Nachhaltigkeit per Gesetz auch für die Pharmaindustrie?
Ergebnis neuer Miebach Consulting Studie: Unternehmen brauchen den Druck des Gesetzgebers!
Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das Anfang 2023 in Kraft treten wird, erhitzt derzeit die Gemüter. Befürworter sehen in der Verordnung vor allem ein notwendiges Instrument, um Unternehmen zu nachhaltigeren Praktiken zu drängen; andere argumentieren, dass die Rechtsprechung in der Gesellschaft keine spürbaren Veränderungen bringen wird. Wie gut sind deutsche Unternehmen auf das kommende Gesetz vorbereitet? Um dieser Frage nachzugehen, hat Miebach in Zusammenarbeit mit GS1 Germany im Sommer 2022 eine Studie durchgeführt und ermittelt, wie es um die derzeitige Einstellung der deutschen Wirtschaft zu den bevorstehenden Vorschriften steht.
In dieser Studie sollte auch ermittelt werden, welche Erwartungen Unternehmen an das LkSG haben und aufzeigen, welche Maßnahmen bereits ergriffen bzw. derzeit geplant sind. Es ist wichtig anzumerken, dass sich die Gesetzgebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes hauptsächlich auf die sozialen Aspekte von Nachhaltigkeit, wie Menschenrechte, Kinderarbeit, Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung usw. konzentriert und sich nur einige wenige Klauseln im Gesetz mit konkreten Umweltfragen befassen.
„Fast die Hälfte der Unternehmen planen, ihre Lieferanten zu unterstützen.“
Positiver Einfluss auf Nachhaltigkeit einerseits, steigende Kosten andererseits
Im Allgemeinen kann die Erwartungshaltung der Studienteilnehmer an das LkSG als positiv beschrieben werden, wobei noch nicht jeder bereit ist, den Preis für Nachhaltigkeit zu zahlen. Rund 47 % der Teilnehmer gaben an, dass sich die Gesetzgebung positiv auf Umwelt und Gesellschaft auswirken wird oder zu einem fairen Wettbewerb beitragen kann. Auf der anderen Seite stehen für 41 % der Unternehmen der steigende Verwaltungsaufwand und höhere Kosten im Vordergrund (s. Grafik 1). zumal, laut Aussage einiger Teilnehmer, die konkreten Anforderungen des Gesetzes für viele unklar bleiben. Andere argumentieren, dass die Verwaltungskosten gering bleiben und sich nicht auf die Einnahmen auswirken werden.
Etablierte Dokumentationssysteme zur Transparenzschaffung in der PharmaindustrieInsbesondere für stark regulierte Industrien wie z. B. die Pharmaindustrie ist anzunehmen, dass diese besser mit administrativen Aufwänden umzugehen wissen, da Themen wie bspw. die Rückverfolgbarkeit jeder Charge schon heute sichergestellt werden muss. So ist zu erwarten, dass die Dokumentationssysteme/Prozesse gut etabliert sind und angewendet bzw. adaptiert werden können. Auch risikobasierte Bewertungen sind in der pharmazeutischen Industrie aus Zulassungen, Validierungen und Qualifizierungen bekannt und bewährt.
Ein anderes Bild zeichnet sich für die Pharmaindustrie hinsichtlich der tatsächlichen Anforderungen des Gesetzes an soziale und nachhaltigere Supply Chains ab, da bislang die pharmazeutische Überwachung von Reinheit und Wirksamkeit im Vordergrund stand. Mit Inkrafttreten des neuen LkSG, reihen sich nun wichtige Themen wie Menschenrechte, Kinderarbeit und faire Bezahlung in den Anforderungskatalog ein. Die zu ergreifenden Maßnahmen werden sich dabei nicht sehr von denen anderer Industrien unterscheiden. Im Bereich Arbeitsbedingungen und Arbeitssicherheit können durch Verarbeitungsverfahren von hochpotenten oder zytotoxischen Substanzen jedoch neue Überwachungs- und Dokumentationsbedarfe entstehen, um die Arbeitssicherheit nicht nur beim Zielkunden bzw. beim Patienten zu berücksichtigen. Ferner sollte die Beachtung dieser Themen auch auf das Herkunftsland bzw. die Produktionsstätte chemikalischer Wirk- und Rohstoffe ausgeweitet werden.
