Anlagenbau & Prozesstechnik

Rational, sicher, effizient

Kontinuierliche Prozessoptimierung durch MES

09.03.2010 -

Nicht die aktuelle globale Wirtschaftskrise allein zwingt die Unternehmen, Prozesszyklen und Produkte zu optimieren und gleichzeitig Kosten zu kappen, wo immer nur möglich. Es ist vielmehr der permanente, institutionalisierte Wandel im Tagesgeschäft, der sich ständig selbst beschleunigende Zwang zur Veränderung, dem jedes Unternehmen heute unterworfen ist: Stillstand ist Rückschritt - das gilt heute mehr denn je. Rationalisierung heißt deshalb das Zau-berwort. Und das bedeutet: effiziente Abläufe gewährleisten, bestmögliche Produktionsperformance garantieren, Prozesssicherheit perfektionieren.

Naturgemäß sind es häufig IT-Lösungen, die angesichts dieser Herausforderungen gefragt sind. Eine von ihnen sind die Manufacturing Execution Systems, kurz MES genannt. Darunter sind eigenständige, prozessnah operierende Fertigungsmanagementsysteme zu verstehen, die sich zu Enterprise Ressource Planning Systemen (ERP) wie SAP abgrenzen und sich durch eine direkte Anbindung an die Automatisierungsebene auszeichnen. Sie ermöglichen eine kontrollierte Produktion quasi in Echtzeit. Hierzu gehören in erster Linie die Übertragung von Auftragsdaten auf die Prozessleitebene sowie die Erfassung und Aufbereitung von Betriebs- und Maschinendaten. Aber MES berücksichtigt auch andere Prozesse, die eine zeitnahe Auswirkung auf die Fertigung haben oder für statistische oder dokumentatorische Auswertungen benötigt werden.
Die Vorzüge von MES sind vielfältig. Als Faustformel kann gelten: Je komplexer und variabler der Produktionsprozess, desto größer auch der Nutzen eines eigenständigen MES.
Hier die wichtigsten Vorteile in Stichworten: MES
• verbessert die Produkt- und Datenqualität.
• vermeidet Chargenabweichungen.
• verringert Durchlaufzeiten.
• reduziert Bestände.
• vermeidet unnötige und überflüssige Schreibarbeiten.
• erzeugt und nutzt Synergien

MES im Zusammenspiel mit ERP und PCS

Doch warum werden die Funktionen eines MES nicht einfach im ERP oder Process Control System (PCS) implementiert? Die Antwort ist schnell gegeben: Das MES liegt in einer Softwarearchitektur unterhalb der ERP-Ebene. Die Trennung zwischen ERP und MES ist dadurch begründet, dass sich diese beiden Systeme technisch und sachlogisch unterschiedlichen Anforderungen gegenübersehen.
ERP-Systeme scheitern häufig an mangelnder Flexibilität, unnötigen Abgrenzungen oder überzoge-nen Berechtigungskonzepten. Wenn Funktionen und Prozeduren zur kaufmännischen Auftragsab-wicklung auf der Prozessleitebene abgebildet werden, wirken diese Systeme schnell überladen und verlieren dadurch ihre klare Struktur.
Ein eigenständiges MES hingegen ist keine einsame Insel in der Software-Landschaft, sondern ein zentraler Baustein im Workflow Prozess. Logisch liegt es in der Software-Architektur zwischen der oberen ERP-Ebene und der unteren Ebene, auf der beispielsweise Distributed Control System (DCS), Supervisor Control and Data Acquisition (SCADA), Process Control System (PCS) angesiedelt sind.
MES übernimmt bestehende Insellösungen und integriert eigenständige Software-Systeme wie ERP, PCS, Labor-Informations-Management-Systeme (LIMS) oder Prozessdatenarchivierung. Für eine empfohlene Zuordnung oder Aufteilung der Funktionen zwischen ERP und MES stehen in Deutschland die VDI-Richtlinien 5600 und das NAMUR-Arbeitsblatt NA 94.

