Moderne Fort- und Weiterbildung
Sicheres und korrektes Arbeiten im Simulator üben
In pharmazeutischen Produktionsbetrieben müssen die Mitarbeiter die so genannten „Standard Operation Procedures“ (SOPs) kennen und die damit verbundenen Verhaltensprinzipien exakt anwenden. Die SOPs werden durch Gesetze und Regularien streng bestimmt und durch interne und externe Institutionen kontrolliert. Ein fehlerhaftes Verhalten in der Produktion kann Medikamente kontaminieren und damit den Verlust kompletter Produktionschargen verursachen.
Arbeit im Reinraum: Eine extreme Situation
Mitarbeiter in der pharmazeutischen Produktion arbeiten häufig in Reinräumen. Hier stellen sie die Medikamente unter weitestgehendem Ausschluss von Umgebungsluft, Staub, Schmutz und Keimen her. Die Arbeit im Reinraum setzt neben der eigentlichen produzierenden Tätigkeit ein so genanntes „aseptisches Verhalten“ voraus, ein Verhalten, das in seiner Summe an Einzelschritten zu einem sterilen Endprodukt führt. So müssen sich die Operator bspw.besonders langsam und kontrolliert bewegen, um keine Keime und anderen Partikel aufzuwirbeln. Das ist nicht nur körperlich, sondern auch kognitiv sehr anstrengend, denn die eigentlichen Arbeitsprozesse sind oft komplex und müssen dennoch penibel eingehalten werden.
Konventionelle Trainings: Geringer Lerneffekt
Aus diesen Gründen sind Trainings ein grundlegender Bestandteil in der pharmazeutischen Produktion. Mitarbeiter trainieren ihr Arbeits- und Prozesswissen in regelmäßigen Abständen. Neue Mitarbeiter müssen zunächst Qualifikationen und Prüfungen durchlaufen, bevor sie im Reinraum arbeiten dürfen.
An dieser Stelle liegen die Knackpunkte des Reinraum-Trainings: Wie können neue Mitarbeiter aseptisches Verhalten und Prozesswissen erlernen, wenn sie gar nicht in die Produktionsumgebung hineindürfen? Und für Bestandskollegen: Wie sollen sie ihr Wissen auffrischen und festigen, wenn die Produktionsanlage unter keinen Umständen kontaminiert werden darf und nur in Ausnahmefällen gestoppt werden kann. Ein Anlagenstopp ist sehr aufwendig und führt zu großen finanziellen Ausfällen.
Konventionelle Trainings nutzen unterschiedliche Methoden: von Präsenzschulungen und E-Learning-Einheiten über situative Übungen wie das korrekte Bewegen und Desinfizieren bis hin zum Zuschauen bei der Produktion von außen. Jedoch führen all diese Methoden nicht immer zu den gewünschten Ergebnissen, weil das Wissen abstrakt und theoretisch bleibt.
Einige Pharmaunternehmen betreiben Übungsanlagen. Dies ist allerdings sehr kostspielig.
Eine dritte Schulungs- und gleichzeitig Qualifizierungsmethode ist der „Media Fill“, bei dem statt des echten Medikaments ein Ersatzstoff durch die echte Anlage läuft. Die Mitarbeiter arbeiten unter realen Bedingungen. Am Ende wird geprüft, ob die Produktion aseptisch ist.
Media Fills dauern mehrere Tage und sind damit eine ähnlich kosten- und zeitintensive Schulungsmethode wie die Übungsanlagen. Die Anzahl der Übungsdurchgänge ist limitiert, einerseits durch die begrenzte Zeit, in der die Anlage zur Verfügung steht, andererseits durch Qualifikationsauflagen: Operator dürfen einen Media Fill nicht unbegrenzt oft wiederholen.
Das Fehler-Dilemma
Ein Nachteil, der dem Training in Übungsanlagen und im Media Fill gemeinsam ist: Die Abbildung und Replizierbarkeit von so genannten „Schlüsselmomenten“, in denen Fehler passieren, ist unmöglich. Sie würden mit Schäden an der Anlage und Kontamination einhergehen. Gerade diese Schlüsselmomente sind aber essenziell, um zu erkennen, wann Mitarbeiter Fehler machen und welche Fehler das sind, um daraus Konzepte für die Fehlersuche, Fehlerkorrektur und zukünftige Schulungen abzuleiten.
Für Operator bietet erst die Möglichkeit, Fehler machen zu dürfen den direkten Praxisbezug und damit größtmögliche Lerneffekte. Denn es geht nicht nur darum, korrekte Arbeitsabläufe und aseptisches Verhalten einzuüben. Es ist genauso wichtig, dass Operators erleben und verstehen, wann welche Fehler passieren können und welche Konsequenz daraus entsteht. Erst durch diese Praxiserfahrung kann sich verlässliches Fehlerwissen aufbauen und Vermeidungs- und Lösungskompetenz entstehen.
Virtual Reality setzt bei den Fehlern an
Eine Alternative zu konventionellen Trainingsmethoden, die bei den Fehlern ansetzt, ist das Training in Virtual-Reality-Umgebungen. Dabei wird die echte Anlage mit allen Abläufen und Funktionalitäten von einem Computer simuliert, ähnlich wie wir es von Flugsimulatoren kennen. Im Simulator üben die Mitarbeiter einerseits Arbeitsprozesse in SOP-konformer Abfolge und aseptisches Verhalten; andererseits konfrontieren sie sich mit Schlüsselmomenten. In diesen Schlüsselszenarien üben die Mitarbeiter, wie sie Fehler vermeiden, und wie sie im Fall eines Fehlers das Problem lösen. Die Simulation gibt echtes, präzises Feedback.
