Reinraumschulung im Medizinbereich
Moderne Reinraumkonzepte und professionelle Mitarbeiterschulungen unterstützen die Experten dabei, Infektionen zu vermeiden und Keime aus den Operationssälen zu verbannen.
Jedes Jahr infizieren sich in Europa mehr als 3 Mio. Patienten an Krankenhauserregern. Doch die Keime stammen selten aus den medizinischen Einrichtungen selbst; vielmehr werden sie von außen hereingetragen. Was lässt sich dagegen tun?
In modernen Krankenhäusern finden sich Hygienekommissionen, die paritätisch zusammengesetzt sind und sich für den Infektionsschutz durch Hygienerichtlinien engagieren. Ein zentrales Instrument ihrer Arbeit ist der Hygieneordner, der für das ganze Spital verbindliche Richtlinien enthält. Die Weisungen der Hygienekommission werden im Hygieneordner publiziert. Die Einhaltung dieser Hygienevorschriften, strengere Kontrollen und deren Dokumentation durch die Hygienebeauftragte sowie Mitarbeiterschulungen und technische Lösungen sind unerlässliche Voraussetzungen für die Reduktion von Krankenhausinfektionen. Ebenso ist die konsequente Umsetzung von Reinraumanforderungen und Reinraumklassifikationen für Operationssäle wichtig. Daher werden neuerdings auch in Krankenhäusern gezielt Reinraumbeauftragte eingesetzt. Diese haben zwar in der Regel ein Grundverständnis von den Prozessen, der Technik und dem Verhalten im Reinraum, aber wenn es um die tägliche Reinigung des Reinraumarbeitsplatzes, das Reinigungsmanagement oder das Ankleiden in der Schleuse geht, sind sie in der Regel nicht sattelfest.
Basiskompetenz Reinraumtechnik-Lehrgänge
Bis in jedem Krankenhaus Reinheitsstandards herrschen, die Infektionen und Epidemien praktisch ausschließen, ist noch viel Arbeit erforderlich. Allein für die Prozesse im Reinraumbereich ist Expertenwissen erforderlich. Da so gut wie keine Fachkräfte auf dem Markt vorhanden sind, müssen die Mitarbeiter geschult werden. Privatanbieter und Reinraumgesellschaften organisieren regelmäßig Schulungsreihen zur Reinraumtechnik, um Spezialisten und Interessierte an das Thema Reinraumtechnik heranzuführen. Von den Grundlagen der Reinraumtechnik mit Übungen zur richtigen Handhabung von Reinraumbekleidung bis hin zu Normen und Klassierungen reichen Themen und Lerntechniken, die für das richtige Arbeiten im Reinraum erforderlich sind. Diese Richtlinien werden von Experten in Fachausschüssen wie z.B. des VDI erarbeitet. Der Personenschutz, der Produktschutz und der Umweltschutz sind die wichtigsten Aufgaben der Reinraumtechnik.
Dazu gehört Wissen über Kontaminationen, Personal und Schutzkleidung, Reinraumsysteme und Meßtechnik sowie Qualifizierung. Basis für die Arbeit in Reinraumanlagen sind zudem anerkannte Regeln und Normen für die Anforderungen an den Betrieb und die Planung von Reinräumen sowie die hygienerelevanten Arbeiten und die Schulung von Mitarbeitern.
Der Partikeleintrag in den Reinraum durch die Lüftung sowie durch innere Quellen, darunter vor allem der Mensch, Maschinen, Verfahren und Betriebsmittel wird in den Kursen ausführlich behandelt.
Um den Anforderungen an Reinraumpersonal zu genügen, wird mit Schulungszertifikaten der Wissensstand der Reinraum-Mitarbeiter dokumentiert.
Kontaminationen und Partikel
In der Reinraumtechnik geht es darum, Kontaminationen durch Partikel und Mikroorganismen unter einem bestimmten Level zu halten. Die physikalischen Grundlagen, die Kontaminationen in Reinraumcontainments zugrunde liegen, beruhen auf den verschiedenen Partikelarten und ihrer Verteilung in der Luft sowie auf Filtersystemen für die Reinraumluft. Die Luftreinhalte-Klassifizierung in Reinräumen gibt die maximalen Konzentrationsgrenzwerte pro m3 Luft in Reinräumen an. Die Luftreinhalteklassen ISO 1– 6 beschreiben den Sterilbereich im Spital.
