Anlagenbau & Prozesstechnik

Thermoplastische Werkstoffe in der Wasserstoffproduktion

Erhöhte Lebensdauer und größerer Wirkungsgrad von Elektrolyseuren durch chemisch beständige Kunststoffrohre mit geringem Leach-Out

29.11.2024 - Insbesondere aufgrund ihrer chemischen Beständigkeit, einem äußerst geringen Leach-Out und ihrer Flexibilität qualifizieren sich Kunststoffrohrleitungssysteme deutlich vor Metallwerkstoffen für Anwendungen mit Reinstwasser, und speziell für Elektrolyseure. Sie minimieren das Risiko von Kontaminationen und bieten eine kosteneffiziente Lösung für die Herausforderungen der Wasserstoffproduktion. Gleichzeitig sind Studien und Materialtests sinnvoll, um ihre Langzeitstabilität und Eignung unter extremen Betriebsbedingungen zu gewährleisten.

Für die Energieversorgung der Zukunft wird das H2-Molekül eine tragende Rolle spielen, denn grüner Wasserstoff kann ganze Indus­triezweige dekarbonisieren. Das spiegeln auch die Wachstumsprognosen der Wasserstoffwirtschaft wider: Schätzungen zufolge wird der Markt für grünen Wasserstoff bis 2050 auf 600 Mio. t und 1,4 Bill. USD Umsatz wachsen, mit einem Einsparpotenzial von bis zu 85 Gigatonnen CO2[1].
Während der Produktionsphase werden Medien wie Reinstwasser, Gas-Wassergemische und chemische Substanzen in Rohrleitungen zum Elektrolyseur transportiert, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Elektrolyse haben. Ein ausschlaggebendes Kriterium ist dabei die korrekte Materialauswahl, wie die jahrzehntelange Erfahrung aus fordernden Bereichen wie der Halbeleiterfertigung oder der chemischen Prozessindustrie verdeutlicht.

Reinstwasser als Kernstück der H2-Produktion

Um konstant Wasserstoff in einer Elektrolysezelle herzustellen, benötigt es Zusatzwasser in Form von Reinstwasser. Die Anforderungen an dieses Zusatzwasser werden vom Hersteller der Anlage gemäß der Norm ISO 22734 für industrielle Elektrolyseure vorgegeben. Hier ergibt sich jedoch eine Herausforderung: Nachdem die Wasseraufbereitung die erforderliche Qualität sichergestellt hat, darf das Reinstwasser auf dem Weg zum Elektrolysestack nicht wieder verunreinigt werden. Denn Degradierungsprozesse durch verunreinigtes Wasser können zu erhöhtem Energiebedarf, hohen Wartungskosten und wartungsbedingten Ausfallzeiten führen. Kritisch sind zum einen gelöste Metallionen, die in die Elektrolysezelle gelangen und dort die Leistung der Elektroden beeinträchtigen, und zum anderen der Austrag von organischen Kontaminanten (Total Organic Carbon, TOC), die Membranen durch Reaktionen mit Nebenprodukten bei der H2-Produktion beschädigen können.

Die nächste Herausforderung entsteht durch die zu transportierenden Fluide: Manche Elektrolyseure erfordern neben Reinstwasser auch hochkorrosive Medien, welche die Lebensdauer von Werkstoffen beeinträchtigen und somit Rohrleitungssysteme stark beanspruchen. Hinzu kommt, dass den Kreisläufen von Elektrolyseuren mit Flüssigelektrolyten immer wieder Reinstwasser zugeführt und Kreislaufwasser entnommen werden muss, um Verunreinigungen zu entfernen.

 

Kunststoffe überzeugen durch ihre chemische Beständigkeit

Wo können Rohrleitungssysteme aus Kunststoff nun ihre Vorteile ausspielen? Grundsätzlich kommen Kunststoffrohrleitungssysteme für Anwendungen in der PEM, AEM und in der Niederdruck-AEL-Elektrolyse in Frage. Dabei vereinen sie einige wichtige Eigenschaften: Auf der einen Seite sind sie chemikalien- und korrosionsbeständig, was die Lebensdauer verlängert und den Wartungsaufwand minimiert. Auf der anderen Seite ermöglichen Kunststoffe flexible Verbindungstechnologien wie das Infrarotschweißen, welches aufgrund der kleinen Schweißnähte Vorteile bietet. In Kombination mit ihrem geringen Gewicht sind sie auch einfacher und schneller zu installieren und stellen im Vergleich zu Metall häufig eine wirtschaftlichere Alternative dar. Zudem haben sich Kunststoffrohrleitungssysteme in den unterschiedlichsten Industrien bewiesen. Langjährige positive Erfahrungen gibt es z.B. in der Halbleiterproduktion, wo der Transport von Reinstwasser und eine hohe chemische Beständigkeit von zentraler Bedeutung ist.

