Anlagenbau & Prozesstechnik

Pneumatische Förderung von Schüttgut mit Schraubenverdichtern

Knauf und ISS setzen auf Schraubenverdichter von Aerzen

06.09.2022 - Für den Transport des gebrannten und fein gemahlenen Natursteins zwischen Gips- und Faserplattenwerk kommt bei Knauf ein Rohrleistungssystem zum Einsatz. Schraubenverdichter vom Aerzen Typ Delta Screw sorgen bei der pneumatischen Förderung für die energieeffiziente Druckluft und Volumenstrom des Schüttguts.

Die Energiewende sorgt auf dramatische Weise dafür, dass die Gipsindustrie in Zukunft immer mehr auf Natursteinvorkommen angewiesen ist. Eine gesamte Branche befindet sich um Umbruch, weil der in den Entschwefelungsanlagen von Braunkohlekraftwerken anfallende REA-Gips durch das Abschalten von Kraftwerken bald zur aussterben Art gehören wird. Dem gegenüber haben sich die Einsatzmöglichkeiten von Gips bis in die aktuelle Zeit hinein immer weiter diversifiziert: Feuerhemmende oder wasserabweisende Gipskartonplatten, Putze, Fließestrich oder Gipsfaserplatten zeigen allein die Möglichkeiten innerhalb der Baubranche. Gips lässt sich nicht mehr wegdenken. Umso wichtiger ist es für führende Hersteller wie Knauf, sparsam mit den begrenzten Rohstoffen umzugehen.

Der Hunger nach Gips

Knauf führt im Werk Rottleberode etwa den bei der Herstellung von Gipsfaserplatten entstehenden Kantenbruch genauso in den Materialfluss zurück, wie die Stäube beim Schleifen der Oberflächen. „Jeder Krumen Gips ist für uns wichtig. Deshalb soll nichts mehr bei der Produktion entsorgt werden“, betont Werkleiter André Materlik. Sein Betrieb ist innerhalb der Knauf-Gruppe der Einzige, der ausschließlich Naturgips aus den Steinbrüchen im Südharz verarbeitet. Branchenexperten vertreten angesichts des Ausstiegs aus der Braunkohle die These, dass nur die Unternehmen bestehen, die sich Abbau­flächen langfristig erschließen und sichern. Zumal die Nachfrage nach Gips ist allein in Deutschland mit jährlich 10 Mio. t groß. In Rottleberode sind es nach Auskunft von Materlik jährlich etwa 450.000 t fertig verarbeitete Produkte, die dann mit täglich etwa 100 Lkw-Ladungen das Werk verlassen.

Stuckgips, feine Zellulose aus Altpapier und Wasser: Das ist die Mischung, aus der Gipsfaserplatten hergestellt werden. Für die Versorgung der Mischer kommen Blasanlagen zum Einsatz, die die ISS Schüttguttechnik aus Wilnsdorf im Siegerland projektiert und baut. ISS hatte bereits vor dem Neubau des Faserplattenwerks bei Knauf einen guten Job gemacht und hierbei unter anderem die Probleme beim Fördern und Dosieren von Braunkohle­staub überzeugend in den Griff bekommen. Der Brennstoff entwickelt die nötige Hitze für das Kalzinieren der Rohsteine. Dabei verliert der Naturgips einen Großteil seines Kristallwassers. „Für gleichmäßige thermische Prozesse ist die konstante Förderung der Braunkohle ohne Druck- oder Volumenschwankungen unabdingbar“, erklärt der Werkleiter. Jede Abweichung von der Ideallinie sei spürbar: Bei der Produktqualität des Stuckgips, den Ablagerungen in der Kalziniermühle, den CO-Werten im Abgasstrom oder auch beim Energiebedarf der Schraubenverdichter. „Gleichmäßige Prozesse brauchen weniger Luft“, weiß ISS-Vertriebsgeschäftsführer Robert Partzsch aus Erfahrung zu berichten.

Prozesssicher mit hohem Wirkungsgrad

Bei der Stuckgipsförderung legt ISS deshalb auch sein gesamtes Know-how in die Entwicklung einer Gesamtlösung, die in Rottleberode gemeinsam mit den Anlagenplanern der Knauf Engineeringgesellschaft entstanden ist. Das Unternehmen unter dem Dach von Knauf hat von Iphofen aus den kompletten Neubau geplant und hierbei auch die Fördertechnik beauftragt. Dabei lagen die Hauptaugenmerke auf der Prozesssicherheit, der Langlebigkeit und der Energieeffizienz. „Für die Schraubenverdichter von Aerzen spricht der hohe Wirkungsgrad“, sagt Partzsch. Zudem empfiehlt sich die Reihe Delta Screw mit ihrem Druckbereich, der ideal für den Transport von Stuckgips geeignet sei.

