Strategie & Management

Umweltrisiken in M&A-Transaktionen

Mit einer Umweltpolice können Käufer und Verkäufer Risiken aus Altlasten abdecken

14.05.2019 -

Umweltrisiken stellen bei M&A-Transaktionen in der Chemiebranche eine erhebliche Herausforderung dar. Nicht selten scheitern Verhandlungen an der Allokation solcher Risiken, insbesondere aus Altlasten. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Zum einen sind bestehende Altlasten oft nicht bekannt oder nicht ausreichend untersucht; sie stammen oft aus der Zeit der Rechtsvorgänger. Zum anderen ist eine genaue Untersuchung wegen behördlicher Genehmigungs-, Anzeige- und Beseitigungspflichten oft nicht opportun. Ein weiterer Grund ist die Ungewissheit, ob und gegen wen die Behörden im Rahmen ihres Auswahlermessens vorgehen würden (Verursacher, Eigentümer, ehemalige(r) Eigentümer, Nutzer). Weiterhin sind die Kosten einer Untersuchung und Beseitigung im Voraus schwer zu schätzen. Ein letzter Grund ist mit Sicherheit auch die Höhe des wirtschaftlichen Risikos durch Untersuchung, Sanierung, Betriebsunterbrechung, Personen- und Umweltschäden, Haftung gegenüber Dritten, Beraterkosten usw.

Typische Verhandlungslösungen
Gängige Verhandlungslösungen reichen – je nach relativer Macht der Parteien – von einer vollständigen Allokation des Risikos zum Käufer über einen Preisabschlag bis hin zu einer Garantie oder Freistellung durch den Verkäufer, deren Umfang, Laufzeit und Betrag mehr oder weniger beschränkt sein können. Das Risiko einer Insolvenz des Verpflichteten ist im Einzelfall durch eine Bankgarantie oder ein Treuhandkonto abgesichert.
Der Verkäufer sollte zudem auf gesetzliche Haftungsrisiken achten. Eine gesetzliche Haftung gegenüber dem Käufer wegen einer Aufklärungspflichtverletzung kann bereits dann ausgelöst werden, wenn zwar das Deal Team keine Kenntnis von der Altlastensituation hat, das Wissen darüber jedoch in der Organisation oder in den Büchern des Verkäufers vorhanden ist.

Klassische W&I-Versicherung
Eine Warranty-&-Indemnity-Versicherung (W&I-Police) kommt inzwischen nicht nur in PE-Deals, sondern zunehmend auch in Transaktionen mit strategischen Investoren regelmäßig zum Einsatz. In Bezug auf die Umwelt ist eine W&I-Police jedoch auf Einhaltung der Umweltgesetze und die Umweltgenehmigungen beschränkt und deckt somit Risiken aus Altlasten grundsätzlich nicht.
Im Einzelfall kann eine Verkäufergarantie versichert werden, dass keine Altlasten (außer den offen gelegten) vorliegen. Voraussetzung ist ein sog. „Phase 1“-Environmental-Due-Diligence-Report ohne negative Feststellungen. In der Regel wird eine solche Verkäufergarantie aber nur „nach Kenntnis des Verkäufers“ versichert. Somit sind weder dem Käufer bekannte noch solche Altlasten versicherbar, die keiner Partei bekannt sind.

Spezielle Umweltpolice
Eine spezielle Umweltpolice, wie sie zunehmend im Markt angeboten wird, kann dagegen unbekannte und teilweise auch bekannte Risiken aus Altlasten abdecken. Sie ist unabhängig von der Allokation der Umweltrisiken im Unternehmenskaufvertrag und in der Regel wie folgt strukturiert:

  • Versicherungsnehmer ist das Zielunternehmen (bei Asset Deals der Käufer).
  • Versicherbar sind unbekannte und teilweise auch bekannte Altlasten; bei bekannten Altlasten hängt die Versicherbarkeit vom Ausmaß und Natur der Verunreinigung sowie davon ab, ob bereits konkrete Ansprüche erhoben wurden.
  • Versichert sind Kosten und Schäden des Zielunternehmens, einschließlich Untersuchungs- und Beseitigungskosten, Umweltschäden, Schäden Dritter (einschließlich Personenschäden), für die das Zielunternehmen haftet, sowie Beraterkosten; die Deckung kann zusätzlich auf eigene Betriebsunterbrechung sowie auf Bußgelder und Strafzahlungen des Zielunternehmens erstreckt werden.
  • Nicht gedeckt ist dagegen der finanzielle Schaden des Käufers, insbesondere Schäden aufgrund einer Nachberechnung des Kaufpreises.
  • Die Laufzeit der Police beträgt in der Regel 10 Jahre ab Vollzug der Transaktion.
  • Die Police kann optional auf neue – erst nach Vollzug der Transaktion verursachte – Umweltverschmutzung erweitert werden.

Wird das Umweltrisiko durch freiwillige Untersuchungen, Betriebserweiterungen oder unterirdische Baumaßnahmen entdeckt, greift die Deckung nicht. Dies entspricht typischen Nutzungsbeschränkungen für den Käufer im Unternehmenskaufvertrag (sog. Covenants). Gleiches gilt für eine Betriebsstilllegung.
Voraussetzung für die Versicherbarkeit ist in der Regel ein „Phase 1“-Environmental-Due-Diligence-­Bericht. Ein „Phase 2“-Bericht ist erforderlich bei signifikanter industrieller Nutzungshistorie. Die Höhe der Prämie variiert stark je nach Höhe der Deckungssumme und des Selbstbehalts, Risikoprofil und Qualität der Informationen. Sie beträgt regelmäßig 0,5 % – 3 % der Deckungssumme. Der Selbstbehalt beträgt regelmäßig 0,5 % – 2,5 % der Deckungssumme.
Der Umfang der erforderlichen Untersuchungen und die finanziellen Parameter können durch Beratung und Verhandlung mit den Versicherern deutlich optimiert werden.

Fazit
Verkäufer in M&A-Transaktionen sind nicht oder nur beschränkt bereit, Garantien oder Freistellungen für Umweltrisiken abzugeben. Ein Kaufpreisabzug kann für beide Seiten nicht adäquat ausfallen oder nicht akzeptabel sein. Als Lösung kann sich eine Umweltpolice anbieten, die Risiken aus Altlasten rechtlich und finanziell ganz oder zum Teil absichert. Sie kann isoliert oder zusätzlich zu einer klassischen Warranty-&-Indemnity-Police abgeschlossen werden.
Wegen der stark einzelfallbezogenen Umstände (Risikoprofil, Informationsbasis) kommt den individuellen Verhandlungen mit den Versicherern und einer sorgfältigen Verzahnung der Police mit den Regelungen im Kaufvertrag eine besonders wichtige Rolle zu.