Präzisionsmedizin vor dem Durchbruch
Pharma-Manager erwarten bei künftigen Produktentwicklungen F&E-Einsparungen in Höhe von 17%
Allein die größten börsennotierten Pharmaunternehmen investierten im vergangenen Jahr weltweit 130 Mrd. EUR in Produktinnovationen und den Aufbau einer robusten Produktpipeline. Im stetigen Kampf um das nächste Blockbusterpräparat verändert nun die Präzisionsmedizin (Personalisierte Medizin) mit ihrer Kombination aus Detailverständnis über Erkrankungen sowie digitaler Datenerhebung und -analyse das Geschäftsmodell der Pharmabranche grundlegend und zeigt neue wirtschaftliche Chancen auf: Nur 22% der befragten Pharma-Manager erwarten keine Kostensenkung durch Präzisionsmedizin. Diejenigen, die eine Reduktion der Entwicklungskosten erwarten, schätzen diese auf durchschnittlich 17%. Für Deutschland bedeutete das etwa Einsparungen bei den Forschungs-und Entwicklungsbudgets der Pharmaunternehmen in Höhe von 1,05 Mrd. EUR pro Jahr. 75% sind der Ansicht, dass zudem die durchschnittliche Entwicklungszeit eines Produkts von aktuell 10 Jahren im Schnitt um 8 Monate verkürzt werden könnte. Das sind einige der zentralen Ergebnisse der Studie „Capitalizing on Precision Medicine – How Pharmaceutical Firms can shape the Future of Healthcare“ von Strategy&, dem Strategieberatungsteam von PwC. Für die Studie wurden im Frühjahr 2017 weltweit über 100 Pharma-Manager online befragt.
Die Mehrheit der Befragten steht der Präzisionsmedizin dabei sehr positiv gegenüber. 92% sehen sie als eine große Chance für die Pharmabranche und 84% geben an, dass die Präzisionsmedizin bereits auf der Agenda des eigenen Unternehmens steht. „Besonders vor dem Hintergrund der wachsenden Kostensensibilität der Branche sowie dem stetigen Zwang, die Wirksamkeit der Produkte in klinischen Studien nachzuweisen, bietet der verstärkte Einzug digitaler Technologien der Pharmaindustrie einzigartige Möglichkeiten. Mittelfristig sind mit der Präzisionsmedizin kleinere und dafür spezifischere Tests möglich, die die Zeit zur Marktreife verkürzen und eine Zulassung auf Basis der validen Testergebnisse wahrscheinlicher machen. Spannend bleibt die Frage, welche Player schnell genug reagieren, um sich über die Präzisionsmedizin strategische Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, nachdem die Pharmabranche als eher wenig risikobereit bekannt ist und lange Entwicklungszyklen gewohnt ist“, erläutert Stephan Danner, Geschäftsführer und Pharma-Experte bei Strategy& Deutschland.
Auch die befragten Pharma-Manager sind sich darüber bewusst, dass eine Kombination unterschiedlicher Fähigkeiten erforderlich ist, um die Technologien der Präzisionsmedizin erfolgreich zu nutzen. Am wichtigsten sind nach Meinung der Befragten Kompetenzen im Bereich der Datenanalyse. So halten 64% die Fähigkeit, durch Präzisionsmedizin individuelle Patientendaten mit klinischen Outcomes Daten zu korrelieren, für besonders ausschlaggebend. 49% nennen die Datenanalyse und -interpretation, 48% die grundsätzliche Herausforderung, überhaupt relevante Daten zu generieren. Doch auch medizinische Expertise ist nach Ansicht der Pharma-Manager weiterhin zentral. 35% halten die Fähigkeit, Ergebnisse aus der Präzisionsmedizin in Therapien zu übersetzen und anzuwenden, für wichtig und 34% nennen das Verständnis von Erkrankungen als relevante Kompetenz. Experten erwarten neue, zielgerichtete Therapien für Patienten (87%), insbesondere im Bereich der Krebsmedizin (91%).
Um diese Fähigkeiten zu erlangen, orientiert sich die Mehrheit nach außen. 87% sehen in gezielten Kooperationen abseits der Pharmabranche die einfachste Möglichkeit. 65% denken darüber nach, für den Bereich Präzisionsmedizin externe Talente und Experten einzustellen, während 58% überlegen, zu diesem Zweck interne Kompetenzen aufzubauen. 30% ziehen auch Fusionen bzw. Aufkäufe in Betracht. „Mit Blick auf die im großen Stil angestrebten Kooperationen mit Tech-Unternehmen und anderen Healthcare-Playern ist schnelles Handeln ebenso gefragt wie eine sorgfältige Auswahl der richtigen Partner. Durch zum Beispiel die Auslagerung von Datenanalysen begeben sich die Pharma-Unternehmen in eine Abhängigkeitsbeziehung und müssen ihren Partnern vertrauen, dass diese akkurat und zuverlässig arbeiten. Zudem müssen fundamentale Fragen nach dem Datenschutz, Zugriffs- und Nutzungsrechten geklärt werden, ehe transparente Kooperationen möglich sind und am Ende des Prozesses die bestmögliche Behandlung der Patienten stehen kann. Nicht selten kommt es zu kulturellen Schwierigkeiten aufgrund der sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen zwischen agilen Startups und eher traditionellen Pharmaunternehmen.“, erläutert Dr. Thomas Solbach, Principal und Pharmaexperte bei Strategy&.
Für die Studie führte Strategy& eine webbasierte Umfrage unter Führungskräften der Pharmabranche durch. Insgesamt wurden über 100 Entscheider befragt, die 15 der Top 20 Pharmaunternehmen und damit 52% des globalen Umsatzes der Branche repräsentieren. In einem zweiten Schritt wurden für die Studie Einzelinterviews mit ausgewählten Studienteilnehmern arrangiert und durchgeführt, um so weitere Einblicke in die Unternehmen zu bekommen.