Anlagenbau & Prozesstechnik

Optimierung des Brennstoffeinsatzes in Chemieanlagen

Checkliste zur Nutzung von alternativen Brennstoffen oder Reststoffen

02.10.2022 - Die Energiewende und die aktuelle Energiekrise zwingen Unternehmen dazu, sich mit alternativen Energien zu befassen auseinanderzusetzen, um unabhängiger von den klassischen Brennstoffen Erdgas, Öl sowie Braun- und Steinkohle zu werden. Beispielsweise kann die Nutzung von Reststoffen im jeweiligen Betrieb möglich sein. Mit der nachfolgenden Checkliste lässt sich abschätzen, ob ein Ausbau der Anlage infrage kommt und sich wirtschaftlich rentiert.

Als Betreiber einer Anlage muss man eine stetige und redundante Energieversorgung gewährleisten, damit sensible Produktionsvorgänge nicht durch einen Energieausfall unterbrochen oder unwirtschaftlich werden. Für wärmetechnische oder verfahrenstechnische Prozesse werden dazu herkömmlicherweise gasförmige, flüssige oder feste Brennstoffe verwendet.

Die Energiewende, aber nicht zuletzt auch die geopolitische Lage im Osten Europas, sind ein großer Antrieb für die Wirtschaft sich mit alternativen Energien auseinanderzusetzen und unabhängiger von den klassischen Brennstoffen Erdgas, Öl sowie Braun- und Steinkohle zu werden. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten, bspw. den Ausbau erneuerbarer Energien mit angeschlossener Wasserstofferzeugung, um die Energie mittels grünem H2 lagerfähig zu machen.

Ein weiterer Weg, der kurzfristig umgesetzt werden könnte, besteht darin, die aktuell in der Produktion verwendeten Brennstoffe besser auszunutzen und vorhandene Reststoffe weitestgehend zu verwerten oder Brennstoffe mit biogenen Anteilen einzusetzen, die zu geringeren CO2-Emissionen führen. Ein erster Schritt dahingehend ist die Prüfung, ob eine Optimierung des bestehenden Brennstoffeinsatzes durch die Nutzung von Reststoffen im jeweiligen Betrieb möglich ist, denn dazu sind häufig bauliche Veränderungen in der Anlage notwendig. Um abzuschätzen, ob der Ausbau der Anlage infrage kommt und sich wirtschaftlich rentiert, lassen sich anhand der nachfolgenden Check-Liste die Grundvoraussetzungen für eine Reststoffnutzung prüfen.

Schritt 1: Erfassung Istbestand

  • Zusammenstellung der Stoffdaten und maximalen Einsatzmenge pro Stunde je Brennstoff im Normalbetrieb zusammen. (Für den Anfahrbetrieb lohnt sich in der Regel kein Wechsel des Brennstoffes wegen der aufwendigen Überwachung.)
  • Verbrennungsschema oder R+I heraus­suchen und auf Aktualität überprüfen
  • Verbrennungsrelevante Messgrößen der vorhandenen Anlage auflisten:
    → Messung der Verbrennungsluft vorhanden?
    → Luftstufung Primär- und Sekundärluft vorhanden?
    → Sauerstoffmessungen am Ende des Brennraumes vorhanden?
    → CO-Messungen am Ende des ­Brennraumes vorhanden?
    → Kontinuierliche Emissionsmessungen am Kamin vorhanden?
    → Aufstellflächen mit Anfahrmöglichkeit von Lkws oder Bahnwaggons für ein Tanklager
        (gasförmig oder flüssig) vorhanden
  • und/oder
    → Aufstellflächen zum Umschlagen von Feststoffen (staubförmig oder stückig) vorhanden?
    → Platz/Anschlussmöglichkeiten für zusätz­liche Einrichtungen im Bereich Brenner­ vorhanden
        (gasförmig, flüssig, fest)? (Fotos erstellen oder Zeichnungsausschnitte raussuchen)

 

© weyer

Beispielhafter Herstellungsprozess von grünem Wasserstoff

 

Schritt 2: Auflistung möglicher Ersatzbrennstoffe

  • Welche Ersatzbrennstoffe fallen im eigenen Werk an oder sind in der näheren Umgebung verfügbar?
  • Stoffdatenblätter zu den einzelnen Brennstoffen beschaffen

Schritt 3: Machbarkeitsstudie

Nach Zusammenstellung der Unterlagen von Schritt 1 und 2 sollte ein verfahrenstechnisches Ingenieurbüro eingebunden werden. Die technische Machbarkeit wird als Grobkonzept geplant und mit einer überschlagsmäßigen Kostenschätzung sowie Empfehlung versehen.

Schritt 4: Prüfung der erforderlichen ­genehmigungsrechtlichen Schritte

Auf Basis der Machbarkeitsstudie wird der Umfang der Anlagenänderung genehmigungsrechtlich betrachtet. Hierzu kann gegebenenfalls auch schon ein Kontakt zur Aufsichtsbehörde nützlich sein, zwecks Festlegung des erforderlichen Genehmigungsverfahrens. Als Ergebnis wird die Genehmigungsfähigkeit mit den zu erwartenden Auflagen aufgezeigt.

Schritt 5:  Detail Engineering und Genehmigungsplanung

Nach Entscheidung zur Realisierung einer Änderung oder Erweiterung der eingesetzten Brennstoffe erfolgt die weitere Projektbearbeitung mit den entsprechenden Detail- und Genehmigungsplanungen.

Sobald die ersten beiden Schritte der Checkliste abgearbeitet sind, sollte, wie in Schritt 3 beschrieben, ein externes Ingenieurbüro konsultiert werden. Im besten Fall wird das Projekt von der Machbarkeitsstudie über das Basic Engineer­ing, das Genehmigungsmanagement bis hin zum Detail Engineering und der Inbetriebnahme begleitet. Durch die dauerhafte Begleitung des Projektes müssen keine neuen Dienstleister einbezogen werden und in der Abwicklung kann immer auf den Projektkenntnisstand der Expertinnen und Experten zurückgegriffen werden. Mit der obenstehenden Check-Liste besteht die Möglichkeit, vorab grundsätzliche Themen zu klären und gegebenenfalls alternative Lösungen zu finden.

Autor: Franz-Josef Kipshagen, Senior Projektingenieur im Bereich Anlagensicherheit, Horst Weyer und Partner

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