Mitarbeiter trainieren und die Produktion läuft weiter
Mithilfe des Simulators taucht der Mitarbeiter in ein realistisches Abbild der Produktionsumgebung ein, mit der er entsprechend interagieren kann. Dabei spaltet der Simulator die für einen Prozess benötigten Fähigkeiten in Einzelschritte auf, sodass die Mitarbeiter diese isoliert voneinander trainieren können. Ein virtueller Trainer führt durch die Schritte. Dieses Vorgehen bietet im Vergleich zum Präsenztraining große Vorteile, weil Komponenten komplexer Verhaltensprozesse je nach Stärken- und Schwächenprofil des jeweiligen Mitarbeiters trainiert werden können. So oft, bis das korrekte Verhalten sitzt.
Mit Virtual Reality lassen sich die Schlüsselmomente realitätsnah darstellen. Mitarbeiter dürfen und sollen Fehler machen. Sie können unterschiedliche Problemlösungen ausprobieren. Und sie können diese Simulation unbegrenzt oft wiederholen. Das hilft dabei, Schlüsselmomente besser zu verstehen und korrekt mit ihnen umzugehen. Weil der Trainierende Fehler machen darf, die folgenlos bleiben, gewinnt er an Selbstvertrauen.
Die Simulation zeichnet das Verhalten des Trainierenden auf. So kann Fehlverhalten frühzeitig erkannt und dem Mitarbeiter zurückgemeldet werden. Zudem visualisiert die Simulation die Konsequenzen von Fehlern, die in der echten Produktionsumgebung unter Umständen nicht sichtbar wären, bspw. die Verteilung von Keimen und Partikeln durch falsches Desinfizieren. Trainierende Mitarbeiter können ihre individuellen Fehler erkennen und deren Hintergründe und Konsequenzen verstehen.
Weitere wichtige Vorteile der Virtual-Reality-Simulation sind, dass nicht erst aufwändig Testanlagen installiert werden müssen und die Produktion unterbrechungsfrei weiterlaufen kann.
Praxisbezug erhöht den Lerneffekt
Diese praxisbezogenen Möglichkeiten von Virtual Reality machen die Technologie zu einem sehr leistungsfähigen Tool, um die Trainings-Transfer-Wirksamkeit, also den Lerneffekt von Trainings in der pharmazeutischen Produktion deutlich zu erhöhen. Es ist aber auch wesentlich, die Trainingsinhalte vorher richtig und umfassend zu definieren und die Trainingsinhalte dann in die VR-Umgebung zu übertragen. Es braucht also ein tiefes Verständnis der notwendigen Arbeitsabläufe, der Schlüsselmomente und der möglichen Fehler sowie eine breite Expertise, diese Inhalte in eine VR-Umgebung zu übertragen.
Beispiele für Übungssequenzen im Trainingssimulator
Aseptisches Verhalten: Reinraummitarbeiter müssen sich in einem bestimmten Muster mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegen, damit keine Luftverwirbelungen entstehen, die Keime aufwirbeln. Aseptisches Verhalten muss unterbewusst ablaufen, damit es angesichts komplexer Arbeitsabläufe nicht zur kognitiven Überforderung kommt. Die notwendigen Bewegungsmuster übt der Trainierende mit unterschiedlichen Gegenständen und Arbeitsabläufen ein. Bewegt er sich falsch oder zu schnell, greift der Simulator unmittelbar ein.
Entfernung von Glasbruch: Im Simulator übt der Operator, beschädigte Medikamentenbehältnisse und Glassplitter aus der Anlage herauszuholen. Der Simulator bildet alle notwendigen Schritte real ab und unterstützt mit visuellen Hinweisen wie Pfeilen und farblicher Unterlegung.
Abwischen von Oberflächen: Die Arbeitsoberflächen müssen in bestimmten Abständen, in einer festgelegten Reihenfolge, mit dem passenden Desinfektionsmittel keimfrei gemacht werden. Die korrekte Reihenfolge üben die Mitarbeiter im Simulator ein. Die Simulation zeigt anhand roter Markierungen vergessene Flächen und ob das Desinfektionsmittel lange genug eingewirkt hat.
Zehn Vorteile von Virtual-Reality-Trainings gegenüber Präsenztrainings
- Es muss keine reale Anlage gestoppt werden. Es braucht keine Testanlage.
- Der Simulator steht jederzeit und beliebig lange zur Verfügung.
- Der Simulator gibt echtes, unmittelbares Feedback und geht damit auf individuelle Stärken und Schwächen ein.
- Ein virtueller Trainer führt durch das Training.
- Fehler bleiben ohne Konsequenz.
- Die reale Anlage trägt keinen Schaden.
- Standardprozesse und Schlüsselmomente für Fehler können isoliert abgebildet und trainiert werden. Beliebig oft.
- Für jeden Mitarbeiter sind die Trainingsbedingungen gleich, Stichwort: Reproduzierbarkeit.
- Der Simulator dokumentiert das Training, sodass der Trainingserfolg bzw. -misserfolg später nachvollziehbar ist.
- Der Simulator visualisiert Konsequenzen von Fehlern, die in der realen Umgebung unsichtbar blieben.
- Der Trainings-Transfer-Effekt steigt durch das echte Trainingsgefühl enorm. Mitarbeiter gewinnen an Selbstvertrauen.
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