Echtzeit

ERP-Systeme befinden sich auf der Ebene der Unternehmensverwaltung und setzen sich mit den die Produktion betreffenden Aspekten der Planung und der Materialwirtschaft auseinander. Im Wesentlichen geht es dabei um allgemeingültige Funktionen. Hier ist keine Verarbeitung in Echtzeit notwendig, eine Online-Verarbeitung ist absolut ausreichend. Auf dem nächsten Level befindet sich das MES. Früher, als die ERP-Systeme noch nicht so dominant vertreten waren, hätte man vielleicht noch zwischen MES und Collaborative Production Management Systeme (CPM) unter-schieden. Ein MES alter Ausprägung orientierte sich eher in Richtung Prozessleittechnik.
Auch auf dem MES-Level ist noch keine Echtzeit-Verarbeitung notwendig, jedoch kann für die eine oder andere Funktion eine sehr zeitnahe oder direkte Verarbeitung notwendig sein. Auf den unteren Ebenen liegen, wie oben angesprochen, die DCS, SCADA, PCS sowie Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) und Instrumente für die schlichte Aufnahme von Ein- und Ausgabesignalen. Diese Systemebene ist für die Anlagensteuerung vorgesehen und hat somit einen hohen technischen Bezug - einen Anlagenbezug. Ging es auf der ERP-Ebene noch um allgemeine Funktionen und zeitunkritische Verarbeitung, steht auf dieser Ebene ein Höchstmaß an Individualität und zeitkritischen Prozessen im Fokus. Genau hier - und an keiner anderen Stelle - ist direkte Verarbeitung in Echtzeit gefordert.

Zwei Welten, eine Lösung

Mit der obersten Ebene und der untersten treffen zwei Welten aufeinander. Diese beiden Welten sind unterschiedlich ausgerichtet und müssen dennoch zusammenarbeiten. In diesem Zuge dieser Zusammenarbeit gilt es, Unabhängigkeit zu erhalten und Prozesse nicht zu verwässern. Die beiden Blöcke benötigen vielmehr einen Vermittler, einen Dolmetscher. Die Lösung heißt: Ein unabhängiges MES bewahrt Unternehmen ihre Flexibilität auf allen Ebenen der Softwareland-schaft. Denn moderne MES-Applikationen sind unabhängig, orientieren sich zu einem guten Teil nach oben, zum ERP, und adaptieren sich vielfältig und standardisiert auf die Prozessleitebene.
Wenn man in einem Kreislauf von einem Anfang und Ende sprechen darf, dann liegen Start und Ziel auf einem Punkt. So entstehen Daten bei der Planung im ERP-System und kommen anschließend als Rückmeldungen in das ERP zurück und dienen dort wiederum als Basis für die nächste Planung. Quelle und Senke liegen also im ERP, daher erklärt sich die Affinität des MES zum ERP-System. Alles andere liegt auf dem Kreislauf der vertikalen Integration, auch das MES selbst. Ergebnis: Die Prozessleitebene wird mit Auftragsdaten versorgt und von Rückmelde- und Prozessdaten ent-lastet. Wenn in diesem neuen Kreislauf notwendige Arbeitsschritte sinnvoll verteilt werden, kann es passieren, dass Tätigkeiten, die bislang in der Arbeitsvorbereitung oder im Betriebscontrolling durchgeführt wurden, in die Produktion verlegt werden und umgekehrt. Vielfach können dadurch Tätigkeiten, die bislang manuell durchgeführt wurden, plötzlich automatisiert werden (etwa Wareneingang oder Verbrauch durch Rückmeldekarte). Das Umshiften der Tätigkeiten darf weder als umständlich noch als unnötiger, zusätzlicher Aufwand empfunden werden. Vielmehr muss die Koexistenz der Kollegen, der Abteilungen und der Systeme herausgestellt werden. Dies wiederum ist die Aufgabe der Optimierungsmethoden.

Die Prozessoptimierung

Geht es um Prozessoptimierung, so gibt es verschiedene Methoden und Philosophien: Lean, Six Sigma, TPM, Kaizen, jeweils in der reinen Form oder in einer Ableitung- oder Mischform. Wer sich jedoch mit verschiedenen Optimierungsmethoden auseinandersetzt, wird sehr schnell feststellen, dass verschiedene Prozessschritte, Teilaufgaben, Erkenntnisse, Hilfsmittel und Aktionen immer wieder vorkommen, weil diese Punkte allgemeingültig sind. Und diese Allgemeingültigkeit wird bei der Einführung eines MES genutzt.
MES wird als Softwareapplikation deshalb nicht mehr eingeführt, wie das früher üblich war: Hier ist das neue Programm, alle anderen haben sich ab sofort danach zu richten. Stattdessen wird die MES-Software im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses schrittweise eingeführt.
Das bedeutet auch, die Mitarbeiter mitzunehmen und zu qualifizieren mit der Folge, dass sie sich anschließend mit jeder Phase des neuen Verfahrens und dem neuen System insgesamt identifizieren.
Hersteller einer solchen MES-Applikation ist beispielsweise die btec-Software GmbH, ein Lösungsanbieter zur Realisierung von Prozessoptimierungen in der Produktion aus Bergisch Gladbach.
Diese MES-Lösung ist modular und skalierbar aufgebaut. Durch die gesamte Applikation wie auch durch alle einzelnen Module zieht sich ein roter Faden der Verarbeitung. Damit wird der Ablauf in der Prozessindustrie abgebildet. Auf diesem roten Faden befinden sich an mehreren Stellen besondere Punkte. Unterschiedlich ausgeprägte Prozesse spezifischer Branchen werden auf sogenannte Programm Exit Points durch austauschbare, branchenspezifischen Programmteile verwirklicht. Von daher liegt hier nicht etwa eine individuelle Programmierung vor, sondern vielmehr die Realisierung durch standardisierte „Best Practice" Module.
Wichtig ist: Mit dieser Lösung werden Daten nur einmal erfasst (automatisch, manuell oder gelesen) und können gleichzeitig und mehrfach von unterschiedlichen Seiten genutzt werden. Die Informationen sind über Abteilungsgrenzen hinweg verfügbar, Daten können zum bestmöglichen Zeitpunkt geprüft, korrigiert und weiter bearbeitet werden.

