Supply-Chain-Resilienz erhöhen
21.04.2020 -
Der Corona-Ausbruch hat sich ohne Zweifel zur größten Belastungsprobe für die globalen Supply Chains seit dem Ende des 2. Weltkrieges entwickelt. Es ist zu erwarten, dass, selbst bei Ausbleiben größerer konjunktureller Verwerfungen, die Auswirkungen der massiven Nachfrageschwankungen und weltweiten Lieferkettenstörungen bis mindestens Ende 2020 zu spüren sein werden.
In der aktuellen Lage gilt alle Priorität dem bestmöglichen Schutz der Mitarbeiter und dem Aufrechterhalten der Liefer- und Produktionsketten. In Politik und Wirtschaft stellt sich die Frage, ob man besser auf diese Krise hätte vorbereitet sein können. Dies wird sicherlich Leitfrage einer Debatte sein, die das Supply-Chain-Management in Zukunft prägen wird. Die Rufe nach Produktionsrückverlagerungen in der Pharmaindustrie sind hierfür ein erstes Beispiel.
Als akademischer Beobachter möchte ich einen Ausblick geben, welche Aspekte in dieser Debatte relevant sein sollten. Ein wichtiges Statement vorneweg: Die Abkehr vom internationalen Handel hin zu nationalen Protektionismus kann nicht die Lösung sein – dies würde weltweit Wohlstand vernichten und keineswegs mehr Sicherheit bringen. Über die Industriegrenzen hinweg wird aber das Thema Supply-Chain-Resilienz, also die Absicherung von Lieferketten gegenüber sogenannten „High-Impact-, Low-Probability- Störungen“ viel intensiver als bisher diskutiert werden (müssen).
Hierbei gilt es auch den Trade-off zwischen (Kosten-)Effizienz und Resilienz von Lieferketten neu zu bewerten. Beispielsweise ist die Ausrichtung auf einen Lieferanten unter stabilen Bedingungen durchaus effizient, lässt die Lieferketten aber anfälliger für anormale Bedingungen werden. Erst Multi-Sourcing über mehrere Regionen hinweg sorgt für höhere Robustheit.
Neben dem Einbezug von risikomindernden Supply-Chain-Strategien wie Multi-Sourcing, Diversifikation von Standorten und Kapazitätsflexibilität ist die Wahl der richtigen Planungswerkzeuge von großer Bedeutung. Die in Unternehmen vorrangig eingesetzte deterministische, d. h. auf ein Szenario ausgerichtete Planungslogik, ist kaum in der Lage, Unsicherheit in der Unternehmensumwelt adäquat abzubilden. Prescriptive Analytics wie stochastische oder robuste Optimierungsansätze werden von Industrievorreitern bereits erfolgreich eingesetzt und können helfen, Supply-Chain-Resilienz erfolgreich umzusetzen.