Hierbei ist zu wissen, dass nach Erfahrung des ISS-Geschäftsführers in der pneumatischen Förderung von Schüttgütern häufig zunächst Druckluft mit 5 bis 6 bar erzeugt wird, um damit einen Windkessel zu speisen. Dieser stellt dann den oftmals deutlich niedrigeren Förderdruck zur Verfügung. „Zwischenpufferungen haben immer Energieverluste zur Folge“, unterstreicht Thomas Koch, Leiter technische Mechanik im südharzer Knauf-Werk. Als Beleg für diese Aussage ist der Joule-Thomson-Effekt zu nennen. Jede Druckerhöhung um 100 mbar zieht durch die erhöhte Reibung der Moleküle einen Temperaturanstieg in der komprimierten Luft von 10 K nach sich. Die Auswirkungen dieses physikalischen Zusammenhangs lassen sich begrenzen, wenn auf Windkessel – so wie bei Knauf – verzichtet wird. Da jedoch bei der pneumatischen Förderung die Entstehung von Wärme nicht ganz zu verhindern ist, nutzt Knauf diese im Winter mit einer Rückgewinnung für Heizzwecke.

 

Unnütze Energie erst gar nicht verbrauchen

Angesichts der Tatsache, dass es immer besser ist, Strom erst gar nicht zu verbrauchen, statt ihn später aufwändig als Wärme zurückzuführen, muss gerade in der energieintensiven Druckluft das Ziel lauten Verdichter einzusetzen, die den geforderten Volumenstrom ohne Zwischenspeicherung mit exakt dem notwendigen Druck liefern. „Aerzen ist in dem Bereich von 2 bis 3,5 bar einfach führend“, merkt Partzsch an. „Warum soll ich sechs bar erzeugen, wenn ich nur drei brauche?“

Die Delta Screw Einheiten vom Typ VM21 liefern mit einer Motorleistung von 90 kW einen Volumenstrom von 1.200 m³ in der Stunde. Der Maximaldruck beträgt 3,5 bar. Die bei Knauf eingebaute Generation 5 der Delta Screw Baureihe sind als Universalmaschinen konzipiert – mit einem großen Augenmerk auf Effizienz. Entwickelt als flexibler Baukasten lassen sich die unterschiedliche Verdichtereinheiten mit Motoren variierender Leistung sowie dem umfangreichen Zubehörprogramm passend konfigurieren. Einstellmöglichkeiten des Riemenantriebs schaffen dabei bspw. die Grundlage, den Volumenstrom auch bei Festdrehzahlen passgenau einzustellen – dieses mit dem Ziel, energieintensiv erzeugte Überschüsse zu verhindern. Dieser Anspruch findet sich ebenfalls wieder im Verzicht auf Redundanz. Verdichter und Fördersystem arbeiten so verlässlich, dass auf gesonderte „Back-up-Technik“ verzichtet werden kann. „Die Anlage ist ausgelegt für 12 t Gips in der Stunde“, sagt Thomas Koch. Geht ein Aggregat vom Netz, sorgt eine temporär geschaltete Bypasslösung für Versorgungssicherheit. „Generell sieht unser Aufbau aber vor, dass ein Verdichter immer eine Anlage bedient.“

Hohe Effizienz durch optimale Auslegung

Die im Zuge des Neubaus des Faserplattenwerks von Knauf im Südharz neu gebauten Blas­anlagen zur pneumatischen Förderung von Stuckgips zeigt, worauf es heute bei dieser verlustreichen und damit teuren Energie ankommt: Effizienzsteigerung durch hohen Wirkungsgrad und optimale Auslegung auf den Betriebspunkt. Knauf verfolgt deshalb bei der Ausrüstung seiner Werke einen klaren Systemgedanken. „Es ist die Kombination aus naturwissenschaftlichen und technischen Kenntnissen, die die Lösung von ISS ausmacht. Hier ist alles im Einklang“, freut sich Werkleiter André Materlik.

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