Service Factor – Leistungsreserve oder Irreführung?
21.09.2017 -
Die tatsächliche Energieeffizienz einer Vakuumpumpe hängt von einer ganzen Reihe von Einflussgrößen ab. Der Weg zur optimalen Effizienz führt über eine systemische Analyse.
Enddruck und Saugvermögen sind die wichtigsten Größen für die Auswahl einer Vakuumpumpe. Sie entscheiden darüber, welche „Vakuumleistung“ in der Anwendung zur Verfügung steht, also welches Vakuumniveau in welchem Zeitraum erreicht wird. Vakuumpumpen unterschiedlichster Funktionsprinzipien können vergleichbare Leistungsstufen erreichen, je nach Art der Pumpe können die Drehzahlen dabei weit auseinanderklaffen: Die derzeit am weitesten verbreitete Vakuumtechnologie, die Drehschieber-Vakuumpumpe, erreicht mit rd. 1.000 min-1 eine ähnliche Vakuumleistung wie eine ölgeschmierte Schrauben-Vakuumpumpe mit bis zu 7.000 min-1.
Stromverbrauch ungleich Nennleistung
Trotz der vergleichbaren Vakuumleistung kann das Typenschild einen weiteren Unterschied ausweisen: Die Schrauben-Vakuumpumpe kann z. B. mit einer geringeren elektrischen Nennleistung angegeben sein als Drehschieber-Vakuumpumpe. Man kann aber bei der Geräteauswahl nicht von der Nennleistung auf den tatsächlichen Stromverbrauch schließen. Denn mit weniger kW verbraucht der Motor noch lange nicht weniger Strom als der nominell stärkere Antrieb. In der Anlage kann sogar genau das Gegenteil der Fall sein. Auf manchen Typenschildern kommt noch der „Service Factor“ hinzu, der die tatsächliche Nennleistung verschleiert.
Schaut man nur auf die Nennleistung, blendet man die gesamthafte Effizienz von Vakuumpumpe und Motor aus. Das Verhältnis zwischen Stromverbrauch und abgegebener Leistung (Wellenleistung / shaft power) ist eben nicht linear. Elektromotoren haben ihr Leistungsoptimum meist irgendwo zwischen 50 und 100 % ihrer Nennleistung. Man kann also von einem mehr oder weniger breiten optimalen Bereich um die 75 % der Nennleistung ausgehen. Darunter verbraucht der Motor im Verhältnis zur erbrachten Leistung mehr Strom, seine Effizienz sinkt.
Was ist der „Service Factor“?
Dasselbe trifft zu, wenn die Drehzahl über den optimalen Bereich hinausgeht. Dabei sind auch mehr als 100 % der Nennleistung möglich – hier kommt der Service Factor (SF) ins Spiel. Er wurde von der US-amerikanischen National Electrical Manufacturers Association im Handbuch NEMA MG1-2011 als Standard definiert und wird auf dem Typenschild als Multiplikator angegeben. Er beschreibt, bis zu welchem Grad ein Motor über die Nennleistung hinaus belastet werden kann. Dafür multipliziert man die Nennleistung mit dem SF-Wert. Eine Nennleistung von 15,0 kW mit einem Service Factor von SF 1.25 ergibt die maximal zulässige Nennleistung 15 x 1,25 =18,75 kW. Diese liegt also um 25 % höher, als unter dem Wert „Nennleistung“ zu erkennen ist.
Der SF-Bereich soll nur vorübergehend genutzt werden, worauf die NEMA ausdrücklich hinweist. Tatsächlich wird die Überlast jedoch oft für den Normalbetrieb mit einkalkuliert. Viele Vakuumsysteme arbeiten mit ständig wechselndem Vakuumbedarf. Ein schnelles Hochfahren aus dem Standby-Modus oder kurze Lastspitzen, die sich in schnellem Takt regelmäßig wiederholen, gehören oft zum Alltag, werden aber als „vorübergehende“ Überlastung verbucht. Ohne einkalkulierten Service Factor suggeriert hier die relativ niedrige Nennleistung einen entsprechend niedrigen Stromverbrauch. Doch zum einen ist die tatsächlich genutzte Leistung in solchen Fällen oft höher. Zum anderen arbeitet der Motor im SF-Bereich in der Regel auch weit außerhalb seines Effizienzoptimums. Zudem wird die regelmäßige Überlastung wahrscheinlich seine Lebensdauer verkürzen.
Stromverbrauch im Direktvergleich
Die tatsächliche Energieeffizienz verschiedener Vakuumpumpen lässt sich anhand des Typenschildes nicht vergleichen. Um sie zu ermitteln, müssen Stromverbrauch und Leistungsabgabe in der Praxis gemessen und nebeneinandergestellt werden. Einen solchen Vergleich hat der Vakuumpumpenhersteller Busch durchgeführt. Dabei wurden eine eigene Drehschieber-Vakuumpumpe (18,5 kW Nennleistung laut Typenschild) sowie die drehzahlgeregelte und ölgeschmierte Schrauben-Vakuumpumpe eines anderen Herstellers (15 kW Nennleistung mit einem Service Factor von SF 1,25) geprüft. In diesem Test war der Stromverbrauch des nach Nennleistung „kleineren“ Motors im Hauptlastbereich fast doppelt so hoch wie die des Vergleichsmodells. Die Drehschieber-Vakuumpumpe erreichte trotz ihres „größeren“ Motors mit ihrer niedrigen Drehzahl eine wesentlich bessere Energieeffizienz.
Fazit
Will man die Effizienz einer Vakuumversorgung gesamthaft erfassen, reicht der Blick auf die Nennleistung des Antriebsmotors nicht aus. Neben dem Enddruck und dem Saugvermögen einer Vakuumpumpe oder -anlage muss auch das Funktionsprinzip in Betracht gezogen werden. Ob ölgeschmiert oder trocken verdichtend die passende Lösung darstellt, hängt vom jeweiligen Prozess ab. Auch der Aufstellungsort, die Steuerung oder die Verbindung zwischen Prozess und Vakuumerzeugung können Einfluss auf die Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit einer Vakuumversorgung haben. Für die optimale Auswahl der Geräte und die richtige Auslegung der Anlage ist oft das Know-how eines ausgewiesenen Vakuumspezialisten nötig. Tatsächlicher Energieverbrauch und Energieeffizienz lassen sich nur durch gesamthafte Betrachtung korrekt einschätzen und planen.