Anlagenbau & Prozesstechnik

No Risk - No Fun?

29.07.2013 -

No Risk - No Fun? – Risikomanagement: Von der Bewertung zur konkreten Handlung.

Aufgabe des Supply Chain Risikomanagements ist, Risiken übernehmensübergreifend systematisch zu identifizieren und hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit und der quantitativen Auswirkungen zu bewerten.

Basierend auf dieser Bewertung sind geeignete Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung der Risiken auf strategischer, taktischer oder operativer Ebene einzuleiten.

Im Vergleich zu einzelnen Unternehmen weisen Supply Chains besondere Risiken auf.

Die Globalisierung der Supply Chains in der Prozessindustrie, zunehmende Konkurrenz und Kundenorientierung sowie kürzere Produktlebenszyklen haben zur Umsetzung moderner SCM Konzepte wie Single Sourcing, Global Sourcing, Contract Manufacturing, Lean Production und Just-In-Time geführt.

Hierdurch wird zwar eine Steigerung von Effizienz und Effektivität bewirkt, andererseits aber die Verwundbarkeit der Supply Chains erhöht.

Zusätzlich müssen zunehmend rechtliche Aspekte und Regulierungsanforderungen (z. B. Reach) berücksichtigt werden.

Die Minimierung von Sicherheitspuffern in Form von Beständen und Vorlaufzeiten sowie die Herabsetzung der Wertschöpfungstiefe führt zu einer starken Abhängigkeit der Supply Chain Partner untereinander.

So können weit entfernte Ereignisse durch die globale Vernetzung die lokalen Wertschöpfungsprozesse stark beeinträchtigen.

Ein wichtiges Ziel des Supply Chain Risikomanagements ist es, eine Verbesserung der Kennzahlen für Service Level, Kosten und Assets zu ermöglichen, ohne die Risikoprofile negativ zu beeinträchtigen.

 


Risikokategorien

Risiken können beispielsweise in verschiedene Kategorien wie Absatz und Distribution downstream in Richtung des Kunden und Einkauf / Beschaffung upstream in Richtung des Lieferanten unterteilt werden.

Hinzu kommen Risiken im Zusammenhang mit der eigenen Produktion, die durch Ausfall der Produktionsanlagen infolge technischer Ursachen, Störung der IT-Infrastruktur, Streiks oder Katastrophen bedingt werden können.

Absatzrisiken entstehen durch unerwartete oder stark schwankende Kundennachfrage, durch unzureichende oder fehlerhafte Information vom Kunden oder aufgrund von schlechter Zahlungsmoral oder insolvenzbedingten Zahlungsausfällen.

Distributionsrisiken stehen im Zusammenhang mit schlechter Qualität der Logistikleistung, stark schwankenden oder steigenden Kosten für Transport und Lagerung oder Transportkapazitätsengpässen.

Im Bereich Einkauf und Beschaffung bestehen Risiken durch Qualitätsprobleme, Preisschwankungen oder Kapazitätsengpässe auf dem Versorgungsmarkt. Die verschiedenen Risikoquellen sind bezüglich ihrer Bedeutung laut Umfragen unterschiedlich einzustufen.

Die größte Relevanz besitzen hiernach die taktischen und operativen Risiken in den absatz- und beschaffungsseitigen Abschnitten der Supply Chains.

Strategische Risiken im Zusammenhang mit Infrastrukturproblemen, Katastrophen oder auch Anschlägen werden oft überbewertet, tatsächlich weisen sie aber eine deutlich geringere Bedeutung als die taktisch-operativen Risiken auf.

Somit ergibt sich als Aufgabenstellung für das Supply Chain Risikomanagement, zunächst Transparenz durch systematische Identifizierung und Bewertung der Risiken und ihrer Abhängigkeit untereinander zu schaffen.

Diese Transparenz ermöglicht die Fokussierung auf die wichtigsten Risiken und die Ableitung geeigneter operativer oder taktischer Maßnahmen.

Hierbei zeigt sich häufig, dass Initiativen oder Werkzeuge bereits vorhanden sind, aber bisher im Supply Chain Kontext isoliert und nicht systematisch zur Risikominimierung eingesetzt wurden.

Auf der strategischen Ebene können nach Feststellung von Risikokapazität und Risikoappetit normative Strategien oder Sofortmaßnahmenvorlagen für Notfälle abgeleitet werden.

 


Risikomanagement-Ansatz

Der Risikomanagement-Ansatz fokussiert die operativ-taktische Ebene und sieht eine 5-stufige Vorgehensweise vor. Nach Festlegung des Umfangs des Risikomanagements erfolgt zunächst die Identifizierung der Risiken (und Chancen als „positive Risiken").

Im zweiten Schritt werden die Risiken quantitativ bewertet, wobei über die Eintrittswahrscheinlichkeit, die Schadenshöhe und die Risikovermeidungs- bzw. Verminderungskosten die Wirtschaftlichkeit möglicher Maßnahmen ermittelt wird. Anschließend erfolgen Strukturierung, Klassifizierung und Priorisierung der Risiken und die Analyse ihrer Zusammenhänge.

