Sichere Sanierung von Tanklagern
Zertifizierte Sicherheit und Flexibilität im Gerüstbau
Laut Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sank der Absatz von Mineralölprodukten in Deutschland im Zeitraum von Januar bis Mai 2023 gegenüber der Vorjahresperiode um 4,8 % von 41,4 auf 39,5 Mio. t. Eine wichtige Rolle bei der Versorgung und bei der Krisenvorsorge spielen Tanklager. Deren Kapazität lag Anfang 2016 bei rund 62 Mio. m³. Zwei Fünftel entfielen auf unterirdische Kavernen. Und von den oberirdischen Lagern wurde etwa ein Drittel von raffinerieunabhängigen Unternehmen betrieben.
Alle diese Anlagen müssen nach Wasserhaushaltsrecht regelmäßig geprüft werden. Je nach Größe des Tanklagers und dem Standort – innerhalb oder außerhalb eines Schutzgebietes – ist der Turnus alle fünf, zehn oder 15 Jahre. Zum einen geht es um den Korrosionsschutz und die Materialprüfung, zum anderen um die Aktualisierung etwa von Brandschutz, Luftreinhaltung oder Emissionsschutz. In der Regel dauert die Prüfung durch Sachverständige zwischen drei und sechs Monaten, weil der gesamte Tank mit Röntgengeräten und Ultraschall nach feinen Rissen untersucht wird. Dazu muss der Tank vorher abgepumpt und entgast werden, damit danach Gerüstbauer die Gerüste als Arbeitsvoraussetzung für die Prüfer aufbauen können.
Walter Stuber, Geschäftsführer, Gemeinhardt Service
„Ich könnte nicht ruhig schlafen, wenn wir nicht alles für die Arbeitssicherheit getan hätten."
Sicherer Gerüstbau für petrochemische Tanks
Gemeinhardt Service ist ein Unternehmen, das sich unter anderem auf die Petrochemie spezialisiert hat. „Die Arbeit ist extrem diffizil“, erzählt Projektleiter Ingolf Stuber. Allein für die Planung benötigt der Gerüstbaumeister rund 14 Tage: Dazu gehört ein Tag für die Besichtigung vor Ort, um alle Besonderheiten zu fotografieren und so möglichst vor Überraschungen gefeit zu sein. Aufwendig ist es ebenso, die Termine auch mit den anderen Gewerken abzustimmen, damit ein Rädchen ins andere greift und möglichst wenig Reibungsverluste entstehen. Zudem wird von den Gerüstbauern während der Sanierung hohe Flexibilität gefordert. Denn wegen dem technischen Umbau aufgrund der gesetzlichen Neuregelungen müssen Teile des Gerüstes immer wieder kurzfristig umgebaut werden.
Bis zu 120 t Gerüstteile auf sechs Sattelzügen werden auf eine Baustelle gebracht, wenn ein stehender Tank 30 m Durchmesser hat. Diese werden dann von den vier bis acht Handwerkern händisch in den Tank gebracht. Denn vor allem bei stehenden Tanks existiert nur ein 62 cm großes „Mannloch“. So können die Gerüstbauer aus dem sächsischen Roßwein manches Material aufgrund der Größe überhaupt nicht einsetzen. „Wir haben teilweise kleinere Stahlböden angeschafft, da die Standard-Belastungstafeln, Robustböden oder Leitergänge gezielt für den Einsatz in Kraftstofftanks nicht möglich waren“, so Stuber.
Bevor auch nur ein Mitarbeiter in den Tank steigt, müssen die hohen Arbeitsschutzanforderungen erfüllt sein. So steht im Außenbereich des Tanks ein Zelt, in dem sich die Mitarbeiter auch bei Regen trocken umziehen können: Antistatische und feuerfeste Kleidung anziehen, Schutzbrille und spezielle Handschuhe. Speziell für derartige Arbeitseinsätze haben die eingesetzten Mitarbeiter das persönliche SCCP-Zertifikat erworben, das Unternehmen aus der Petrochemie inzwischen meist voraussetzen.
Sicherheitszertifikate vorausgesetzt
Das Unternehmen verfügt seit vielen Jahren über einige Zertifikate, um Arbeitsprozesse und den Gesundheitsschutz zu optimieren. „Letztlich ist das SCC-Zertifikat das umfangreichste und anspruchsvollste“, betont Dirk Eckart, einer von zwei Geschäftsführern von Gemeinhardt Service. SCC steht für Safety Certificate Contractors und bezeichnet einen internationalen Standard für Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltschutzmanagement für technische Dienstleistungsunternehmen, wie es der Spezialgerüstbauer ist. Für etliche Auftraggeber ist dieses Zertifikat eine Voraussetzung für die Auftragsvergabe, für andere ist es zumindest ein großes Plus.