Wichtig für die Mitarbeiter ist eine Einführung zu Normen und Richtlinien, die sie im Reinraum stets zu befolgen haben. Der Reinraumstandard ISO 14644 1–9 bezieht sich auf den Reinheitsgrad der Raumluft. Nach der ISO 14644 und den GMP-Vorgaben ist die technische Richtlinie VDI 2083 das richtungweisende Regelwerk der Reinraumtechnik. Die GMP-Reinraumklassifikation für die Medizin und die Pharmaindustrie unterteilt nach dem EU-GMP-Leitfaden Reinräume für septische und aseptische Arbeiten in die Klassen A–D.
Reinraunreinigung
Wer einen Reinraum reinigen möchte, braucht dafür ein sinnvolles Konzept. Die Maßnahmen beginnen mit einer wirksamen Desinfektion und der richtigen Schutzbekleidung und sie reichen über effiziente Lüftungssysteme bis hin zu intelligenten Monitoringsystemen. Ein Konzept für eine sinnvolle Desinfektion von Oberflächen durch ein ausgeklügeltes Management mit verschiedenen, alternierend eingesetzten Desinfektionsmitteln dient der nachhaltigen Abwehr von Keimen. Wenn Spitäler ad hoc Mitarbeiter zum Reinraumverantwortlichen ernennen, sind diese mit den Aufgaben aufgrund mangelnder Detailkenntnisse oft überfordert – selbst wenn sie das technische Wissen haben. Daher ist es wichtig, dass sich die Reinraumverantwortlichen mit den Anwendern vernetzen, damit sie voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen können.
Personal und Schutzkleidung
Das praktische Basiswissen über Reinraumbekleidung mit Übungen gehört zwingend zum Ausbildungsprogramm eines Reinraumexperten. Der Partikeleintrag in den Reinraum über die Lüftung von außen sowie durch innere Quellen, darunter vor allem Mensch, Maschinen, Verfahren und Betriebsmittel, muss im Reinraum minimiert werden.
Erschreckend, wie hoch die Partikelfreisetzung durch den Menschen ist: Bei leichter Aktivität der Mitarbeiter beträgt der Partikeleintrag in die Umgebung über 500.000 Partikel/min! Daher werden hohe Anforderungen an das Verhalten in Schleuse und Reinraum, z.B. im OP, gestellt und Vorschriften für das Ein- und Ausschleusen von Material, die persönliche Hygiene und die Reinigung des Personals sowie über Abgrenzungen erlassen. Nur dann ist es möglich, den gewünschten Reinheitsgrad zu erreichen, wenn man die entsprechende Schutzkleidung und auch entsprechende Lüftungssysteme einsetzt. Je nach Reinraumklasse sind dafür verschiedene Bekleidungselemente erforderlich. Während gemäss ISO 7– 8 (100.000 Partikel/min) lediglich ein Schutzanzug, eine Kopfhaube und Reinraumschuhe erforderlich sind, muss bei ISO 5 (100 Partikel/min) unter Sterilbedingungen der ganze Körper mit einem dichten Overall und Schutzbrille bedeckt werden.
Wie heikel unter Sterilbedingungen das Anziehen eines Overalls ist, ohne die Außenseite zu kontaminieren, wird vielen Mitarbeitern erst unter Testbedingungen klar: das Atmen ist erschwert; die flache Atmung muss mühevoll eingeübt werden, wenn man stundenlang konzentriert und partikelarm arbeiten will. Reden wird nicht empfohlen. Die Mitarbeiter müssen immer wieder angeleitet werden: Von dem Verhalten der Mitarbeiter ist das Gefährdungspotenzial für die Patienten abhängig.
Filtersysteme
Der am Arbeitsplatz zu erreichende Reinheitsgrad ist abhängig von der Belüftung und Filtersystemen mit den angepassten Strömungsarten. Bei der turbulenten Mischströmung wird die Luft mit reiner, gefilterter Luft gemischt und so verdünnt, dass die Luftqualität zunimmt. Auf diese Weise lassen sich Reinraumklassen bis ISO 1 erreichen.
Entsprechend der Reinraumanforderungen werden geeignete Luftfiltersysteme installiert. Dabei wird die Außenluft durch mehrere Filtersysteme angesaugt und erwärmt, um sie zu entfeuchten. Die so aufbereitete Reinluft wird über HEPA-Filter in den Reinraum eingeblasen. In einem Reinraumsystem sind die Wahl der Filter und ihre Platzierung im Raum zwei wichtige Faktoren. Es empfiehlt sich, nicht bei den Filtern zu sparen, sondern durch eine gute Planung Investitionen in der Unterhaltsphase einzusparen. So bedeutet ein billiger, schlecht arbeitender Feinstaubfilter eine stärkere Belastung des Schwebstofffilters, der dann umso öfter ausgetauscht werden muss.
