Ralf Dümpelmann, Clariant: F&E-Netzwerk, Menschen global vernetzt
Schneller, motivierter, effizienter
In vielen namhaften Industrieunternehmen wird Forschung und Entwicklung (F&E) groß geschrieben, denn davon ist deren Weiterentwicklung, Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft abhängig. Eine der wesentlichen Herausforderungen der F&E-Bereiche ist es, ihre Mitarbeiter zu fördern, und deren Fähigkeiten innerhalb des Konzerns bestmöglich zu nutzen.
Natürlich ist auch für ein global tätiges Unternehmen wie Clariant (21.000 Mitarbeiter, rund 5,2 Mrd. € Umsatz) F&E ein wichtiges Thema. Um das Wissenspotential der Chemiespezialisten aller Divisionen und Standorte optimal nutzen zu können, sind verschiedene Organisationseinheiten auf mehreren Ebenen nötig. Das Unternehmen ist aufgeteilt in vier Divisionen: Textile, Leather and Paper Chemicals (TLP), Pigments & Additives (PA), Functional Chemicals (FUN) und Masterbatches (MB). Jede Division unterhält ihre eigene F&E-Einheit, deren übergeordnete Koordination in der Hand von Group Technology liegt.
Für die konkrete Umsetzung sind die Divisionen selbst zuständig. Als repräsentatives Beispiel wird im Folgenden die Abteilung F&E im Geschäftsbereich Textile der Division TLP vorgestellt. Ihre Aufgabe ist es, nicht nur möglichst effizient innovative Produkte und Prozessverbesserungen zu erzielen, sondern auch ein funktionierendes globales F&E-Netzwerk zu bilden, das es den etwa 30 Experten, die auf der ganzen Welt verstreut sind, ermöglicht, sich untereinander auszutauschen und zu unterstützen.
Von der separierten zur globalen F&E-Einheit
In diesem Textilbereich waren in der Vergangenheit die F&E-Abteilungen kleiner als heute und als Teilbereiche einzelnen Geschäftseinheiten unterstellt. Dadurch waren viele Spezialisten von ihren F&E-Kollegen organisatorisch getrennt. Das Hauptaugenmerk lag auf der spezifischen Produktentwicklung und deren Problemstellung. Was die anderen Forscherkollegen an ähnlichem Know-how hatten, bekamen sie oft gar nicht mit.
Der Bereich Textile war bis vor knapp einem Jahr noch in Textilfarbstoffe und Textilchemikalien unterteilt. Das Team der Textilfarbstoffe erkannte die Schwierigkeiten der kleinen F&E-Einheiten schon vor etwa vier Jahren und begann, eine übergreifende F&E-Abteilung zu bilden. Aufgrund der guten Erfahrungen, die das Team der Textilfarbstoffe mit dieser Umstrukturierung gemacht hatte, wurde die Idee einer weltumfassenden F&E-Einheit im Zuge der Zusammenführung zum Bereich Textile übernommen. Die der Abteilung immanente Struktur richtet sich nun nicht mehr nach den Produktgruppen, sondern nach den Fachkompetenzen der Spezialisten. So gibt es verschiedene Kompetenz-Teams zu Forschungsbereichen wie Synthese, Polymere, Formulierungen oder Prozessentwicklung, deren einzelne Mitglieder auf verschiedenen Kontinenten leben und arbeiten. Die trotz der Entfernungen enge Zusammenarbeit der Spezialisten ermöglicht es, ihre fachliche Kompetenz auf bestimmten Gebieten zu erhöhen und somit die Problemlösung in verschiedenen Projekten zu beschleunigen.
Die Matrixorganisation
In der Praxis bedeutet das eine Matrixorganisation. Produktmanager der verschiedenen Business Lines setzen sich mit Vertretern der Abteilung F&E zusammen, um ihre Ideen und Problemstellungen zu besprechen und Projekte zu definieren. Dass alle Entwicklungsvorschläge und Forschungsmaßnahmen nicht gleichermaßen berücksichtigt werden können, ist selbstverständlich. Daher werden im Rahmen dieser Treffen Prioritäten gesetzt auf besonders wichtige und viel versprechende Projekte. Zusammen werden dann geeignete Projektleiter und zusätzliche Experten aus den betreffenden Kompetenzbereichen ausgewählt, die in interdisziplinären Teams gemeinsam an der Lösungsentwicklung arbeiten.
