Forschung & Innovation

Mikroplastik detektieren, entfernen und wiederverwerten

Den Kreislauf schließen

08.02.2021 - Neben der direkten Anwendung in der (Ab-)Wasserreinigung ermöglichen die Verfahren der Firma Wasser 3.0 auch eine weltweit einheitliche Mikroplastik-Analyse in Gewässern.

Mikroplastik ist in aller Munde und gleichzeitig ein hochkomplexes Thema. Wir essen, trinken und atmen Mikroplastik – jeder von uns, jeden Tag. Diese vielen kleinen Kunststoffpartikel mit einer Größe kleiner als 5 mm befinden sich fein verteilt in Boden, Luft und Wasser. Wenn auch viele, unter anderem Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und Politiker*innen, das Pro­blem kennen und beschreiben, gibt es wenige Ansatzpunkte wie eine weitere Verbreitung vermieden werden kann. Die weltweite Verteilung von Mikroplastik in und über unsere Gewässer ist ein kontinuierlicher Akkumulationsprozess, der jede Minute unkontrolliert und unkontrollierbar voranschreitet.

Seit einigen Jahren hat sich das Thema Kunststoffe in der Umwelt und damit auch das Thema Mikroplastik als natur- und umwelt­wissenschaftliches Forschungsgebiet, technologische Herausforderung, globales Umweltproblem, Gesundheitsrisiko für Mensch und Tier und politisches Handlungsfeld herauskristallisiert.

Lücken in der Datenlage

Es bleibt Stand heute festzuhalten, dass wir vieles noch nicht wissen und haben, um die Mikroplastik-Problematik in den Griff zu bekommen: Es fehlt ein einheitliches Detektionsverfahren, es fehlen sowohl flächendeckende einheitliche Monitorings als auch Lösungen zur Verbesserung der Prozesssteuerung bestehender Systeme und eine klare Gesetzgebung für das Einleiten und Ausleiten Mikroplastik-belasteter Wässer aus unterschiedlichen (industriellen) Prozessen. Insbesondere Wissenschaft und Industrie sind aufgefordert, sich vorhandenen Lücken in der Datenlage und den Prozessen zu stellen, diese transparent zu kommunizieren und sie im Dialog mit der Politik anwendungs­orientiert und zukunftstauglich zu schließen.

Obwohl es bereits seit Jahren vielfach erprobte Lösungen für die Entfernung von Mikroplastik aus Wässern gibt, werden diese bisher wenig eingesetzt. Nur die Anwender*innen, die sich proaktiv ihrer Verantwortung stellen und wirklich einen Beitrag zum Umwelt- und Gesundheitsschutz leisten wollen, setzen diese ein. Argumentationshilfen für das Nicht-Einsetzen von Lösungen sind vielfältig, häufig unterstützt von rein profit-orientierten Kosten-Gewinn-Rechnungen. Ökologischem Impact wird kein oder geringer Wert zu gesprochen. Dass dies nicht so sein muss, damit beschäftigen sich seit vielen Jahren die Forscher*innen des ehemals universitären Forschungsprojekts Wasser 3.0, das im Mai 2020 in die Wasser 3.0 gGmbH übergegangen ist.

Wasser 3.0 – mehr als nur Entfernen

Seinem Selbstverständnis als ‚sustainability entrepreneur‘ entsprechend verfolgt das junge Unternehmen mit seiner Mikroplastik-Strategie detect | remove | reuse einen kontextorientierten, kreislaufwirtschaftlichen und praxisbezogenen Ansatz gegen die Verbreitung von Mi­kroplastik über den Wasserkreislauf.

Der Entfernungsprozess mit Wasser 3.0 PE-X nutzt ökotoxikologisch unbedenkliche Organosilane. Der Clou: Es werden aus vielen kleinen Mikroplastikpartikeln große Mikroplastik-Agglomerate gebildet, die auf der Wasseroberfläche schwimmen und nicht zu Boden sinken. Eine einfache Abscheidung über die Wasseroberfläche liefert reproduzierbare Entfernungseffizienzen von > 95 %, unabhängig von Polymertyp, pH-Wert und Schadstoffkonzentration. Der Gesamtprozess wird von Zulauf bis Ablauf analytisch aufgezeichnet und dokumentiert. Er ist insgesamt sehr wartungsarm. Umfangreiche und investitionsintensive technologische Änderungen innerhalb bestehender Prozesse oder bauliche Ergänzungen sind nicht erforderlich.

High-tech Materialien treffen auf low-tech Umsetzung

Unter Anwendung der weiteren chemischen Konzepte Funktionsdesign und Chelatisierung wurden bei Wasser 3.0 passgenaue Organosilane und Mischungen erforscht und erfolgreich in Realumgebungen pilotiert. Das Ziel von Wasser 3.0 ist es, null Schadstoffe im Wasser zu erreichen (darin hat übrigens auch der Name Wasser 3.0 seinen Ursprung).

Die passgenauen Verfahren können als Add-on in bestehende Prozesse oder als Stand-­Alone in Form modularer, mobiler Containeranlagen eingesetzt werden. Sie bieten damit neue Möglichkeiten in der Wasserreinigung im Sinne effizienter und kontinuierlicher Prozesse sowie eines wirksamen Umwelt- und Gesundheitsschutzes. Einsatz­orte sind kommunale und industrielle Kläranlagen sowie Salzwasserumgebungen. Möglich ist zudem die Kombination mit einer 4. Reinigungsstufe auf kommunalen Kläranlagen (Wasser 3.0 PE-Xplus).

