Spezielle Lkw-Navigation für größere Sicherheit
Expertenrunde diskutiert die Möglichkeiten und Chancen der Lkw-Navigation
Navigationssysteme sollten deshalb auch spezifische Lkw-Eigenschaften und -Anforderungen bei der Routenplanung berücksichtigen, um Transporte sicherer zu machen. Updates der Daten müssen (tages-)aktuell zur Verfügung stehen. Zur Thematik hatte die Technische Hochschule Köln eine Studie durchgeführt, deren Hintergründe und Ergebnisse in einer Expertenrunde auf Einladung von CHEManager diskutiert wurden.
An der Diskussion nahmen teil der Sprecher des VCI NRW Aktionsbündnisses Verkehrsinfrastruktur Gerd Deimel; Thomas Krupp, Professor für Transport- und Verkehrslogistik/TH Köln; Martin van Nooy, Leiter Chempark-Standortlogistik/Currenta; Marcus Hover, Sprecher und stv. Hauptgeschäftsführer/Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW und Volker Hassenpflug, Leiter Digitalisierung Mobilität/VRS. Die Gesprächsleitung hatte Sonja Andres, CHEManager.
CHEManager: Was war der Anlass, eine spezielle Lkw-Navigation zu entwickeln und weshalb hat sich der VCI eingebracht?
Gerd Deimel: Sicherheit ist das oberste Gebot bei allen chemischen Aktivitäten. Man erwartet von uns in der chemischen Industrie, dass wir mit allen Materialien sicher umgehen, bei der Synthese, bei der Herstellung. Es ist aber ebenso wichtig, dass wir sichere Transporte haben, denn hier bewegen wir uns nicht mehr im geschützten Umfeld des Chemieparks, sondern im öffentlichen Raum. Für diese Sicherheit müssen wir gemeinsam mit den Dienstleistern Sorge tragen.
Kaum eine Außendarstellung ist deutlicher als die Transporte, die durch unsere Transportdienstleister übernommen werden. Wenn diese vernünftig und sicher laufen, ist das ein wesentlicher Beitrag zu einem positiven Image der Chemie.
Wir hatten dies aus der VCI-Initiative Infrastruktur ins Leben gerufen und in den VCI NRW hineingetragen. Wir wollen nach außen treten, wir wollen verändern mit guten Projekten wie der Lkw-Navigation oder anders gesagt, dem Thema Vorrangrouten.
Volker Hassenpflug: Das Projekt ist jedoch nicht dazu gedacht, Lkw-Navigation als Dienst anzubieten. Wir haben die vornehme Aufgabe, einen Lückenschluss im Datennetz herzustellen. Dazu sammeln und digitalisieren wir Lkw-relevante Daten.
Seit 2018 pflegen Kommunen und Behörden aktuelle Daten, wie Straßensperrungen, Umleitungen, et cetera, in das System ein. Wie hat sich deren Engagement entwickelt und mit welchen faktischen Ergebnissen?
V. Hassenpflug: Wir sammeln statische Daten. In erster Linie sind das Restriktionen, Routen an denen Lkw nicht entlangfahren können. Unser Team, arbeitet hier mit den Straßenverkehrsbehörden zusammen. 305 Kommunen und Kreise sind dem Projekt bislang beigetreten. Das Projekt läuft gut, weil der Leidensdruck sowohl auf kommunaler als auch auf Seiten der Industrie entsprechend hoch ist. In NRW haben wir 13 Brücken, die im Zustand 3,5 und schlechter bewertet sind, das heißt technisch gesehen abgängig sind.
Thomas Krupp: Bereits 2016 konnte im Rahmen von Studien mit der chemischen Industrie das Thema Lkw-Daten als Zukunftsthema identifiziert werden. Im Rahmen unserer Studie „Chemielogistik im Ruhrgebiet“ mit sehr vielen Interviews in der chemischen Industrie wie auch in der Wirtschaftsförderung wurde von allen Seiten das Thema Lkw-Navigation als ein Zukunftsthema genannt. Und wenn wir hier tatsächlich ein Hightech-Land sein wollen, mit der digitalen Abbildung und Steuerung von Supply Chains, integrierten IT-Systemen über verschiedene Wertschöpfungsstufen, und so weiter, darf es am Ende an den Datengrundlagen nicht scheitern, deren Beschaffung allerdings ein mühsamer Weg ist, wie Herr Hassenpflug immer wieder feststellen muss.
