Chemie & Life Sciences

Mit weniger Ressourcen mehr erreichen

Henkel will Wachstum und Lebensqualität vom Ressourcenverbrauch entkoppeln

10.10.2012 -

„Nachhaltigkeit" ist ein uralter Begriff aus der Forstwirtschaft. Gemeint war damals: „Fälle niemals mehr Bäume als nachwachsen können!" Heute steht nachhaltiges Wirtschaften für ein übergreifendes Ziel, das sich in einem Satz zusammenfassen lässt: Die Menschheit lebt gut, im Einklang mit den begrenzten Ressourcen der Erde. Um dies zu erreichen, wird sich vieles ändern müssen. In der Politik, im Alltag, in der Wirtschaft. Fast jedes Unternehmen stellt heute seinen Beitrag zu nachhaltigem Wirtschaften dar. Doch damit Nachhaltigkeit zum unternehmerischen Erfolgsfaktor wird, muss sie strategisch verankert sein.

Sie kommen Hand in Hand daher: „Wachstum" und „Ressourcenverbrauch". Jahrzehntelang waren Wachstum und Lebensqualität gleichbedeutend mit einem zunehmenden Verbrauch von Rohstoffen. Derzeit leben rund 7 Mrd. Menschen auf der Erde, im Jahr 2050 werden es Schätzungen zufolge 9 Mrd. sein. Bereits heute ist der globale ökologische Fußabdruck der Menschheit größer als es die Ressourcen der Erde langfristig erlauben.

„Wir müssen Wege finden, mit weniger Ressourcen mehr zu erreichen - und so Lebensqualität und Wirtschaftsleistung zunehmend vom Ressourcenverbrauch entkoppeln", sagt Kasper Rorsted. Der Däne ist seit vier Jahren Vorstandsvorsitzender bei Henkel. Sein erklärtes Anliegen ist es, nicht nur global führende Marktpositionen einzunehmen, sondern auch die Vorreiterrolle im Bereich Nachhaltigkeit weiter zu stärken.

Nachhaltigkeit ist schon seit vielen Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Strategie von Henkel: Bereits in den zwanziger Jahren hatte der Konzern als erstes deutsches Unternehmen einen Sicherheitsingenieur eingestellt, ökologische Gütekontrollen gibt es seit den späten 1950er Jahren, 1986 brachte der Konzern das weltweit erste phosphatfreie Waschmittel auf den Markt. Seit mehr als 20 Jahren legt der Konzern neben dem Geschäftsbericht einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht vor.

Keine Schönfärberei

Kritiker bezeichnen die Kommunikation von Nachhaltigkeitsaktivitäten zum Teil als „Greenwashing". Rorsted ist jedoch davon überzeugt, dass sich Geschäftsziele und Nachhaltigkeit nicht widersprechen. „Wir haben nicht nur gegenüber der Nachwelt die Pflicht, verantwortungsvoll mit den begrenzten Ressourcen der Erde umzugehen", so Rorsted. „Nachhaltigkeit ist auch wirtschaftlich sinnvoll und langfristig ein entscheidender Wettbewerbsvorteil: Nachhaltiges Wirtschaften reduziert Kosten, treibt Innovationen, erhöht unsere Attraktivität als Arbeitgeber und stärkt unsere Position auf den Zukunftsmärkten."

Unternehmen, die auf Rohstoffe angewiesen sind, kommen auch gar nicht umhin, sich Gedanken über Nachhaltigkeit zu machen: Die Volatilität an den Rohstoffmärkten führt zu großen Preisschwankungen. Nachhaltiges Wirtschaften ist also auch eine wirtschaftlich notwendige Strategie: Wenn Rohstoffe knapp und teuer werden, wenn Energiepreise steigen, dann ist der verantwortungsvolle Umgang mit natürlichen Ressourcen auch ökonomisch geboten.

Obendrein ist Nachhaltigkeit auch auf dem Arbeitsmarkt inzwischen ein wichtiges Kriterium: Qualifizierte Bewerber erwarten von Arbeitgebern ökologische und gesellschaftliche Verantwortung. Und nicht zuletzt gilt eine gute Nachhaltigkeitsstrategie auf den Finanzmärkten als Erfolgsfaktor. Anleger setzen zunehmend auf nachhaltig agierende Unternehmen, weil diese zukunftstaugliche Geschäftsmodelle haben.

