Nutzung geothermischer Energie für Lithiumgewinnung
Ein klimafreundlicher Batterierohstoff
CITplus: Herr Kreuter, die von Ihnen genutzte Technologie der direkten Lithiumextraktion wird in der Mining-Industrie bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Die Kombination mit geothermischer Energie ist jedoch eine Innovation und das Reservoir im Oberrheingraben ist eine Hoffnung für die europäische Batterieindustrie. Welches Potenzial schlummert hier?
Horst Kreuter: Die Potenziale sind umfassend und weitreichend. Richten wir den Blick auf die Mengen an Lithium, die gefördert werden können: Insgesamt lässt sich davon ausgehen, dass das im Thermalwasser gelöste Lithium ein theoretisches Produktionspotenzial für mehrere hundert Millionen Elektromobile besitzt. Allein Vulcan plant ab 2025 jährlich 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid zu fördern, eine Menge, die für eine Million E-Fahrzeuge jährlich ausreicht. Betrachten wir das Potenzial, das man durch den Einsatz von Tiefengeothermie heben kann, sprechen wir hier von rund einem Viertel des deutschen Wärmebedarfs. In Zeiten einer Energiekrise, ausbleibenden Gaslieferungen und der Notwendigkeit, den Anteil der Erneuerbaren im Strom- und Wärmesektor massiv zu erhöhen, sind dies Potenziale, die nicht vernachlässigt werden dürfen.
Vor dem Hintergrund manifestierter Rohstoffabhängigkeiten, der wachsenden Batterieindustrie und ihrer Bedeutung für die Wirtschaftsstandorte Deutschland und Europa: Welchen Beitrag kann klimaneutrales Lithium aus Deutschland leisten?
H. Kreuter: Die politische Positionierung gegenüber einer fossilfreien Mobilität und die damit verbundenen Zulassungszahlen von Elektroautos haben unmittelbar zu einer gesteigerten Nachfrage nach Lithium geführt. Die umweltschädlichen Aspekte der Abbaumethoden in Südamerika, Australien und China wurden durch die gesteigerte Nachfrage noch verstärkt. Die Unterbrechung internationaler Lieferketten durch die Coronapandemie hat zudem verdeutlicht, dass die deutsche und europäische Automobilindustrie vom Import von Lithium abhängig ist. Diese Importabhängigkeit von heutigen Lithium-Förderländern und die Marktmacht verschiedenster Unternehmen, sowie eine steigende Relevanz des europäischen Batteriemarktes machen es unerlässlich, dass Europa auf eine kurze Liefer- und Wertschöpfungskette setzt. Durch die Gewinnung von klimaneutralem Lithium, in einer der Schlüsselregionen der deutschen Automobilindustrie, können die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten und die Emissionen der Produktion verringert werden.
Herr Aicher, welchen Prozess muss das Thermalwasser durchlaufen, um das gelöste Lithium letztlich als greifbares und hochqualitatives Material für die Batterieindustrie nutzen zu können?
Thoams Aicher: Kurz und knapp gesagt: Die Thermalwässer des Oberrheingrabens weisen eine hohe Lithiumkonzentration auf. Über einen physikalischen Sorptionsprozess wird Lithiumchlorid an der Oberfläche des Sorbens angelagert und dann in einem zweiten Schritt mit klarem Wasser desorbiert. Im Detail ist das etwas komplizierter: Nachdem wir die Wärmeenergie des Thermalwassers für die Energieproduktion im Geothermiekraftwerk genutzt haben, fließt das „abgekühlte“ Thermalwasser mit Temperaturen zwischen 60 °C bis 90 °C in die nachgeschaltete direkte Lithiumextraktion. Nachdem wir das Thermalwasser auf Umgebungsdruck entspannt haben, beginnt der eigentliche Extraktionsprozess. Hierfür leiten wir das Thermalwasser durch eine Festbettschüttung des Sorbens, bestehend aus Partikeln mit einer Größe im Bereich von einem halben Millimeter. Bei diesem Prozess wird das gelöste Lithiumchlorid am Sorptionsmaterial gebunden. Ist das Sorptionsmaterial gesättigt, spülen wir es mit Wasser. Das Endprodukt ist eine Lithiumchlorid-Lösung, die anschließend in weiteren Prozessschritten gereinigt und für den Transport aufkonzentriert wird. Am Standort in Frankfurt Höchst wird unsere hochkonzentrierte Lithiumchlorid-Lösung mittels Chlor-Alkali-Elektrolyse in Lithiumhydroxid umgewandelt und in einem letzten Schritt eingedampft und getrocknet.