Positiver Effekt: Motivation für mehr Nachhaltigkeit
Trotz der möglichen zusätzlichen Kosten und des Mehraufwands ist die Regulierung über das LkSG aus unserer Sicht ein wichtiges Instrument, um Unternehmen zur Nachhaltigkeit zu motivieren. Insgesamt sind es überwiegend externe Faktoren wie Kunden und Behörden die Unternehmen dazu bewegen das Thema zu verfolgen. Während mehr als 30 % bereits nachhaltige Praktiken aufgrund der Kundennachfrage einführen, sind Regularien mit fast 25 % der zweitwichtigste Antrieb für Unternehmen, Nachhaltigkeitsinitiativen zu starten. Viele geben insbesondere die bevorstehende Gesetzgebung in Deutschland und die noch strengeren Auflagen auf europäischer Ebene als Hauptgrund für die Einführung einer Nachhaltigkeitsstrategie an. 18 % nennen ihre Mitarbeiter als wichtigsten Treiber für Nachhaltigkeit (s. Grafik 2).
Über 60 % der teilnehmenden Unternehmen gaben an, optimistisch hinsichtlich ihrer Vorbereitungsmaßnahmen auf das LkSG zu sein und keine großartigen Änderungen innerhalb ihrer derzeitigen Lieferketten oder bei Lieferanten vorzunehmen. Stattdessen arbeiten 42 % der Unternehmen bereits an ihrem Aktionsplan und Maßnahmen in Vorbereitung auf das Inkrafttreten des bevorstehenden Gesetzes. Eine dieser Maßnahmen besteht bspw. darin, mit derzeitigen Lieferanten zusammenzuarbeiten und sicherzustellen, dass diese die Sorgfaltspflichtverordnung einhalten. Fast die Hälfte der Unternehmen planen, ihre Lieferanten zu unterstützen, falls dies erforderlich ist.
Auch kleine und mittelständische Unternehmen müssen agieren
Eine solche Zusammenarbeit wird von entscheidender Bedeutung sein, denn obwohl das neue Gesetz nur für Unternehmen in Deutschland mit mehr als 3.000 Beschäftigten direkt gilt (und mit mehr als 1.000 Beschäftigten ab dem Jahr 2024), werden auch kleine und mittlere Unternehmen von dem Gesetz indirekt betroffen sein. Kleine und mittelständische Unternehmen, die große Kunden in ihrem Portfolio haben, werden sicherstellen müssen, dass sie einen Nachweis ihrer nachhaltigen Praktiken erbringen können.
Des Weiteren gaben Studienteilnehmer aus kleinen und mittelständischen Unternehmen an, sich trotz der Beschränkung des Gesetzes genauso aktiv auf die Gesetzgebung vorzubereiten und äußern ähnliche Bedenken wie größere Unternehmen. Diese Aussage der Teilnehmer ist interessant, zumal das Stimmungsbild, das wir aus persönlichen Gesprächen und in den Communities mitbekommen, ein anderes Bild zeichnet. Demnach verhalten sich kleinere Unternehmen (z. T. aber durchaus auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten) derzeit eher reaktiv und warten ab, wie sich die Lage entwickelt.
Beide Gruppen geben auch zu, dass insbesondere die Rechts- und Lieferkettenberatung aufgrund der neuen Vorschriften für die Unternehmen von großer Bedeutung sein wird. Hier nehmen große Unternehmen bereits in viel größerem Umfang Beratungsleistungen in Anspruch. Dies könnte kleinere Unternehmen in eine schwächere Position bringen, da einige befürchten, dass die Verantwortung von größeren Kunden auf kleinere Lieferanten abgewälzt werden könnte und zu überproportional hohem Dokumentationsaufwand führen könnte.
Nachhaltigkeit schaffen durch Kollaboration und Datenaustausch
Die Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den Partnern in der Supply Chain wird eine besonders wichtige Maßnahme sein, wenn das Gesetz in Kraft tritt. So gaben ca. 40 % der Studienteilnehmer an, in erster Linie die Zusammenarbeit zwischen internen Abteilungen zu verfolgen, um Nachhaltigkeit zu fördern. Die Angaben zur Kollaboration mit Tier 1 Lieferanten (25 %) und Beratungsunternehmen (15 %) zeigen zwar einen positiven Trend, sind aber im Rahmen der Anforderungen des LkSG an Transparenz entlang der gesamten Supply Chain noch zu zögerlich.
Neben der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit wird zukünftig eine Standardisierung im Datenaustausch eine entscheidende Rolle für Unternehmen spielen, um Transparenz und nachhaltige Praktiken zu ermöglichen. Allgemein kann festgestellt werden, dass mehr als die Hälfte der Befragten angibt, überdurchschnittlich gut für das kommende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes vorbereitet zu sein. Ob dies tatsächlich der Fall ist oder ob hier teilweise etwas zu optimistisch gedacht wird und noch viel Arbeit wartet, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.
Achim Sponheimer, Head of Industry Pharma & Life Sciences, Miebach Consulting GmbH, Frankfurt am Main
Anastasiia Omelchuk, Consultant, Miebach Consulting GmbH, Frankfurt am Main
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