohe Erträge abwerfen können. Dem steht aber ein hohes Entwicklungsrisiko gegenüber, da viele Projekte scheitern.
Die öffentliche Hand fördert durch direkte Zuschüsse die Gründungsphase oder einzelne Projekte, kann und soll aber private Investitionen nicht ersetzen. Eine nachhaltige Wachstumsfinanzierung ist ohne privates Risikokapital nicht möglich. Daher hat die Bereitstellung von Risikokapital für die deutsche Innovationskraft und die rasche Umsetzung neuer naturwissenschaftlicher Ideen in verwertbare Produkte einen herausragenden Stellenwert.
Dies hat auch die Bundesregierung erkannt und die Förderung von Risikokapital als Ziel im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Leider folgten den Worten bislang keine überzeugenden politischen Taten. So wurde das Umfeld für Risikokapital jüngst durch die Unternehmenssteuerreform 2008 drastisch verschlechtert: Künftig gefährdet die Durchführung von Finanzierungsrunden, also die Einwerbung neuen Eigenkapitals die steuerlichen Verlustvorträge. Erfolgreiche Unternehmen werden in der wichtigen Aufbau- und Wachstumsphase sofort durch Steuerzahlungen finanziell geschwächt. De facto werden diese Unternehmen in der verlustreichen Risikophase allein gelassen, aber vom Staat zur Kasse gebeten, sobald sie Gewinne erzielen, obwohl sie zunächst die Vorlaufverluste ausgleichen müssten.
Zwar sollen diese dramatischen Folgen der Unternehmenssteuerreform durch das so genannte Private-Equity-Gesetz (Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen) teilweise aufgefangen werden, allerdings gebunden an enge formale Voraussetzungen. So ist der Erhalt von Verlustvorträgen bereits ausgeschlossen, wenn eine Gesellschaft aufgrund vorangegangener Kapitalerhöhungen mehr als 20 Mio. € Eigenkapital hat, börsennotiert ist oder nicht genug stille Reserven nachweisen kann. Dies ist nicht sachgerecht und behindert Finanzierungen gerade in der letzten Phase der Entwicklung, nämlich der klinischen Phase III, der Zulassung sowie beim Markteintritt. Besser wäre die Anknüpfung am Innovationsgrad des Unternehmens, den man z.B. über den Anteil der Forschungs- und Entwicklungskosten an den Gesamtkosten erfassen kann.
Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Einführung der Abgeltungssteuer Investitionen in innovative Unternehmen unattraktiver werden. Private Investoren dieser Unternehmen profitieren nämlich überwiegend durch Wertsteigerungen der Anteile, die in der Vergangenheit bei unwesentlichen Beteiligungen steuerfrei waren. Durch die Abschlagssteuer beteiligt sich der Fiskus an jedem Gewinn, aber nur eingeschränkt an Verlusten.
Zusammenfassend wird die Politik der Bundesregierung dem eigenen Anspruch, die steuerlichen Rahmenbedingungen für Risikokapital zu verbessern nicht gerecht. Sieht man die Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform und des Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen im Zusammenhang, so haben sich die Rahmenbedingungen im Gegenteil verschlechtert.
Sinnvoll wäre eine gezielte z.B. steuerliche Förderung der privaten Finanzierung von Forschung, wie es auch in vielen anderen europäischen Ländern der Fall ist. So erhalten beispielsweise in Großbritannien und Frankreich Investoren in kleine forschungsintensive Firmen, die noch keinen Profit machen, steuerliche Anreize. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die private Eigenkapitalversorgung von kleinen, innovativen Gesellschaften zu unterstützen. Der politische Wille hierfür ist zwar erklärt, aber in den aktuellen Gesetzesvorhaben nicht erkennbar.