Reinraumtechnik an der Fakultät Life Sciences der Hochschule Albstadt-Sigmaringen
08.01.2020 - Der Reinraum ist ein Gegenstand von zentraler Bedeutung in der Fakultät Life Sciences der Hochschule Albstadt-Sigmaringen.
Sowohl die Lehre als in Teilbereichen auch die Forschung haben großen Bezug zu den Themen Reinraumtechnik und Hygienische Produktion. In diesem Beitrag wird zunächst auf die Fakultät im Allgemeinen eingegangen, bevor die Relevanz des Reinraums in praxisbezogener Lehre und angewandter Forschung verdeutlicht wird.
Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen bietet an ihren beiden Standorten insgesamt 24 Studiengänge in den Bereichen Life Sciences, Engineering, Informatik und Wirtschaft an. Zu den Studiengängen der Fakultät Life Sciences gehören die vier Bachelorstudiengänge Pharmatechnik, Bioanalytik, Smart Building Engineering and Management sowie Lebensmittel, Ernährung, Hygiene und die beiden Masterstudiengänge Biomedical Sciences sowie Facility and Process Design. Kleine Gruppen, eine persönliche Atmosphäre, enge Kontakte zu Unternehmen und eine außerordentliche Praxisnähe prägen die Lehre an der Fakultät. So landete diese kürzlich in einer deutschlandweiten Befragung an 40 Hochschulen beim Kriterium Praxisbezug mit großem Vorsprung auf Platz eins.
Im Bereich Forschung steht die Fakultät für einen der drei Forschungsschwerpunkte der Hochschule, den Bereich „Gesundheit – Ernährung – Biomedizin“ (GEB), der sich unter anderem innovativer Diagnostik, in-vitro-Testsystemen, Lebensmitteln und gesunder Ernährung sowie sicheren Medikamenten widmet. Darüber hinaus gibt es mehrere Projekte rund um das Thema Nachhaltigkeit, die einem zweiten Forschungsschwerpunkt der Hochschule, „Nachhaltige Entwicklung, Smarte Materialien und Produkte“ (NESP), zugeordnet sind, darunter bspw. Projekte zum Thema nachhaltige Verpackungen. Das nachhaltige Bauen und Betreiben industrieller Anlagen (NBB) sowie die energieeffiziente digitalisierte Produktion in den Life Sciences vervollständigen den übergreifenden Lehr- und Forschungsansatz der Fakultät.
Mit dem Institut für angewandte Forschung (IAF) besitzt die Hochschule Albstadt-Sigmaringen zudem eine Plattform für die fachübergreifende und teamorientierte Zusammenarbeit in und mit der Hochschule. Ziel hier ist es, die vorhandenen forschungsbezogenen Kompetenzen sowohl intern als auch nach außen zu vermitteln. In enger Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft können so innovative Ideen gefördert und direkt in zukunftsfähige Projekte umgesetzt werden.
Für Lehre und Forschung stehen an der Fakultät Life Sciences zahlreiche moderne Labore zur Verfügung, die in ihrer thematischen Ausrichtung die Ganzheitlichkeit der Fakultät widerspiegeln. Von Physik bis Automation, von Mikrobiologie bis Stammzellen, von Sensorik bis Instrumentelle Analytik – alle Bereiche bieten zeitgemäß ausgestattete Einrichtungen. Darüber hinaus werden mit dem Innovationscampus Sigmaringen (InnoCamp, innocamp-sigmaringen.de) ab Ende 2020 weitere Forschungsflächen für Industriekooperationen zur Verfügung stehen.
Eine Besonderheit im Bereich der Laborausstattung stellt das Pharmatechnikum mit zwei pharmazeutischen Reinraumbereichen dar, die nach den Standards der Reinraumklassen D und C gebaut und ausgerüstet sind und entsprechend betrieben werden. Die Reinräume der Klasse D zeichnen sich durch eine umfassende Ausstattung für die Herstellung und Analytik fester und halbfester Arzneiformen aus und werden für Praktika in den Bereichen pharmazeutische Technologie und Verfahrenstechnik genutzt. Der flächenmäßig kleiner gehaltene Reinraumbereich der Klasse C enthält Barrieresysteme und kommt für Praktika in den Bereichen Reinraum- und Steriltechnik zum Einsatz.