Im 4. Schritt werden Auswertungen zu den Risiken, wie Berichte oder eine Risikolandkarte erstellt und Handlungsoptionen verglichen.

Abschließend erfolgen Umsetzung und Kontrolle der ausgewählten Maßnahmen. Risikovermeidung ist ergänzend zu betrachten, weil diese entweder auf tiefgehenden Erfahrungen des Unternehmens basiert oder mittels Simulationen, Szenarien- oder Sensitivitätsanalysen abgeleitet werden muss.

Die individuelle Anpassung Ansatzes auf das jeweilige Unternehmen ist mit Details zu jedem der 5 Schritte in der Prozessmatrix dargestellt.

Eine Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Implementierung des Ansatzes ist die systematische Verankerung in einem geeigneten IT-Tool.

Von großer Bedeutung ist ebenfalls die organisatorische Einbettung des Risikomanagements. Empfehlenswert ist die Etablierung der Rolle eines Risikomanagers auf firmenweiter Ebene, an den lokale Risikomanager berichten.

Typischerweise kann diese Rolle als Stabsstelle unter der Leitung des Supply Chain Managements installiert werden. Unbedingt zu beachten ist eine organisatorische Trennung zwischen sach- und risikobezogenen Aspekten der Supply Chain, um einen intrinsischen Interessenkonflikt zu vermeiden.

 


Optionen zur Risikominimierung

Die Herausforderung der tatsächlichen Verringerung von Risiken liegt darin, aus der Bewertung und Priorisierung der Risiken konkrete zielführende Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen.

Risikohandhabung und -steuerung ermöglichen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil über die Vermeidung von Risiken oder die Reduktion der Verwundbarkeit der Supply Chains, insbesondere durch eine verbesserte Planung.

Die Überwachung und Kontrolle von Risiken ermöglicht durch Frühwarnsysteme mit geeigneten Kennzahlen und einer Kurzintervallkontrolle ein rechtzeitiges Eingreifen.

Die Vergangenheitsbetrachtung über ein Reporting hilft, z. B. mittels Ursachenanalyse, aus Fehlern zu lernen. Neben der Minimierung von Risiken können durch systematisches Risk-Pooling auch Chancen entstehen.

Bereits existierende Management-Methoden, Prozesse, Kennzahlen und Tools sollten stets zur Risikominimierung eingesetzt werden. So werden Studien zufolge oftmals Sicherheitsbestände, Pufferzeiten oder alternative Produktionsanlagen eingesetzt, jedoch mehr intuitiv als systematisch gesteuert.

Kunden- und Absatzrisiken können durch einen verbesserten Informationsaustausch und eine damit optimierte Planung verringert werden. Bei der systematischen Partnerentwicklung werden durch einen „Open-Book" Ansatz nicht nur Kosten sondern auch Risiken minimiert.

Zur Verringerung von Distributionsrisiken bietet sich die Kollaboration mit Transportdienstleistern an.

Im Netzwerk können durch Risk- Pooling und Advanced Inventory Management Ansätze Bestände auf die benötige Lieferfähigkeit bei Einbeziehung der Risikominimierung optimiert werden. Produktionsrisiken lassen sich durch „Postponement" Strategien (z. B. Deferred Labelling) oder auf der Prozessseite mittels Anwendung der Capable-to-Promise (CTP) Methode abfangen.

Weiterhin können Risiken durch eine segmentierte Produktionsstruktur mit definierten Reserven und Flexibilität in der Anlagenstruktur verringert werden, die je nach Komplexität durch Lean Planning oder Advanced Planning Ansätze flexibel gesteuert werden.

Beschaffungsrisiken werden durch systematische Lieferantenauswahl, -bewertung und -entwicklung minimiert. Die Beschaffungsplanung kann durch Supplier Collaboration optimiert werden.

 

 

Fazit

Die Effizienz- und Effektivitätsoptimierung der heutigen global vernetzten Supply Chains in der Prozessindustrie hat eine Verwundbarkeit bewirkt, die ein systematisches Supply Chain Risikomanagement notwendig macht. Weiterhin müssen vermehrt rechtliche und regulatorische Anforderungen abgedeckt werden.

Zur nachhaltigen Verankerung des Risikomanagement Ansatzes müssen gleichzeitig zugehörige Prozesse, Organisationsstrukturen und unterstützende ITTools systematisch implementiert werden.

Der Schlüssel zu einer signifikanten Risikominimierung liegt im Verständnis der Risikozusammenhänge und in der Ableitung und Umsetzung optimaler Maßnahmen, die für die einzelnen Abschnitte der Supply Chain beschrieben worden sind.

 


Kontakt:
Christoph Lieth, Dr. Oliver Haase
Camelot IDPro AG, Mannheim
Tel.: 0621/86298-0
Fax: 0621/86298-250
www.camelot-idpro.de

Christoph Lieth

Dr. Oliver Haase

Abb. 1: Ganzheitlicher, prozessorientierter Risikomanagement-Ansatz

Abb. 2: Risikomanagement Prozessmatrix