Seit einem Jahr verfügt der Gerüstbauer auch über das SCCP-Zertifikat, das speziell für die Petrolchemieindustrie entwickelt wurde. „Unser Berater hatte gesagt, dass wir die Voraussetzungen bereits erfüllen“, so Eckart. Da die Gefährdung für Sicherheit, Gesundheit und Umwelt in dieser Branche größer ist, hatten 1995 einige Industrieunternehmen wie Raffinerien, chemische Kraft- und Stahlwerke mit der Berufsgenossenschaft ein Regelwerk zur Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz (SGU) aus den Niederlanden übernommen, erzählt Jens Morgenstern, TÜV-Auditor und Berater. Durch die erhöhten Anforderungen sollen Arbeitsunfälle systematisch und präventiv verhindert werden. So müssen 90 % der operativ tätigen Führungskräfte und Mitarbeiter geschult sein und eine Prüfung abgelegt haben. „Das ist eine Verschärfung, die im Industrieumfeld so nicht üblich ist“, sagt der Sicherheitsingenieur.
Dirk Eckart, Geschäftsführer, Gemeinhardt Service
„Wir haben seit vielen Jahren einige Zertifikate, um unsere Arbeitsprozesse und den Gesundheitsschutz zu optimieren."
Erfahrung und Kompetenz mit Zertifikat
In diesem Jahr war Gemeinhardt Service bereits sechs Mal für ein Unternehmen tätig, das für Mineralölkonzerne unterschiedliche Kraftstoffe in Tanks lagert. Für das kommende Jahr sind weitere fünf Einsätze geplant. „Wir haben bereits vor drei Jahren problemlos zusammengearbeitet“, sagt der zweite Geschäftsführer von Gemeinhardt Service Walter Stuber, „deshalb hätten wir den Auftrag wohl auch ohne das neue SCCP-Zertifikat bekommen, aber es wird unsere Überzeugungsarbeit künftig bei anderen Auftraggebern erleichtert.“
Die Wirkung auf Auftraggeber und die Akquise von Aufträgen ist für den Geschäftsführer die eine Seite des Zertifikats. „Unser Leitsatz ist: Wir produzieren Sicherheit“, so der Unternehmer. Das gelte allerdings nicht nur für die Gerüstnutzer, sondern auch für seine 44 Mitarbeiter. „Ich gehe davon aus, dass ich keine Nacht mehr ruhig schlafen könnte, wenn sich ein Kollege schwer verletzt oder gar stirbt, und ich hätte das Gefühl, ich habe nicht alles für die Arbeitssicherheit getan“, so der gebürtige Schwabe. Deshalb ist das Zertifikat auch ein Mittel, um die Mitarbeiter an alle Sicherheitsmaßnahmen zu erinnern, die sich im Arbeitsalltag leicht verschleifen.
Alle Bau- und Projektleiter sowie die Monteure wurden entsprechend geschult und geprüft, denn bei diesem Zertifikat werden einzelne Personen zertifiziert, die die Vorgaben des SCCP-Managementsystems auf den Baustellen letztlich umsetzen. Das Unternehmen protokolliert seine Arbeitsabläufe gerade auf den Baustellen, um das Bewusstsein der Mitarbeiter für Gefahren am Arbeitsplatz fortlaufend zu schärfen. Um dem SCCP-Zertifikat zu entsprechen, muss bspw. immer eine sogenannte Last Minute Risk Analysis (LMRA) gemacht werden, also eine kurze Bewertung der Gesundheits- und Umweltgefährdung. „Gesetzlich wird völlig berechtigt vieles gefordert“, so Stuber, die Bauunternehmen stehen aber auch selbst in der Verantwortung, ihre Mitarbeiter immer wieder an die Risiken auf der Baustelle zu erinnern.
Laut BG Bau gab es 2021 etwas mehr als 112.000 Arbeitsunfälle mit leicht steigernder Tendenz gegenüber dem Vorjahr. Davon endeten 97 tödlich. Und auch die Zahl der Berufskrankheiten stiegen auf knapp 16.500. „Unser Ziel ist es, Unfälle zu vermeiden und gesundheitliche Schäden zu verhindern“, so Walter Stuber. Zugleich ist die neue Zertifizierung für Gemeinhardt Service die Chance, neue Auftraggeber aus der Chemie- und Petrolchemiebranche zu gewinnen.
Autor: Jens Gieseler, freier Journalist für Gemeinhardt Service