Messen, gerade wenn es staubt
Neues universelles Radarfüllstandmessgerät für die Chemie erfasst selbst kleinste Reflexionssignale
Unterschiedlichste Dichten, feine Stäube oder abrasive kristallstrukturen sind für den neuen Radarsensor Vegapuls 69 kein Problem. Er erfasst kleinste Reflexionssignale.
Im Herbst vergangenen Jahres stellte das Schiltacher Unternehmen Vega einen neuen Radarsensor zur Messung von Schüttgütern vor, der für die chemische Industrie besonders interessant ist. Der Vegapuls 69 arbeitet mit einer Frequenz von 79 GHz. Dies ermöglicht eine deutlich höhere Fokussierung des Sendesignals. Vor allem bei hohen, schlanken Behältern mit vielen Einbauten hilft die gute Fokussierung, das eigentliche Messsignal von Störsignalen besser zu trennen.
Mit neuen Mikrowellenkomponenten können selbst kleinste Reflexionssignale noch sicher erfasst werden. Gerade in der Chemie stellt dies einen wesentlichen Vorteil gegenüber bisherigen Radarsensoren dar. Damit lassen sich auch bis dahin schwierig zu messende Medien mit schlechten Reflexionseigenschaften wie Kunststoffpulver, Kieselsäure oder leichte Füllmaterialien zuverlässig erfassen. Der neue Radarsensor zeichnet sich dadurch für einen sehr breiten Anwendungsbereich aus.
Bessere Fokussierung
Der Öffnungswinkel der abgestrahlten Radarenergie und damit auch die Fokussierung, hängen im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: der Sendefrequenz und der wirksamen Antennenfläche. Das bedeutet, dass mit einer höheren Frequenz bei gleicher Antennengröße eine deutlich bessere Fokussierung erreicht wird. Dieses Radarfüllstandmessgerät arbeitet mit einer Sendefrequenz von 79 GHz und einer Antennengröße von 75 mm. Dadurch wird ein sehr kleiner Öffnungswinkel von nur 4° erreicht. Bei einem Radarsensor mit 26 GHz Sendefrequenz beträgt der Öffnungswinkel etwa 10° bei gleicher Antennengröße. Das Sendesignal des neuen Sensors wird also deutlich weniger von Einbauten oder Anhaftungen an der Behälterwand beeinflusst. Das macht die Messung noch sicherer und zuverlässiger. Gerade in der Chemie werden die Fertigprodukte oft in sehr hohen, schlanken Silos gelagert, um eine optimale Logistik für den Transport zu gewährleisten. Die bessere Fokussierung ermöglicht genaue und vor allem sichere Messergebnisse.
Aber auch einfachere Anwendungen profitieren von einer besseren Signalfokussierung, da eine größere Messsicherheit über den gesamten Messbereich erreicht wird. Zudem ist die Inbetriebnahme deutlich einfacher und bequemer geworden.
Höhere Dynamik für den universellen Einsatz
Der Dynamikbereich bei Radarsensoren liefert eine Aussage darüber, in welchen Anwendungsbereichen ein Sensor eingesetzt werden kann. Je größer die Dynamik, desto breiter das Einsatzspektrum der Sensoren.
Aufgrund des großen Dynamikbereichs von 120 dB können selbst kleinste Reflexionen gemessen werden. Das bringt bei Medien mit guten Reflexionseigenschaften wie Düngemitteln oder Salzen eine noch bessere Messsicherheit und Zuverlässigkeit. Medien mit schlechten Reflexionseigenschaften wie Kunststoffpulver oder leichte Farbpigmente werden durch die neue Technik mit einer deutlich höheren Qualität messbar. Mit der Möglichkeit, immer kleinere Reflexionssignale zu messen, sind selbst Styropor-Kügelchen oder hochdisperse Kieselsäure messbar - das waren bisher die Grenzen der Radarverfahren.
Besonders bei Anwendungen, wo sehr unterschiedliche Medien gelagert werden, bietet die universelle Einsatzmöglichkeit des Sensors wesentliche Vorteile. So werden in Siloanlagen für Kunststoffe die unterschiedlichsten Sorten mit verschiedener Materialkonsistenz gelagert. Die verschiedenen Medien mit für einen Radarsensor sehr unterschiedlichen Reflexionseigenschaften waren oft eine Herausforderung für die Messtechnik. Aufgrund der hohen Dynamik deckt der Sensor nun einen sehr breiten Anwendungsbereich ab und kann bei allen Medien eingesetzt werden.