Herr Krupp, kürzlich wurde von der TH Köln die Studie „Lkw-Navigation, Akteure – Datenfluss – Feldtests“ durchgeführt. Welche Zielsetzung hatte die Studie?
T. Krupp: Die Studie sollte salopp gesprochen ermitteln, welche für die Navigation erhobenen Daten in den Lkw-Führerhäusern ankommen und wie sie genutzt werden. In Bezug auf die Sammlung der Daten hat SEVAS hervorragende Pionierarbeit geleistet, um eine Datenbasis zu schaffen. Diese Daten, wie Brücken mit Gewichtsrestriktionen, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder extreme Steigungen, lassen die Kartenhersteller in ihre Karten einfließen. Unser Ziel war, zu erforschen, wieviel von dieser Arbeit technisch ankommt und wieviel davon auch genutzt wird. In einer Umfrage haben wir ermittelt, was wird gemacht, was benötigt, bis hin zum Update-Verhalten und Gründen, warum die Navigation eventuell dann doch nicht genutzt wird – die Verlässlichkeit der Navigation spielt hier eine entscheidende Rolle.
Wir haben im Labor die verschiedenen Navigationshilfen angesehen und geprüft, ob deren Routenvorschläge überhaupt funktionieren. Wir sind die Routen dann auch abgefahren. Es lässt sich feststellen, dass alle Daten, die im System sind, von den Kartenherstellern geholt und entsprechend in die Karten eingebracht und zu funktionierenden Routenvorschlägen umgesetzt werden. Als Ergebnis lässt sich sagen: Ja, die Navigation funktioniert, kommt an und wird auch genutzt.
Welche wichtigen Erkenntnisse hat die Studie erbracht?
Martin van Nooy: Die Studie hat klar gezeigt, dass die Lkw-Navigation auf der Basis der SEVAS-Daten einen Lkw sicher zum Ziel führt. Aber nur ein System, das auch auf die Lkw-Transporte abgestimmt ist, nutzt diese Daten und berücksichtigt sie dann bei der Lkw-Navigation. Ein normales Feld-Wald-Wiesensystem, und Google Maps gehört hier dazu, ist nicht dafür designt worden.
Marcus Hover: Aus unserer Unternehmerschaft kam ein einhelliger Ruf, dass diese Art der Navigation wirklich gewollt ist. Dieser ganz klar geäußerte Wille zeigt deutlich, dass Sicherheit im Transport enorm wichtig ist. Die Studie hat hier die Effizienz und die Wertigkeit dieser Daten ganz klar hervorgestellt und gerade in Bezug auf das extrem dichte Straßennetz in NRW gezeigt: If you can make it there you can make it everywhere. Um dies alles auf Deutschland, auf Europa auszurollen, dafür braucht es allerdings noch viel Überzeugungsarbeit.
G. Deimel: An der Studie begeistert das Ergebnis und die sehr plakative, gut verständliche Darstellung. Sie verdeutlicht, was man mit Lkw-Navigation und den entsprechenden Daten erreichen und was man verhindern kann. Verhindern lassen sich Unfälle mit all ihren Folgen.
Wir müssen aus der Verladerschaft treiben, dass dieses System in den Lkws zum Einsatz kommt, die wir beauftragen. Diese Lkw-Navigation muss ein Standard werden. Die Studie ist ein guter Startpunkt, dass sehr viel intensiver auf dieses Thema geschaut wird, in sogenannten Ausschreibungsheften, in den Anforderungsprofilen an die Dienstleister.
Nur stetig aktualisiertes Karten-/Datenmaterial hilft den Logistikern langfristig bei der Navigation. Wie soll erreicht werden, dass das Lkw-Navigationssystem auch in Zukunft immer auf dem aktuellen Stand ist? Wer trägt die anfallenden Kosten?
M. Hover: Ich kann mich an Zeiten erinnern, da kostete eine neue DVD mit Kartenmaterial etwa so viel wie das ganze Navigationsgerät. Mittlerweile werden die Updates vielfach vollständig kostenlos angeboten. Bei einem zunehmenden Internet of Things wird das in Zukunft ganz automatisch passieren. Noch muss es eingespielt werden, das ist tatsächlich umfangreich und hier entstehen dann auch die Kosten, doch das ist ja im eigenen Interesse der Halter.