So geschah es z.B. in den vergangenen Jahren bei der Entwicklung von neuen Säurefarbstoffen, den Nylosan S Typen der Clariant. Die Farben sollten einen besonders hohen Aufbau aufweisen, da dieser z.B. für das Färben von Mikrofasern notwendig ist. Außerdem sollten sie waschecht, aber gleichzeitig metallfrei und damit ökologisch unbedenklich sein. Mit diesem Kundenwunsch wandten sich die Produktmanager an die F&E-Fachleute. Diese berieten in kleinem Kreis, wer sich mit dieser Aufgabe auseinandersetzen sollte. Der ausgewählte Chemiker musste zunächst neue Moleküle entwickeln, die diese Eigenschaften erfüllen. Das war für ihn eine hochinnovative und spannende Arbeit mit vielen möglichen Ansätzen. Ziemlich rasch wurde der Produktformulierer zu Rate gezogen Dieser stellte bei einem sehr interessanten Zielmolekül ein Formulierungsproblem fest, das es gemeinsam zu beheben galt. Nach erfolgreicher Entwicklung und Formulierung des dann ausgewählten Moleküls kam auch der Prozessentwickler ins Spiel, der schließlich die Herstellung des neuen Farbstoffs konzipierte. Die Entwicklung des neuen Nylonfarbstoffs wurde somit durch die Matrixorganisation der F&E-Einheit Textile erheblich verbessert und beschleunigt, denn durch die Zusammenarbeit der Spezialisten, die sich mit ihrem Know-how gegenseitig ergänzen und unterstützen, wird mit dem höchsten Grad an Wissen geforscht, das dem Unternehmen zur Verfügung steht.
In diesem Falle befanden sich die Fachkompetenzen am selben Standort, doch bei der Entwicklung eines neuen Dispersfarbstoffs spielte der globale Aspekt des F&E-Netzwerks eine größere Rolle. Entwickelt wurde dieser Dispersfarbstoff zunächst in der Schweiz. Die Verfahrensverbesserung und Produktion des Produktes fand jedoch in China statt. Die chinesische Chemikerin, wurden in der Schweiz drei Wochen geschult und hielt dann engen Kontakt zu ihren Schweizer Kollegen, die bei Problemen in der Prozessentwicklung immer wieder helfend eingreifen konnten. Ein schönes Beispiel für die Ergänzung von Fachkompetenzen auch über die Landesgrenzen hinaus. Für viele Mitarbeiter ist diese Umstellung vom Spezialisten, der für ein Produkt alles macht, hin zur Arbeit im interdisziplinären Team nicht immer einfach, doch ein hoher Grad an Offenheit und Austausch bildet die Basis für schnelle Erfolge.
Informationsaustausch
Um die Mitarbeiter weltweit über die jeweilige Arbeit der F&E-Teams zu informieren, wird eine Datenbank verwendet. Dort sind alle laufenden, sowie auch die erledigten Projekte mit dem jeweiligen Projektleiter aufgelistet. Außerdem finden sich die Kontaktpersonen der jeweiligen Fachkompetenzen, an die sich Mitarbeiter aus Produktionsstätten oder technischen Labors aus allen Standorten mit ihren Problemen und Fragestellungen wenden können. Dies steigert für alle ganz wesentlich die Transparenz der F&E-Arbeit und verhindert parallele Forschung an demselben Gegenstand.
Doch Ansprechpartner und Datenbanken sind nur die halbe Miete. Ohne persönliche Kontakte ist ein globales Netzwerk nicht effektiv umsetzbar. Daher veranstaltet Textile jedes Jahr einen globalen F&E-Workshop, zu dem die weltweiten Chemiker der F&E-Fachkompetenzen sowie Vertreter der einzelnen Business Lines von Textile eingeladen werden. Neben Vorträgen und Projektvorstellungen wurden die Teilnehmer befragt, auf welche Aspekte eines globalen Netzwerkes sie besonderen Wert legen. Der Schwerpunkt lag in den persönlichen Kontakten, denn diese bilden die Basis für produktive Zusammenarbeit und globale Projektbearbeitungen. Dieser Wunsch nach mehr gemeinsamen Projekten und Interaktionen wird mit dem globalen Netzwerk nun noch weiter vertieft.
F&E-Netzwerk als Motivator
Die Einteilung in fachliche Kompetenzen einerseits und die Übertragung von Verantwortung im globalen Netzwerk andererseits hat nicht nur Auswirkungen auf die Effizienz der Arbeit, sondern auch auf die Motivation der Mitarbeiter. Zum einen kann sich jeder auf sein Gebiet spezialisieren, an dem er sowieso Interesse und Freude hat, und zum anderen wird der Kontakt mit anderen Spezialisten auf demselben Gebiet ermöglicht und weltweite Projekte gefördert. Außerdem können über die Ansprechpartner der Fachkompetenzen die richtigen Kollegen der anderen Geschäftseinheiten und Divisionen sehr gut miteinander verknüpft werden.
Wer mit Kollegen aus aller Welt zusammenarbeitet, weiß aber auch um die Probleme, die damit verbunden sind: Dazu zählen sprachliche Barrieren und kulturelle Unterschiede genauso wie ein unterschiedliches Ausbildungsniveau, das teilweise zusätzliche Trainings erfordert. Doch diese Schwierigkeiten sind keinesfalls unüberwindbar, sondern werden von den Mitarbeitern konstruktiv gelöst. Das globale Netzwerk der F&E-Einheit Textile ist noch jung, bietet aber ein interessantes, herausforderndes und ergebnisorientiertes Arbeitsumfeld für seine Mitarbeiter, die weltweit innovative Produkte und Prozesse entwickeln und so Clariant als modernes, global tätiges Chemieunternehmen unterstützen.