Studieninhalte im Bachelor
Reinraumtechnik ist ein wichtiger Bestandteil der Lehre in den Bachelorstudiengängen Pharmatechnik, Bioanalytik sowie Lebensmittel, Ernährung, Hygiene. Schon früh im Studium, spätestens im 3. Semester, werden die Grundlagen für eine spätere Tätigkeit im Reinraum gelegt. Im Modul „Grundlagen Prozess- und Reinraumtechnik“ lernen die Studierenden u. a. die Aufgaben und Einsatzbereiche der Reinraumtechnik, Reinheitsklassen, Reinraumwerkstoffe, den grundlegenden Aufbau von Reinräumen, alles Wissenswerte über das Verhalten im Reinraum und Qualitätsanforderungen an Reinstmedien kennen. Pharmatechnikstudierende und Studierende mit dem Schwerpunkt Hygiene erweitern im 4. Semester ihre Kompetenzen rund um die Reinraumtechnik. Im Modul „Reinraumtechnik und Qualitätsmanagement“ liegt der Schwerpunkt auf den Themen Reinraumqualifizierung und -messtechnik sowie Monitoring. Zudem werden spezielle Kontaminationsarten, Reinraumverbrauchsgüter, Reinraumreinigung sowie in Grundzügen die Planung von Reinraumanlagen behandelt. Ein Praktikum mit dem Fokus auf Ankleidetechniken, Ein- und Ausschleuseprozesse, Verhalten im Reinraum und ausgewählte reinraumtechnische Messungen (u. a. Partikelmessung und Strömungsvisualisierung) runden das Modul ab. Im 6. Fachsemester des Studiengangs Pharmatechnik folgt schließlich das Modul „Sterile Technology“, bei dem sich alles um die Herstellung steriler Arzneimittel dreht. Hierbei erfolgt eine intensive Auseinandersetzung mit den Themenfeldern Sterilisation sowie aseptische Prozesse, ergänzt durch einen Ausflug in den Bereich hygienisches Design sowie praktische Elemente, u. a. zum Thema Media Fill.
Im Bachelorstudiengang Smart Building Engineering and Management spielen eher die technischen Aspekte des Reinraums eine Rolle. So werden bspw. im Modul „Technische Gebäudeausrüstung“, welches auch in Pharmatechnik und Lebensmittel, Ernährung, Hygiene angeboten wird, die raumlufttechnischen Anlagensysteme und deren Anlagenteile thematisiert. Darüber hinaus erfahren die Studierenden, mit welchen Komponenten die Kühlung, Erwärmung sowie Be- und Entfeuchtung der Luft erreicht werden kann. Damit wird das theoretische Grundverständnis für den lüftungstechnischen Teil der Reinraumtechnik gebildet. Im Modul „Betriebsplanung“, welches auch in der Pharmatechnik zentral ist, erlangen die Studierenden zudem Kenntnisse über die systematischen Abläufe in der Fabrikplanung und die Integration von Reinräumen innerhalb industrieller Anlagen.
Studieninhalte im Master
Im Masterstudiengang Facility and Process Design spielt der Reinraum in der Lehre ebenfalls eine entscheidende Rolle. So wird den Studierenden hier das Wahlpflichtmodul „Hygienische Produktion“ angeboten. Dabei lernen diese im Modulteil „Hygienic Engineering & Design“ die Relevanz von hygienegerechter Konstruktion für die Sicherheit und Effizienz von Produktionsprozessen in der Life Sciences-Industrie kennen. Sie erhalten zudem einen Überblick über gängige Verfahren der Cleaning-in-Place (CIP) Reinigung sowie über die Zertifizierung hygienegerechter Gestaltung. Im Modulteil „Reinraumtechnik“ erhalten die Studierenden einen umfassenden Überblick über Qualifizierungs- und Validierungsaktivitäten in der Lebensmittel- und Pharmaproduktion.
Auch im Modul „Fabrikplanung“, welches sich mit dem Planungsprozess von Fabriken in der Life-Science-Industrie beschäftigt, ist Reinraumtechnik von Bedeutung. Die Studierenden erlernen hier die systematische Vorgehensweise in den einzelnen Schritten der Fabrikplanung, wobei für den Kontext „Reinraum“ dabei Aspekte wie die Größe und Ausführung der Reinraumhülle eine Rolle spielen. Unter Berücksichtigung des Reinraumzwecks (z. B. Fertigung, Verpackung oder Abfüllung) und der baulichen Voraussetzungen lernen die Studierenden, Reinräume in den geplanten Fabrikbetrieb zu integrieren. Hierbei wird u. a. das Instrument der Prozesssimulation angewendet und in Forschungsvorhaben weiterentwickelt. Im Modul „Medien-, Versorgungs- und Installationstechnik“ wird schließlich u. a. die Integration von Reinräumen in verschiedene Gebäudestrukturen aufgezeigt. Des Weiteren werden auch die Möglichkeiten der Energieoptimierung bei der Konzeptionierung und dem Betrieb von Reinräumen verdeutlicht.
Die Lehrveranstaltungen der Fakultät werden dabei stets ergänzt durch Gastvorträge aus Forschung und Industrie, sowie Exkursionen zu regionalen Unternehmen, wo die Studierenden nicht nur Reinraumtechnik in der Praxis erleben, sondern auch erste Kontakte für ihr Berufsleben knüpfen können.