Großer Messbereich
Der Messbereich ist auch ein Indiz für die Leistungsfähigkeit des kompletten Systems. Der Vegapuls 69 kann dank der sehr guten Fokussierung und dem hohen Dynamikbereich selbst in 120 m Entfernung noch schlecht reflektierende Schüttgüter sicher erfassen. Obwohl der Sensor einen solch großen Messbereich besitzt, können auch kleine Behälter sicher gemessen werden. Vor allem bei kleineren Silos, die oft schnell befüllt oder entleert werden, ist eine schnelle Reaktionszeit sehr wichtig. Die Zykluszeit liegt unter einer Sekunde und dies mit einer Genauigkeit von ±5 mm. Der Sensor ist also in der Lage, auch schnellen Füllstandänderungen sicher zu folgen.
Ausstattung des Messgerätes
Der neue Radarsensor steht in zwei Ausführungen zur Verfügung, mit einfacher und leichter Kunststoffantenne aus PP und einer im Flansch integrierten Linsenantenne. Die Antennen sind unempfindlich gegen Ablagerungen und gewährleisten auch bei rauen Einsätzen einen wartungsfreien Betrieb. Die Flanschausführung besitzt eine Schwenkhalterung aus hochwertigem Edelstahl, mit der sich die Antenne bequem auf den tiefsten Punkt des Silos ausrichten lässt.
Inspiriert von der Wasserwaagen-App haben sich die Vega-Ingenieure etwas Besonderes einfallen lassen. Sie entwickelten eine App, mit deren Hilfe der Neigungswinkel für die Installation des Messgerätes eingestellt werden kann. Dafür wird das Smartphone einfach auf das Gerät gelegt, so dass der Sensor schnell und optimal ausgerichtet werden kann.
Um den Installationsaufwand möglichst gering zu halten, stehen die Sensoren in verschiedenen Ausführungen zur Verfügung: Die am häufigsten eingesetzte 4 ... 20 mA-Zweileitertechnik ermöglicht den direkten Anschluss an eine SPS oder ein Leitsystem. Mit einem Sensor in Vierleitertechnik macht es Vega dem Anwender sehr einfach, bestehende Lot- oder Ultraschallsysteme zu ersetzen, die Verkabelung kann hier 1 : 1 übernommen werden. Wird eine digitale Kommunikation bevorzugt, stehen Sensoren in Profibus PA oder Foundation Fieldbus zur Verfügung.
Auch die besonderen sicherheitstechnischen Anforderungen der chemischen Industrie im Hinblick auf Ex-Schutz wurden berücksichtigt. Die Sensoren sind sowohl für den gas- als auch staubexplosionsgefährdeten Bereich zugelassen.
Überzeugende Ergebnisse in der Praxis
Seit der Markteinführung sind schon weit mehr als 1000 Vegapuls 69 im Einsatz. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Durch den höheren Dynamikbereich und die deutlich bessere Signalfokussierung können heute Medien gemessen werden, die bisher keine auswertbaren Reflexionssignale erzeugten. Vor allem im Bereich der Füllstandmessung von Kunststoffen jeglicher Konsistenz und Zusammensetzung bietet der neue Vegapuls 69 erhebliche Vorteile gegenüber bisherigen Technologien. Der Sensor ermöglicht eine zuverlässige Inhaltserfassung über die gesamte Silohöhe und dadurch eine wirtschaftliche Planung der Produktion und Logistik.
Kunststoffgranulatsilo mit Mischrohr
Eine Anwendung, die besonders vom schmalen Öffnungswinkel des Vegapuls 69 profitiert, ist der Einsatz in Silos mit Mischrohren. Diese werden vor allem bei der Lagerung von Kunststoffgranulaten und Pulvern eingesetzt, um eine gleichmäßige Durchmischung über verschiedene Lieferchargen zu erreichen. Die großen Öffnungen in den Rohren und die Fixierungspunkte der Rohre führten in der Vergangenheit immer wieder zu starken Störreflexionen. Durch die deutlich bessere Fokussierung des neuen Sensors werden nun die Störsignale deutlich reduziert. Gleichzeitig können die kleinen Reflexionssignale des schlecht reflektierenden Mediums durch den großen Dynamikbereich deutlich sicherer erkannt werden. Für den Anwender bedeutet dies eine höhere Zuverlässigkeit und eine einfache Inbetriebnahme.
Messung von Farbpigmenten mit pneumatischer Förderung
Farbpigmente werden in den unterschiedlichsten Anwendungen eingesetzt und in verschieden großen Silos gelagert. Die extrem feinen Stäube werden pneumatisch gefördert und lagern sich nicht nur an der Silowand sondern auch an den eingesetzten Sensoren ab. Dies kann je nach Materialzusammensetzung, Konsistenz und dem eingesetzten Messverfahren zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Funktion führen. Der Sensor ist durch eine speziell geformte Antennenabdeckung unempfindlich gegenüber Materialablagerungen und ermöglicht auch bei extremer Staubentwicklung während der Befüllung eine zuverlässige Erfassung des Siloinhalts. Ein serienmäßig vorhandener Spülanschluss ermöglicht bei sehr starken Ablagerungen eine zyklische Reinigung der Antenne mit kurzen Luftimpulsen.