Die reinraumgerechte Ausrüstung der Arbeitsplätze unter Verwendung verschiedener Decken- und Bodensysteme sowie Türen ist wichtig: Bei der Planung und Einrichtung von Reinräumen geht man in kontrollierten Planungsschritten vor. Der Entwurfsplanung folgen die Feinplanung, die Ausführungsplanung, der Bau und die Montage und schließlich die Abnahme.
Reinraumsysteme: Planungshilfen für Verantwortliche
Die Reinraumbranche gewinnt im medizinischen Bereich stetig an Bedeutung. Der Reinraumbeauftragte muss sich um Aufgaben wie Planung und Umsetzung des Reinraums, Kommunikation mit allen Beteiligten, Mitarbeiterschulungen, Betreitstellen der Betriebsmittel, etc. kümmern. Wie anspruchsvoll die Anforderungen sind, die allein beim Betrieb und in Ruhe an Reinraumsysteme gestellt werden, ist vielen Managern nicht klar: Reinraumbuch und Lastenheft sind zu führen, die Luftqualität, die Reinigungsprozeduren und auch der Weg der reinen Produkte bis zur Anwendung sind zu dokumentieren. Der Reinraum muss an die Bedürfnisse der Benutzer anpasst werden.
In GMP-lizensierten Räumen werden die nach internationalen Standards erarbeiteten Prozesse validiert, dokumentiert, implementiert und schließlich die Medikamente oder Ersatzteile unter Sterilbedingungen hergestellt und verpackt. Optimale Hygienebedingungen können nur in Räumlichkeiten mit koordinierten Reinigungs- und Steuerungseigenschaften geschaffen werden. Zu den Hygieneaufgaben gehören die Vermeidung von Kontaminationsquellen, gute Reinigungsfähigkeit der Räumlichkeiten, anforderungsgerechte Bedienungsmöglichkeiten für Personal und Material, eine ablaufgerechte Anordnung der Produktionsschritte und reinraumgerechte und schrittweise Heranführung von externem Material an die Reinraum-Produktionsanlagen.
Wenn eine Reinraumanlage fertiggestellt ist und in Betrieb geht, muss das Equipment der klassifizierten Räume qualifiziert werden. Dabei wird überprüft, ob alle VDI-2083-Vorgaben bei der Planung und Ausführung berücksichtigt wurden und nach Fertigstellung die geforderten Raumluftzustände unter Produktionsbedingungen eingehalten werden. Dazu gehört auch eine Risikoanalyse für die Anlagen und Bauteile. Als Grundlage der Tests und Probeläufe dient die Richtlinie VDI 2083 Blatt 15.Für die Reinräume werden gezielt Barrierekonzepte aufgestellt, wie etwa Zonenkonzepte oder Isolatoren, die von der Umwelt abgeschlossen sind. Die Anlagen in der Medizin- und Pharmaindustrie unterliegen den FDA- und den GMP-Anforderungen und somit einer entsprechenden Validierung der Prozesse.Bei der Wartung, Instandhaltung und Reinigung müssen die Anlagen und Geräte regelmässig überwacht und getestet werden. So sind bspw. alle Geräte in der Reinraumtechnik mindestens einmal pro Jahr zu kalibrieren. Andere Parameter, wie die Partikelkonzentration oder Druckdifferenzen, sind permanent zu überwachen.
Eine Anlagenqualifizierung besteht aus vier Phasen:
- Design Qualifizierung DQ
Innerhalb der Designqualifizierung wird geprüft, ob alle Benutzer- und GMP-Anforderungen in die Planungsdokumente eingeflossen sind und Forderungen aus Gesetzen, Normen und Richtlinien spezifiziert sind.
- Installationsqualifizierung IQ
Die Installationsqualifizierung dient zur Überprüfung der eingebauten Anlagen, Geräte und Bauteile.
- Funktionsqualifizierung OQ
Die Funktionsqualifizierung enthält die Überprüfung der einzelnen Bauteile und Anlagen auf korrekte Funktion.
- Leistungsqualifizierung PQ
Dabei werden die Anlagen und Räume bezüglich der Einhaltung der qualitäts- und GMP-relevante Raumluftparameter unter produktionsnahen Bedingungen überprüft. Die Qualifizierungsdokumente dienen als Grundlage für die Freigabe des Arbeitsplatzes. Die unterschiedlichen Reinheitsklassen ISO und GMP in Reinräumen sind nach wie vor verwirrend.
Ziel der Qualifizierung ist eine Kalibrierung und umfassende Dokumentation der Reinraumparameter. Dabei gilt: Was nicht dokumentiert ist, wurde nicht gemessen!
Autorin