Angewandte Forschung
Auch in den zahlreichen Forschungsvorhaben der Fakultät spielt Reinraumtechnik oft eine entscheidende Rolle. Im Folgenden sind exemplarisch einige der aktuellen Projekte aufgeführt.
LAF for Food
Im Projekt LAF (Laminar Air Flow) for Food, an der Schnittstelle der Studiengänge Lebensmittel, Ernährung, Hygiene und Pharmatechnik, wird erarbeitet, welche Rolle die Kontamination von Lebensmitteln über luftgetragene Mikroorganismen bei der Lebensmittelverarbeitung sowie der Ausgabe von Lebensmitteln spielt und wo sich dabei neue Potenziale in der Anwendung der Reinraumtechnologie ergeben. Dafür steht an der Hochschule ein Prüfstand zur Verfügung, in welchem definierte Luftkeimgehalte nachgestellt werden können. Der mikrobielle und sensorische Produktverderb kann in der Folge ebenso in den hochschuleigenen Laboren analysiert werden. Durch vergleichende Untersuchungen mit einem Benchtop-LAF-Modul sind zudem Aussagen zu einer Haltbarkeitsverlängerung durch den Einsatz von Reinraumtechnologie ableitbar. Die experimentellen Möglichkeiten an der Hochschule bieten demnach interessante Optionen der Zusammenarbeit, auch im Rahmen studentischer Projekt- oder Abschlussarbeiten.
Hygienic Processing
Im Labor des Kompetenz- und Forschungsbereichs PiLS (Produktionsanlagen und innovative Systemlösungen für die Lebensmittelindustrie) geht es um die Reinigbarkeit von Edelstahloberflächen – dabei werden die Einflussgrößen bei der Reinigung mit einem Sprühstrahl systematisch untersucht. Mithilfe einer mathematischen Modellierung werden dazu Parameter für eine Simulation in Virtual Reality gewonnen. So können Maschinen und Anlagen virtuell mit einem Sprühstrahl „gereinigt werden“, entweder, um die Reinigung bei bestehenden Anlagen zu optimieren oder, um die Konstruktion von Maschinen hinsichtlich der Reinigbarkeit zu verbessern.
Mikrobiologie
Schwerpunkte der angewandten Forschung in der Mikrobiologie der Fakultät Life Sciences liegen in den Bereichen mikrobiologischer Sicherheit pflanzlicher Lebensmittel (insbesondere der Interaktion humanpathogener Bakterien mit Gemüsepflanzen), der Erforschung antibiotikaresistenter Bakterien in der Lebensmittelkette sowie der Prüfung der niederenergetischen Elektronenbehandlung (Ebeam) als innovative Desinfektionsmethode. Ebeam bezeichnet ein nicht-thermisches und chemikalienfreies Verfahren, das zur Dekontamination verschiedener Oberflächen eingesetzt werden kann. Während es im Bereich Pharma- und Lebensmittelverpackungen bereits gut etabliert ist, besteht für die direkte Behandlung von Lebensmitteln noch großes Potenzial, um Bakterien, Pilze, deren Sporen und Viren effizient abzutöten.
Flächenhygiene
In diesem Forschungsprojekt geht es um den Einsatz von Desinfektionsmitteln im Haushalt sowie die damit verbundenen Risiken, wie die Entstehung von resistenten Bakterien, Kreuzresistenzen gegen Antibiotika, allergische Reaktionen und die Anreicherung von Biozid-Wirkstoffen im menschlichen Körper, in Gewässern und Böden. Zudem wird im Fachbereich Angewandte Hygiene in nationalen Projekten die Auswirkung der Biozidverordnung auf Desinfektion im Haushalt erforscht. Neben der Anwendung von Hygieneprodukten im Haushalt wird auch an Labor- und Anwenderstudien (Customer Centricity) und der Entwicklung von Phase 3-Prüfmethoden für Biozidprodukte geforscht.
Dieser ganzheitliche Ansatz aus der Verbindung von Lehre und Forschung wird an der Fakultät Life Sciences aktiv gelebt. Der meist sehr rasch gelingende Übergang der Absolventen in eine attraktive Berufstätigkeit ist die erfreuliche Folgewirkung. Industriebetriebe, Dienstleistungsunternehmen sowie Ingenieur- und Planungsbüros bieten den Absolventen der Sigmaringer Life Sciences-Studiengänge anspruchsvolle Fach- und Führungspositionen. Auch in der Zukunft sind für beide Seiten – Betriebe und Hochschule – nutzbringende Lehr- und Forschungskooperationen in allen Studiengängen und allen Fachdisziplinen möglich und gewünscht. Die Fakultät Life Sciences freut sich auf den weiteren Ausbau der persönlichen und fachlichen Kontakte mit der einschlägigen Wirtschaft.
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