Wasser 3.0 PE-X wurde von Beginn an kreislaufwirtschaftlich, kosteneffizient und ökologisch durchdacht, um Mikroplastik weltweit möglichst einfach aus Wasser zu entfernen.

Der blinde Fleck in der Diskussion um ­Mikroplastik: Die Detektion

Derzeit gibt es zahlreiche Studien, die die Konzentrationen von Mikroplastik in unseren Gewässern identifiziert und quantifiziert haben. Das Problem: Diese Studien verwenden eine Vielzahl von Analysemethoden, die einen Vergleich ihrer Ergebnisse nahezu unmöglich machen. Für ein effizientes Vorgehen gegen die Verbreitung von Mikroplastik und für die Festlegung von verbindlichen Grenzwerten ist jedoch eine vergleichbare und verlässliche Datenbasis Voraussetzung.

Um einerseits die Materialien, Prozesse und Technologien von Wasser 3.0 PE-X zu optimieren und andererseits einen Beitrag für die Harmonisierung und Standardisierung der Mikroplastik-Detektion zu leisten, entwickelt das Team von Wasser 3.0 derzeit ein eigenes Detektionsverfahren: Wasser 3.0 detect.

Die herkömmlich verwendeten Methoden für das Feldmonitoring und Laboruntersuchungen haben mehrere Nachteile: Mikro­skope, die zur visuellen Identifizierung von Mikroplastik verwendet werden, haben eine geringe Zuverlässigkeit, insbesondere bei kleinen, transparenten und/oder faserartigen Partikeln. Fourier-Transform-Infrarot- (FT-IR) oder Raman-Spektroskopie mit Mikroskop, die für die chemische Identifizierung von Mikroplastik verwendet werden, erfordern teure Geräte, sind zeitaufwändig und kompliziert. Mehrere Wochen auf Analyseergebnisse zu warten, hohe Geldbeträge zu investieren oder unzuverlässige Daten zu haben, ist aus Sicht von Wasser 3.0 inakzeptabel, wenn hocheffiziente und nachhaltige Eliminationsraten in kontinuierlich laufenden Systemen mit wechselnden Verschmutzungssituationen das Ziel sind.

Die Zeit für Quantifizierungen reduziert sich

Dieser Blindflug-Modus ist jedoch in der kommunalen und industriellen Abwasserreinigung weltweit Stand der Technik. Mit Wasser 3.0 detect befindet sich eine innovative Methode zum Nachweis von Mikroplastik in Wasser im Validierungsstadium. Fluoreszenzfarbstoffe, insbesondere Nilrot und seine Derivate, werden für den kontinuierlichen Nachweis von Mikroplastik in verschiedenen Gewässern (Süßwasser, Trinkwasser, Abwasser, Meerwasser) eingesetzt. Die Zeit für Quantifizierungen reduziert sich von Tagen auf Stunden und gegenüber herkömmlichen Methoden sinken die Kosten erheblich.

Wasser 3.0 detect macht (Ab-)Wasseraufbereitungsprozesse

  • steuerbar,
  • vor Ort anpassbar und
  • überwachbar.

Es liefert neue Möglichkeiten zur Umsetzung von Umwelt- und Wasserschutz im Sinne von Vorsorgeprinzip und Herstellerverantwortung.

Neben der direkten Anwendung in der (Ab-)Wasserreinigung ermöglicht Wasser 3.0 detect auch eine weltweit einheitliche Mikroplastik-Analyse in Gewässern. Mit seinen Kriterien hat es das Potenzial, die weltweit standardisierte Methode für den Nachweis und die Analyse von Mikroplastik zu werden.

Verbrennung als letzte Option

Abfälle, hierzu gehören auch die Agglomerate aus den Wasser 3.0 Mikroplastik-Entfernungsprozessen, sind Wertstoffe. Wie diese wertvollen Reste zurück in die Wertschöpfungsketten gelangen, wird derzeit in mehreren Forschungsprojekten im Rahmen des Bereichs Wasser 3.0 reuse zusammen mit innovativ denkenden und handelnden Partner*innen untersucht. Neue Anwendungsbereiche und Produkte werden entwickelt.

Kunststoffe und Mikroplastik sind der Schlüssel zur Lösung von vielen der drängenden Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht. Das Schließen des Kreislaufes mittels sinnvoller Wiederverwertungskonzepte bedeutet einen verantwortungsbewussten und zukunftsfähigen Umgang mit entstehenden Neben- und Abfallprodukten der Kunststoffproduktion und -nutzung.

Wissenschaft und Technologie sind immer nur ein Teil der Lösung

Wissenschaft und Technologie sind entscheidend, um die Mikroplastikbelastungen unserer Gewässer zu verringern. Um wirksam gegen Mikroplastik im (Ab-)Wasser vorzugehen, müssen darüber hinaus jedoch mit gesamtgesellschaftlicher und globaler Perspektive sinnhafte Hebel identifiziert und wirksam in Bewegung gesetzt werden.

Hierzu gehören vorsorgendes und verantwortungsbewusstes Handeln seitens Produzent*innen und Konsument*innen sowie transparente, nachvollziehbare und verbindliche politische Handlungsempfehlungen und gesetzliche Regularien im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.

Die Autor*innen

 

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