V. Hassenpflug: In Brüssel sind Bestrebungen zu sehen, dass die Mitgliedsstaaten Daten zu Verkehrszeichen erfassen müssen. Das ist im Moment noch im Fluss, aber man hat gemerkt, dass diese Informationen wichtig sind. Es tut sich hier auf allen Ebenen etwas.
T. Krupp: Es liegt im Interesse der Industrie und der Dienstleister, aber auch der Kommunen, dass die zur Verfügung gestellten Daten stimmen. Hier nutzt eine 80%ige-Lösung nichts, wenn Sie an einer Stelle hängenbleiben. Deshalb ist Flächendeckung sehr wichtig und damit das übergreifende Lkw-Navigationssystem. Wie gesagt, ist dies auch eine entscheidende Voraussetzung für die Akzeptanz und Nutzung dieser Systeme.
Wer wird hierfür zuständig sein – insbesondere, wenn das System auch Deutschland- oder sogar Europaweit ausgerollt werden soll?
V. Hassenpflug: Das SEVAS-Prinzip weiterzugeben ist natürlich unser Ziel, nachdem wir nun ein System haben, das auch deutschlandweit funktionieren könnte. Wir sagen tu Gutes und rede darüber und rennen überall offene Türen ein – erst kürzlich auch bei der Senatsverwaltung in Berlin. Wir verbreiten dies erst einmal und werben für die Idee.
T. Krupp: Ich meine, das ist eine Aufgabe, die in großem Rahmen gedacht werden muss, wenn ich hier mein Zukunftspotenzial betrachte. Das ist ein Thema zum Hightech-Standort Deutschland in Europa. Bemerkenswert, dass dies nicht längst Chefaufgabe gewesen ist.
G. Deimel: Nach der erbrachten Vorleistung erwarten wir schon, dass dies vom Ministerium auch aufgegriffen wird und in die Verkehrsministerkonferenz des Bundes getragen wird. Das Projekt ist bereits technisch vorbereitet und überprüft, was die Möglichkeit der Umsetzung anbetrifft. Was wir brauchen, ist die Masse, die dieses System auch von der monetären Seite aus unterstützt, damit wir in die Fixkostenverdünnung und die Massenfertigung kommen, aber auch in die Selbstverständlichkeit, dass diese Daten innerhalb kurzer Zeit upgedatet werden.
M. van Nooy: Offensichtlich kommt das Thema auch in der Politik an und gesetzgeberische Initiative soll vorangetrieben werden. Der gesetzgeberische Gedanke ist ganz wichtig, denn ich glaube das Interesse eines Großkonzerns wie Google würde sich nicht finden lassen, wenn damit kein großes Geld zu verdienen ist. Da muss die Gemeinschaft richtig Druck machen und ich finde gut, wenn das über die Politik passiert.
Was erwarten die Verlader nun von den Dienstleistungspartnern, damit die Technologie beziehungsweise. die in die Datenbank eingepflegten Informationen auch in der Breite zum Einsatz kommt? Welche Zukunftschancen hat das Lkw-Navigationssystem?
G. Deimel: Unsere klare Botschaft lautet: Jeder, der bei dem Thema Lkw-Navigation jetzt mitmacht und die neuen Lkw-Navigationsgeräte nutzt, ist für uns Verlader ein planbarerer Partner. Für uns steht Sicherheit und Planbarkeit an oberster Stelle. Jeder, der sich heute so etwas anschafft, ist für die Zukunft besser gewappnet, für uns ein Dienstleister zu sein.
M. Hover: Für uns als Beförderer in der Logistik wäre es wichtig, dass wir beim Kauf von Navigationsgeräten eine klare Entscheidungshilfe bekommen, die deutlich macht, ob ein Navigationsgerät meine Navigation anhand staatlich geprüfter Daten unterstützt. Eine eindeutige Kennzeichnung wäre hier wirklich hilfreich.
M. van Nooy: Die Zukunftschancen für dieses System schätze ich sehr hoch ein, denn viele Dinge addieren darauf: Sicherheit, Zuverlässigkeit, weniger Ärger, in Zukunft autonomes Fahren. Wir brauchen den großen Hebel der Politik. Wenn wir es schaffen, dass man sich hier einigt und es als Gesetzestext geschrieben findet, regelt sich das, denke ich, von selbst.
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