Weniger Rohstoffe - mehr Wert

Was bleibt, ist die Frage: Wie sind Wachstum und Ressourcenverbrauch voneinander zu trennen, wie also kann mit weniger Rohstoffen mehr Wert geschaffen werden?

„Die Voraussetzung für die erfolgreiche Verbindung von Geschäftszielen und Nachhaltigkeitszielen heißt Innovation", sagt Prof. Dr. Thomas Müller-Kirschbaum, der für die globale Forschung und Entwicklung sowie Supply Chain im Unternehmensbereich Wasch-/Reinigungsmittel bei Henkel zuständig ist. „Wir wollen Herstellungsprozesse entwickeln, die mit weniger Rohstoffen auskommen, und gleichzeitig Produkte schaffen, die einen nachhaltigen Konsum ermöglichen." Das Unternehmen hat im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie angekündigt, bis 2030 die Leistung der eigenen Produkte und Prozesse zu verdreifachen oder den ökologischen Fußabdruck entsprechend zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Konzern seine Effizienz um 5 bis 6 % pro Jahr steigern. „Dazu durchleuchten wir den Lebenszyklus unserer Produkte von den Rohstoffen über die Herstellung und Verpackung bis zur Anwendung und Entsorgung", sagt Müller-Kirschbaum.

Bei der ganzheitlichen Bewertung entlang der Wertschöpfungskette vieler Produkte zeige sich, dass ein Großteil der Ressourcen bei der Anwendung verbraucht wird. Beispiel Waschmittel: Rohstoffe, Verpackung, Herstellung und Entsorgung des Waschmittels machen nach Berechnungen von Henkel nur einen geringen Teil des Kohlendioxid-Ausstoßes aus, 70 % entstehen durch den Energieverbrauch beim Waschen selbst.

„Deshalb entwickeln wir Produkte, die bei der Anwendung effizienter sind", sagt Müller-Kirschbaum. Klassisches Beispiel dafür sind Waschmittel und maschinelle Geschirrspülmittel, die schon bei niedrigen Temperaturen und im Kurzprogramm wirken. Wie umweltverträglich das Produkt dann tatsächlich ist, hängt allerdings von der Wahl des Maschinenprogramms ab: „Daher setzen wir auch intensiv auf die Information und Beratung unserer Kunden und Verbraucher - z.B. mit dem interaktiven Waschrechner von Persil: Er zeigt auf einen Blick, wie sich die Temperaturwahl auf die Energiekosten beim Waschen und auf den CO2-Fußabdruck auswirkt."

Nachhaltig ohne Konsumverzicht

Die Mehrheit der Bevölkerung erwartet, dass Unternehmen nachhaltig wirtschaften, weiß auch Rorsted: „Dennoch sind Kunden erfahrungsgemäß derzeit nicht bereit, für Nachhaltigkeit mehr zu bezahlen, wohl aber, ein Unternehmen zu meiden, das nicht nachhaltig wirtschaftet." Entscheidend sei der Mehrwert, den die Produkte bieten können. „Industriekunden erwarten Lösungen, die ihre eigene Umweltbilanz verbessern, zum Beispiel durch niedrigeren Energie- oder Wasserverbrauch", sagt Rorsted. Und auch die Kunden im Supermarkt mögen die Gewissheit, mit ihrer Kaufentscheidung die Umwelt zu schonen. Wenn ein Produkt dann auch noch beim Strom- oder Wassersparen hilft - umso besser.

„Häufig zahlt sich Nachhaltigkeit für alle Seiten aus", sagt Müller-Kirschbaum. „So ist es etwa mit unseren Waschmittelkonzentraten und den immer kompakteren Verpackungen: Die sparen Sprit beim Transport und Platz im Supermarktregal, der Verbraucher muss weniger Gewicht tragen und gewinnt Raum im Haushalt." Nachhaltigkeit bedeute nicht, auf Konsum zu verzichten, resümiert Rorsted. „Konsum und Lebensqualität dürfen nur nicht länger abhängig sein vom Verbrauch natürlicher Ressourcen", ist der Henkel-Chef überzeugt.

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