Anlagenbau & Prozesstechnik

Mehr als nur Erfindergeist

20.04.2013 -

Mehr als nur Erfindergeist – Innovationsmanagement in der Chemie. Kontinuierliche Innovation ist für alle Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie nicht bloß ein Schlagwort, sie ist der entscheidende Schlüssel für den zukünftigen unternehmerischen Erfolg.

Der Begriff Innovation wird gemeinhin und durchaus berechtigterweise mit Kreativität verbunden und für das Gelingen sind gerade in ihrer frühen Phase der Exploration Freiräume unabdingbar.

Diese Bedingungen alleine sind zwar notwendig, aber nicht hinreichend. Denn Innovation endet nicht bloß bei der puren Erfindung, sondern umfasst auch die erfolgreiche Einführung auf dem Markt. Außerdem beansprucht sie knappe Ressourcen des Unternehmens, birgt Risiken und schafft zukünftige Potentiale.

Innovation will also aktiv „gemanagt" werden.

So sind eine stringente Planung, Organisation und Kontrolle aller unter dem Begriff Innovation zusammengefassten Aktivitäten und Projekte unabdingbar für den unternehmerischen Erfolg.

Innovationsmanagement im erweiterten Sinne beschränkt sich nicht bloß auf das Management von Forschung und Entwicklung, sondern umfasst auch die Bereiche Technologiebeschaffung und Markteinführung.

Zudem beinhaltet es Aspekte wie die innerbetriebliche Organisation oder die Schaffung einer „Innovationskultur".

 


Operativ und strategisch

Der traditionelle Kernbereich des Innovationsmanagements für forschende Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist das F&EManagement.

Dieses sollte zwei Dimensionen gleichermaßen adressieren: die operative und die strategische, also vornehmlich Projekt- und Portfoliomanagement. Projektmanagement wird in der chemischen Industrie zur Projektabwicklung seit Jahren mit Erfolg eingesetzt.

Wesentliche Aspekte der Projektorganisation sind die Aufbauorganisation, die Definition des Ziels und die Planung der Ablauforganisation mittels Phasen und Meilensteinen.

Sie sollten zu Beginn des Projektes festgelegt werden. Vor Projektbeginn wird außerdem die Realisierungsplanung mittels Projektstrukturplan sowie Termin- und Kostenplanung in hinreichendem Detaillierungsgrad vorgenommen.

Während des Projektverlaufs kommen dann Methoden der Projektabwicklung und -steuerung bzw. des Projektcontrollings zum Einsatz.

 


Säulen des Managements

Dennoch ist dieses „doing the things right" als operatives Projektmanagement auf Einzelprojektebene nur eine der beiden Säulen eines umfassenden Managements von Forschung und Entwicklung.

Nur wenn auch die strategische Auswahl der Forschungsprojekte, das „doing the right things" in angemessener Weise gemanagt wird, kann eine Forschungsorganisation dauerhaft Erfolg haben. Die chemische Industrie ist eine wissenschaftsbasierte Branche, deren Produktentwicklungsprozesse in der Regel eine hohe technische Komplexität haben.

So überrascht es nicht, dass Innovationen in der Chemiebranche in der Regel durch eine Dominanz des „technology pushs" gegenüber dem „market pulls" gekennzeichnet sind.

Folglich krankt die Forschungspipeline vieler Firmen oftmals an einem Mangel an strategischer Planung auf Multiprojektebene. Dieser manifestiert sich in den folgenden Symptomen: Zu viele Projekte werden oft ohne klaren Fokus gestartet und man ist zögerlich, diese zu beenden.

Zudem ringen die Projekte miteinander um die knappen personellen und finanziellen Ressourcen. Das äußert sich letztendlich in hohen Fehlerraten sowie langen Entwicklungszeiten.

Fatale Folgen haben speziell fehlende klare Selektionskriterien für die Projektauswahl sowie mangelnde Entscheidungskriterien für Projektfortführung oder - abbruch.

Somit initiiert das Unternehmen falsche Projekte und schleppt sie dann durch die Pipeline.

Fehlt es zusätzlich an der Ausarbeitung einer fokussierten Forschungsstrategie als Grundlage der Projektauswahl, so vollzieht sich die Produktentwicklung zerfleddert und abgekoppelt von der Geschäftsstrategie. Sie ist dann nicht in der Lage, ihren Beitrag zur Unternehmensentwicklung zu leisten.

 


Drei Ziele

In den letzten Jahren etablierte sich daher das Portfoliomanagement als eines der wichtigsten Instrumente der strategischen Forschungsplanung. Im Wesentlichen verfolgt man damit drei Ziele:

Das erste ist die Maximierung des ökonomischen Werts des gesamten Portfolios aller Forschungsprojekte.

Hierbei wird dieser ökonomische Wert in der Regel als Net Present Value (NPV) dargestellt, in neuerer Zeit berücksichtigt die Praxis auch Optionswertmethoden.

Zum Zweiten wird das Ziel verfolgt, ein „ausbalanciertes" Projektportfolio zu erhalten.

„Balance" kann das Unternehmen dabei in verschiedenen Dimensionen anstreben, z. B. hinsichtlich einer ausgewogenen Mischung von langfristigen und kurzfristigen Projekten, riskanten oder weniger riskanten Projekten oder einer angemessenen Verteilung der Projekte auf verschiedene Produktkategorien und Märkte.

