Chemie & Life Sciences

One-stop-shop für die industrielle Biotechnologie

Neue Multipurpose-Anlage im Hafen Straubing adressiert industrielle Bioökonomie

17.03.2021 - In der Anlage Biocampus Multipilot, die im Hafen Straubing-Sand entsteht, können Verfahren der industriellen Biotechnologie in einen großtechnischen Maßstab überführt werden.

Auch darüber hinaus tut sich vieles in der deutschen Bioökonomie-Landschaft. Die Bundesregierung hat Ende 2020 ihren Bioökonomierat neu besetzt. Kohleregionen wie das Rheinische Revier und Mitteldeutschland nutzen Strukturwandel-Gelder für die biobasierte Wirtschaft, und Bayern veröffentlichte im November eine eigene Strategie zum Thema.

Integraler Bestandteil des bayerischen Papiers mit Schnittmengen zum Förderansatz des Bunds ist die Biocampus Multipilot (BMP), eine Mehrzweck-Demoanlage, die im Hafen Straubing-Sand entsteht. Hier können Verfahren der industriellen Biotechnologie in einen großtechnischen Maßstab überführt werden.
Der Fokus liegt auf lignocellulosischen Feedstocks und enzymatischen sowie fermentativen Prozessen mit umfassender, auf Kundenverfahren flexibel anpassbarer Aufarbeitungstechnik. Der Freistaat fördert den Anlagenbau mit 40 Mio. EUR. Es entsteht eine modulare Infrastruktur, die u.a. bis zu 25 m³ Reaktorkapazität bietet. Kunden können dort ihre Prozesse bis zum vorindustriellen Maßstab skalieren, optimieren, deren Wirtschaftlichkeit validieren und Produktmuster fertigen. Dabei sind diskriminierungsfreier Zugang und höchster IP-Schutz für Nutzer – von Start-ups über Großkonzerne bis zu Forschungseinrichtungen – garantiert.

Ziel: Abdecken einer Vielzahl zukunftsträchtiger Anwendungsbereiche

„Neben Maschinen und Anlagen bieten wir ein Portfolio synergetischer Dienstleistungen“, erklärt Thomas Luck, der für den Bauherrn Zweckverband Hafen Straubing-Sand die Anlage und deren Geschäftsmodell plant. Dazu zählten Prozessentwicklung, Vermittlung von Partnern aus Industrie, Forschung, Recht und Finanzierung, oder Beratung und Pre-Tests für Unternehmen, die Investitionen in eigene Demonstratoren planen. „So schaffen wir einen One Stop Shop, der kundenspezifische Fragestellungen adressiert und dazu beiträgt, bioökonomische Innovationen schnell marktreif zu machen. Für Fragen der Prozess­entwicklung können wir auch auf die Expertise der Wissenschaftler des Campus für Nachhaltigkeit und Biotechnologie der Technischen Universität München in Straubing zurückgreifen“, sagt Luck.

Ziel ist es, eine Vielzahl zukunfts­trächtiger Anwendungsbereiche abzudecken. Zunächst werden vor allem biobasierte Chemikalien, Treibstoffe und Polymere sowie Produkte aus dem Nutraceutical-Spektrum im Fokus stehen. Klar ist: Potenzielle Kunden haben unterschiedliche Zielsetzungen. Jüngere Unternehmen, die noch keine oder nur begrenzte eigene Produktionsinfrastruktur haben, zielen auf den One-Stop-Shop-Vorteil ab: „Für uns ist besonders attraktiv, dass Anlagen wie diese uns ermöglichen, verschiedene Produkte in einen relevanten Maßstab zu skalieren“, sagt Volker Wagner-Solbach, Procurement & Supply Chain Manager bei Amsilk.

„Neben Maschinen und Anlagen bieten wir ein Portfolio synergetischer Dienstleistungen.“

Thomas Luck, BioCampus Straubing

 

Andere, bspw. Clariant, sehen die neue BMP als Ergänzung zu bestehenden Aktivitäten – das Unternehmen betreibt bereits eine Demo­anlage für den Sunliquid-Prozess in direkter Nachbarschaft: „Mit unserem Sunliquid-Verfahren verfügen wir bereits heute über eine markt­reife, einsatzfähige Technologie zur Herstellung von Zelluloseethanol aus Agrarreststoffen in industriellem Maßstab. An der BMP inter­essiert uns neben der geplanten Fermenterkapazität vor allem die Möglichkeit, unsere Technologieplattform über die Produktion von Zelluloseethanol hinaus zur Herstellung biochemischer Zwischenprodukte weiterzuentwickeln“, erläutert Christian Librera, Vice President und Leiter der Business Line Biofuels & Derivatives bei Clariant. Für Forschungseinrichtungen und universitäre Spin-offs dürfte dagegen die flexible Anlagentechnik interessant sein, die Prozessvariationen mit umfassender Datengenerierung erlaubt.

Weitere Investitionen als Bestandteil des Biocampus-Konzepts

Auch, wenn bis zur geplanten Inbetriebnahme Mitte 2024 noch einige Zeit vergeht: In Straubing ist man zuversichtlich, dass die Anlage das Innovationsökosystem vor Ort, aber auch die Bioökonomie international sinnvoll ergänzen wird. „Die BMP ist Bestandteil unseres Biocampus-Konzepts, in das wir weiter investieren werden. Geplant sind die Erweiterung unseres Technologie- und Gründerzentrums mit modernen Labor- und Büroflächen, der Ausbau unserer Start-up-Unterstützung sowie die mittelfristige Ansiedlung der Straubinger Fraunhofer-Einrichtungen“, sagt Hafen-Geschäftsführer Andreas Löffert, „so wollen wir dazu beitragen, dass die Bioökonomie zum Game Changer wird“.

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