Nachhaltigkeit braucht mehr Chemie
Die chemische Industrie ist Innovationsmotor für eine nachhaltige Entwicklung
Das Leitbild Nachhaltigkeit ist heute aktueller denn je für die chemische Industrie, aber nichts völlig Neues: Als einer der ersten Wirtschafts-zweige in Deutschland bekannte sich die Branche schon vor rund 20 Jahren - seinerzeit mit VCI-Präsident Gert Becker an der Spitze - zu einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung.
Dieses Bewusstsein für Nachhaltigkeit hat die Entwicklung der deutschen Chemie maßgeblich mit geprägt. Als Schlüsselbranche trägt sie heute mit ihrem großen wissenschaftlichen und technischen Potential entscheidend über ihre Produkte zur Lösung globaler Aufgaben bei. Als drittgrößte Branche und wichtiger Arbeitgeber festigt sie die soziale Stabilität in unserem Land.
Die Leistungen der chemischen Industrie sind fast immer unverzichtbar, wenn es darum geht, praktische Antworten auf die Herausforderungen einer globalen Gesellschaft zu finden. In den deutschen Chemieunternehmen forschen deshalb mehr als 41.000 Menschen an Produkten und Verfahren für die Megatrends unserer Zeit: Im Jahr 2050 werden 9 Mrd. Menschen auf der Erde leben.
Sie alle wollen genügend zu essen haben, sauberes Wasser trinken, ihren Alltag unter hygienischen Bedingungen verbringen, mobil sein sowie auf eine ausreichende Gesundheitsversorgung zurückgreifen. Gleichzeitig erfordern der Klimawandel, die Regenerationsgrenzen der Ökosysteme und die begrenzte Verfügbarkeit von Rohstoffen einen sorgfältigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen.
Nachhaltigkeit durch Produkt: Beispiel Energie
Die chemische Industrie ist heute ein zentraler Innovationstreiber für eine nachhaltige Entwicklung. Zum Beispiel beim Stichwort Energie: Neue Verbundwerkstoffe und Carbon-Nanotubes machen bei Windrädern Rotorblattlängen über 70 m möglich. Windstrom kann so wirtschaftlicher gewonnen werden. Auch bei der Fotovoltaik ist immer mehr Chemie im Spiel. Forscher arbeiten intensiv daran, den Wirkungsgrad von Solarzellen weiter zu erhöhen. Eine große Herausforderung bleibt die Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien in großen Einheiten, bei der die Innovationskraft der Branche in den kommenden Jahren stark gefordert ist.
Energieverbrauch und Klimaschutz hängen eng zusammen. Hier kommt die Expertise der Chemie für Dämmmaterialien zum Tragen. Manche Werkstoffe für die Wärmeisolierung sind heute schon so weit entwickelt, dass Gebäude keine Utopie mehr sind, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen. Ein Passivhaus benötigt schon heute 90 % weniger Heizenergie als ein nicht sanierter Altbau.
Leichtere Fahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge, die weniger Treibstoff verbrauchen als bisher; Autos, die künftig mit Strom fahren. Das sind Bausteine einer nachhaltigen Mobilität. Für den Karosseriebau beispielsweise liefert die Chemie Kunst- und Klebstoffe mit neuen Eigenschaften oder leichte Ersatzstoffe für Sicherheitsglas. Moderne Gummi-Mischungen für die Reifen verringern den Rollwiderstand. Das spart Sprit und senkt den CO2-Ausstoß. Lithium-Ionen-Batterien und neuartige Brennstoffzellen sind das Herzstück eines Elektroautos. Große Forschungsprojekte laufen deshalb in der chemischen Industrie zur Realisierung von High-Tech-Materialien für Elektroden und Elektrolyten.
Nachhaltig in der Produktion
Auch in ihren eigenen Werken handelt die Branche nachhaltig. Das Verbundsystem ist dabei das wichtigste Werkzeug, um in der Produktion Rohstoffe und Energie so effizient wie möglich einzusetzen. Der Fortschritt ist messbar: Zwischen 1990 und 2010 konnte die deutsche Chemie ihren Energieverbrauch um gut ein Fünftel reduzieren, bei einem gleichzeitigen Anstieg der Produktion um 58 %. Eine ähnliche Entkopplung gelang ihr bei Abfällen, der Wassernutzung und der Gewässerbelastung durch kontinuierliche Investitionen in den integrierten Umweltschutz. Hinzu kommt ein besonders hohes Niveau im Arbeitsschutz und der Anlagensicherheit. Das internationale Responsible-Care-Programm der Branche setzt hier Maßstäbe.
Gelebte gesellschaftliche Verantwortung
Zu ihrem gesellschaftlichen Engagement gehört für die Branche auch die Förderung der naturwissenschaftlichen Bildung in der Schule. Aber auch Nachwuchswissenschaftler und Spitzenforscher profitieren davon - und das seit vielen Jahrzehnten. Hierfür gibt die deutsche Chemieindustrie über ihr Förderwerk, dem Fonds der Chemischen Industrie, jährlich mehr als 11 Mio. € aus.
Vorbildliches in der gesellschaftlichen Dimension von Nachhaltigkeit leistet die Chemie durch die ergebnis- und zukunftsorientierte Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Der Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie" ist ein innovativer Baustein in dieser konsensorientieren Kooperation. Er zeigt Möglichkeiten auf, die Arbeitswelt den Auswirkungen des demografischen Wandels anzupassen und so Anreize für eine längere Beschäftigung älterer Mitarbeiter zu setzen. Fakt ist: Die Zahl der Menschen in Deutschland geht zurück, die arbeiten können. Schon im Jahr 2025 werden dem Arbeitsmarkt 6,5 Mio. potenzielle Arbeitskräfte weniger zur Verfügung stehen als heute.
Nachhaltigkeit braucht mehr Chemie - nicht weniger
Die chemische Industrie hat die Herausforderungen der Zeit angenommen und sieht zugleich die Chancen, die damit verbunden sind: Eine nachhaltige Entwicklung ist zwar eine Verpflichtung gegenüber künftigen Generationen, auch wenn sie nicht vom Gesetzgeber verordnet wurde. Sie bietet den Unternehmen jedoch die Chance für eine langfristige und zukunftsorientierte Geschäftsstrategie, die wirtschaftlichen Erfolg mit gesellschaftlicher und sozialer Verantwortung sowie dem Schutz der Umwelt verbindet. Wer es mit Nachhaltigkeit in dieser Welt ernst meint, wird auf die Chemie nicht verzichten können. Denn Fortschritt bei nachhaltiger Entwicklung braucht mehr Chemie statt weniger. Deshalb wird die Branche ihre Position als Schlüsselindustrie für Nachhaltigkeit weiter ausbauen - auch organisatorisch: Der VCI, die IG BCE und der BAVC haben sich aktuell zu einer Nachhaltigkeitsinitiative zusammengeschlossen. Die drei Organisationen führen mit dieser Allianz ihre Erfahrungen und Kräfte in allen Bereichen der Nachhaltigkeit zusammen.
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Dieser Beitrag ist erschienen in der Jubiläumsausgabe "20 Jahre CHEManager" vom 6. September 2012.
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