Doch zurück zur Prozessoptimierung: Indem Unternehmen softwareunterstützt Daten zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfassen und am Ort der Entstehung prüfen und korrigieren können, reduzieren sie die Fehlerquelle „Faktor Mensch". Mitarbeiter können an dieser Stelle keine Fehler machen und deshalb auch keine Fehler in Umlauf bringen. Entsprechend muss der im Ablaufprozess folgende Kollege, der mit den Daten arbeiten muss, keine fehlerhaften Daten annehmen, gegebenenfalls zurückweisen oder gar mit zusätzlichem Aufwand bearbeiten.

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Im Zusammenwirken der einzelnen Funktionen zur Erreichung der betriebswirtschaftlichen Zielset-zung, nämlich Artikel und Halbfertigware, Zwischenprodukte und Rohstoffe zu produzieren, entstehen Daten, die, neu kombiniert, weitere Auswertungen ermöglichen.
Unternehmen versorgen per MES beispielsweise ihr Prozessleitsystem mit Auftragsdaten und haben somit Informationen über geplante Zeiten und Mengen. Sie erfassen die Ist-Verbrauchsdaten, Ist-Zeiten, die Ausbeute und den Ausschuss - allesamt Betriebsdaten zur Rückmeldung im Rahmen der vertikalen Integration.
Die Unternehmen erfassen ferner Laufzeiten, Unterbrechungen und Zeitereignisse für die Statistik und die technische Kontrolle. Wenn die Firmen jetzt noch in ihrer Produktion auf aktuelle Qualitäts-daten reflektieren, die im Produktionsprozess entstehen, haben sie bereits alle Faktoren, die nötig sind, um die Overall Equipment Effectiveness (OEE) berechnen zu können. Die OEE war nur ein Beispiel, das aber zeigt, dass eine Kennziffer (wie eben die OEE) nicht dadurch entsteht, dass sie speziell und mit zusätzlichem Aufwand erfasst wird. Im Gegenteil: Sie entstehen größtenteils während des ganz normalen Prozessablaufs, wenn auch einzelne Faktoren zusätzlich kommentiert werden können und sollten.
Die maschinelle Erfassung von Betriebs- und Maschinendaten und deren statistische Auswertung können wiederum als Grundlage für eine Engpass- oder Schwachstellenanalyse herangezogen wer-den. Und so kommt das Unternehmen, das MES gezielt einsetzt, in den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung. Auch während des normalen Tagesgeschäfts hilft das MES Operational Excellence zu erhalten, indem es latent Anreiz zu weiteren Verbesserungen gibt. Dabei können Statusmeldungen, Statistiken und Warnsignale für jedermann sichtbar in einem Cockpit oder auf einem Dashboard angezeigt werden.
MES hilft Unternehmen also, ihre Produktion lean und flexibel, sauber und ausbaufähig auf-zustellen. Doch mit dem Erreichen von Operational Excellence allein ist der Wettlauf um Marktanteile und bestmögliche Auslastung der eigenen Produktion noch nicht zu Ende. Gerade Deutschland und Mitteleuropa sollten sich vor dem Irrglauben schützen, dass der Vergleich mit Osteuropa und Asien nur über eine schlanke Organisation zu gewinnen ist. Was die westlichen Industriestaaten unterscheidet und letztendlich dazu führen wird, die Nase vorne zu haben, sind ausgereifte Technik und Innovation. Auf Basis einer exzellenten Produktion und eines technisch ausgereiften Herstellungsprozesses innovative Produkte zu fertigen - genau das ist Ziel und Ans-pruch eines MES.