Die Beantwortung der Frage nach einer „ausgewogenen" oder „angemessene" Balance ist eng verwoben mit der dritten Zielstellung des Portfoliomanagements:

das Bestreben, das Projektportfolio in Einklang mit der Geschäftsstrategie zu gestalten. In der Regel korreliert die ökonomische Attraktivität eines Projekts mit seinem Risiko.

So steht man während der Projektauswahl typischerweise vor der Frage, ob man eher „die Taube auf dem Dach" oder den „Spatz in der Hand" fangen möchte.

In Geschäftsfeldern wie dem Invest-Bereiche ist es durchaus angemessen, einen relativ hohen Anteil an attraktiven, aber durchaus hochriskanten Projekten im Portfolio zu haben.

In den so genannten Cash-Bereichen sollte die kurzfristige Anwendungsforschung dominieren. Schließlich ordnet man Cash-Bereichen nur noch ein moderates Wachstumspotential zu, gegenwärtig liefern sie allerdings wichtige Ergebnisbeiträge.

Üblicherweise werden im Portfoliomanagement die einzelnen Forschungsvorhaben nach einer Reihe von Kriterien bewertet, die sich zu konsolidierten Bewertungen wie Markt- und Technologieattraktivität bzw. Markt- und Technologierisiko zusammenfassen lassen.

In der Regel stellt man die Information in graphischer Form als Attraktivitäts-Risiko-Diagramm oder time-to-market-Diagramm verdichtet dar. Man versucht so, die Komplexität der Entscheidungssituation zu reduzieren.

 


Knackpunkt Verzahnung

Wichtig ist es nun, die operative Forschungsplanung eng mit der strategischen Planung zu verzahnen. Dies kann dadurch geschehen, dass man den Projektablauf in Entwicklungsphasen unterteilt und dann zu definierten Entscheidungspunkten die Projekte nach klar definierten stop/go-Kriterien bewertet.

Beim Spezialfall des Stage-Gate-Prozesses gestaltet man diese Entscheidungspunkte derart, dass das Projektteam einem Entscheidungsgremium Informationen als Deliverables vorzulegen hat. Nach deren Bewertung wird dann über Projektabbruch oder -fortführung entschieden.

Je weiter fortgeschritten dabei das Projekt, desto detaillierter sind in der Regel die Fragen. Einerseits kann dann die so abgefragte Information die Basis für die Portfoliobewertung sein, anderseits kann die Portfoliobewertung als vergleichende Multi-Projekt-Bewertung einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidungen an den Gates haben.

Nicht übersehen werden sollte, dass es selbst bei stringenter Anwendung der Instrumente immer wieder im Projektverlauf zu Problemen und typischen Hindernissen kommen kann.

Diese müssen dann mit viel Sonderaufwand überwunden werden oder lassen gar das gesamte Projekt scheitern. Projektleiter in Forschung- und Entwicklung sind „Manager auf Zeit", an die hohe Anforderungen gestellt werden.

Schließlich sind ihre Aufgaben neu und immer wieder komplex. Zudem konkurrieren die Projekte mit der Linienorganisation um die knappen Ressourcen.

 


Für alle, die sich mit den Grundprinzipien des Managements von Forschung und Entwicklung in der chemischen Industrie vertraut machen möchten, bietet die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) am 20. und 21. September 2007 in Frankfurt/Main einen Kurs an. Der Titel dieses Kurses lautet „Management von Forschung und Entwicklung in der Chemie - Eine praxisnahe Einführung in Methoden und Tools". Hierbei geht es vor allem darum, Methoden des wirkungsvollen F&E-Managements vorzustellen. Portfoliomanagement, Meilensteinplanung, F&E-Projektmanagement, -bewertung und -controlling werden im Kontext ihrer spezifischen Anwendungen der Chemieforschung präsentiert und mit den Teilnehmern unter dem Aspekt ihrer Praxistauglichkeit diskutiert. Den Teilnehmern gibt der Kurs Methoden zur Hand, um Forschungsprojekte in ihrem Ablauf zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Zudem vermittelt er Kenntnisse über die strategische Auswahl von Projekten, um so die Prioritäten zwischen Einzelprojekten zu setzen und Ressourcen entsprechend zu allokieren. Daneben werden Prozesse der Ideenfindung und Markteinführung erörtert sowie moderne Organisationsformen von F&E anhand von Fallbeispielen aus der chemischen Industrie vorgestellt. Im Mittelpunkt steht hierbei stets die Praxistauglichkeit der vorgestellten Planungsinstrumente. So soll den Teilnehmern auch ein Gefühl dafür vermittelt werden, wo Freiräume für Kreativität bleiben sollten. Der Referent, Dr. Klaus Griesar ist Senior Manager Business Development bei Merck und verfügt über mehrjährige industrielle Praxiserfahrung auf dem Gebiet des Forschungsmanagements. Seit dem Jahre 2004 hat Dr. Griesar einen Lehrauftrag an der TU Darmstadt und hält dort die Vorlesung „Management von F&E in der chemisch-pharmazeutischen Industrie".

 


Kontakt:
Dr. Klaus Griesar

Merck KGaA, Darmstadt
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