Der Begriff „direkte Lithiumextraktion“, der in der Literatur häufig verwendet wird, umfasst viele verschiedene Extraktionsverfahren – darunter die Flüssig-Extraktionen, elektrochemische Methoden, Membrantechnologien und die von Ihnen genutzten anorganischen Sorbentia. Welche Extraktionsmethode ist aus Ihrer Sicht am sinnvollsten?
T. Aicher: Jedes der von Ihnen angesprochenen Verfahren hat seine Vor- und Nachteile. Die einen nutzten große Mengen an Chemikalien, die anderen benötigen viel Frischwasser, wiederum andere sind für eine Hochskalierung des Prozesses weniger geeignet.
Da wir mit Thermalwasser arbeiten, das am Ende des Prozesses wieder in den Untergrund zurückgeführt wird, schließen wir den Einsatz von Chemikalien im Extraktionsprozess aus. Sicherlich ist auch der Einsatz elektrochemischer Methoden sinnvoll, allerdings besitzen all diese Verfahren noch nicht die technische Reife, die erforderlich ist, damit wir in wenigen Jahren im industriellen Maßstab Lithium produzieren können.
Die von uns verwendete direkte Lithiumgewinnung mittels Sorption zählt zu den am meisten erforschten Methoden und wird bereits seit über zwei Jahrzehnten im industriellen Maßstab in Südamerika eingesetzt.
Sind die gegenläufigen Schlüsselparameter „Extraktionseffizienz“ und „übertägige Fluidverweilzeit“ optimierbar und können Sie dieses Design in den Anlagenprozess der geplanten Demonstrationsanlage integrieren?
T. Aicher: Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren unterschiedliche Sorptionsmittel in unserer Pilotanlage über Tausende von Belade- und Regenerationszyklen mit Thermalwasser bestens erforscht. Hier haben wir ausgesprochen gute Ergebnisse erzielt, mit Extraktionseffizienzen von über 95 % bei Fluidverweilzeiten von unter einer halben Stunde. Das bislang produzierte Lithiumhydroxid hat eine hohe Reinheit und erfüllt sämtliche Marktkriterien. Insgesamt haben wir mit den Ergebnissen unserer Pilotanlage enorme Fortschritte erzielt und lassen die Ergebnisse unmittelbar in das Design der Demonstrationsanlage einfließen.
Wie beurteilen Sie das Potenzial zum Hochskalieren aller Anlagenkomponenten für das Design der industriellen Anlagen?
T. Aicher: Die Hochskalierung in den industriellen Maßstab war eine der grundlegenden Aufgaben bei der Anlagenplanung, um die Wirtschaftlichkeit unseres Projekts einzuschätzen. Unsere Pilotanlage läuft nun seit über eineinhalb Jahren Tag und Nacht und liefert dadurch wertvolle Daten zur verfahrenstechnischen Auslegung unserer industriellen Anlage. Diese Daten bilden eine solide Grundlage für die Hochskalierung der einzelnen Anlagenkomponenten. Darüber hinaus haben wir durch den Dauerbetrieb unserer Pilotanlage auch viel zum Langzeitverhalten des Prozesses gelernt.
Das Interview führte Etwina Gandert, Chefredakteurin CITplus.
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