Diese ist mit Blick auf die Wasserstoffproduktion besonders wichtig in der alkalischen Elektrolyse, bei der sich das Elektrolyt in Form von Kalilauge mit ca. 25 bis 30 % bei ca. 80 °C in einem Kreislauf befindet, der die Elektroden überströmt und dabei gasförmigen Sauerstoff und Wasserstoff produziert. Kalilauge kann bei hohen Temperaturen viele Materialien chemisch stark angreifen. Die Spezifikationen für diese Anwendungen sind äußerst anspruchsvoll, da hohe Temperaturen und die chemische Aggressivität der Kalilauge sowohl Kunststoffe als auch Stahlwerkstoffe stark angreifen. In niedrigen Druckbereichen gibt es jedoch auch hier bestimmte thermoplastische Fluorkunststoffe, die eingesetzt werden können. Aktuell werden weitere Kunststoffe in der AEL-Elektrolyse untersucht.

Bei der PEM und AEM-Elektrolyse sind hingegen thermoplastische Fluorkunststoffe oder Polyolefine aufgrund ihrer Materialeigenschaften vielseitig einsetzbar. Je nach Elektrolyseurtyp können aber auch verschiedene Kreisläufe ausgelegt sein, bei denen spezielle Anforderungen gelten. Beispielsweise wird bei der PEM-Elektrolyse aus dem sauerstoffhaltigen Gas/Wasser-Gemisch im Kondensat-Loop zunächst der übersättigte Sauerstoffanteil getrennt und verworfen oder weiter genutzt, danach wird das noch heiße Kondensat wieder mit dem Zusatzwasser dem Stack zugeführt. Gerade in dem Bereich, in dem das Kondensat noch mit Sauerstoff übersättigt ist, entsteht ein stark korrosives Fluid, das nicht nur Metalle, sondern auch bestimmte Kunststoffe angreifen kann. Auch für diesen Einsatzzweck gibt es in Abhängigkeit vom Druck Lösungen aus Kunststoff.  

Im Bezug auf die chemische Beständigkeit lässt sich folgern: Kunststoffe haben sich in anderen Industrien als besonders chemikalienbeständige Alternative zu Metallrohren bewiesen, von der auch die H2-Produktion profitieren kann. Aufgrund der unterschiedlichen Funktionsprinzipien und Auslegungen bei den Elektrolyseurtypen müssen bei der Wahl von Kunststoffen immer die Kernfaktoren Fluid, Temperatur und Druck berücksichtigt werden, um eine maximale Lebensdauer und Prozesssicherheit zu gewährleisten.

Geringes Leach-Out für eine effizientere Produktion

Das vielleicht wichtigste Argument für Kunststoff in Wasserstoffanwendungen mit Reinstwasser ist der geringe Leach-Out der Materialien. Zwar geben die Hersteller von Elektrolyseuren derzeit keine einheitlichen Grenzwerte vor, jedoch bewegen sie sich für TOC und Metallionen jeweils im unteren ppb-Bereich. In diesem Zusammenhang überzeugt ein Werkstoff wie Polypropylen Homopolymer (PP-H) nicht nur mit Korrosionsbeständigkeit und Wirtschaftlichkeit, sondern auch mit sehr guten Leach-Out-Werten, die im Vergleich zu Edelstahl deutlich niedriger  sind. Welche Folgen ein höherer Leach-Out haben kann, zeigt ein Blick in die Wissenschaft. In einem 2023 veröffentlichten Paper der Royal Society of Chemistry kommen die Autoren zu dem Schluss: „Metallische Verunreinigungen, wie Eisen, Nickel und Kupfer, können durch Korrosion in das Elektrolysewasser gelangen und zu erheblichen Leistungseinbußen führen“[2].
Ein Beispiel aus der Praxis sind Kondensatleitungen, die traditionell häufig aus Edelstahl gefertigt und durch den hohen Sauerstoffgehalt stark von Korrosion gefährdet sind. Bei Temperaturen von über 60 °C in Verbindung mit Reinstwasser und Edelstahlrohren können sich kleinste Eisenoxid-Partikel auf die Wandungen legen. Dieses als „Rouging“ bezeichnete Phänomen ist aus der Pharmaindustrie bekannt und kann zu kurzen und kostenintensiven Reinigungsintervallen führen. Bei Elektrolyseuren kann es außerdem dazu führen, dass die Standzeit der Harze in der Polisher-Wasser­aufbereitung drastisch verkürzt wird und somit die Betriebskosten stark zunehmen.

Im Vergleich zu Metallrohren können Kunststoffrohrleitungssysteme hingegen die Kontamination mit metallischem und organischem Austrag deutlich verringern. Dies führt nicht nur zu einer längeren Lebensdauer, sondern auch zu einem höheren Wirkungsgrad, da weniger Strom für dieselbe Menge an Wasserstoff aufgebracht werden muss. Somit ist der Einsatz von Kunststoffen in Elektrolyseuren wirtschaftlicher und energieeffizienter – zwei zentrale Faktoren für die Skalierung der grünen Wasserstoffproduktion.

Quellen
[1] Green Hydrogen Studie von Deloitte, 2023
[2] Becker et al, Impact of Impurities,Sustainable & Energy Fuels, 2023,7,1565

 

Autor: Cyrus Ardjomandi, Business Development Manager, GF Piping Systems

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