Chemie & Life Sciences

Life-Sciences-Standort Tirol wächst dynamisch

Von Kundl bis Innsbruck: Österreichisches Bundesland mit deutlichen Zuwächsen in Pharma und Medizintechnik

24.01.2024 - Tirol hat nicht nur als Tourismusdestination Tradition, vielmehr sind in dem österreichischen Bundesland auch biomedizinische Forschung und Entwicklung fest verankert.

Mit der Idee von Michel Rambaud, Chemiker und französischer Offizier der alliierten Streitkräfte, nach dem Zweiten Weltkrieg in Kundl eine Bierbrauerei als Infrastruktur für die Penicillin-Produktion zu nutzen, wurde zudem die Basis für die „Biochemie GmbH“ und damit für einen starken pharmazeutischen Standort gelegt.

Diesen Status verteidigt Tirol auch heute und baut ihn sogar aus: Seit 2001 hat sich die nominale Wertschöpfung der pharmazeutischen Industrie in Tirol verdreifacht – 2021 betrug sie nach Angaben des unabhängigen Schweizer Wirtschaftsforschungsinstituts BAK Economics 711 Mio. EUR. Dies schlägt sich auch im Beschäftigungswachstum der Branche nieder, welches sich in den vergangenen 20 Jahren gut verdoppelt hat; heute gibt es in der Tiroler Pharmaindustrie mehr als 5.000 Mitarbeitende. Pharma, Biotechnologie und Medizintechnik – zusammen als Life Sciences bezeichnet – zeigen nach den Zahlen vom BAK Economics aus dem Jahr 2023 ein überdurchschnittliches Wachstum: Das reale Wertschöpfungs- und Beschäftigungswachstum im Zeitraum von 2011 bis 2021 liegen im Schnitt mit 4 % bzw. 5 % pro Jahr deutlich höher als das Wachstum der Gesamtwirtschaft (1 % bei der realen Wertschöpfung und 2 % bei der Beschäftigung). Des Weiteren hat Tirol einen Anteil von 27,9 % an der Life-Sciences-Wertschöpfung in Österreich und 24,2 % an der natio­nalen Life-Sciences-Beschäftigung.

Tirol hält  internationalem Vergleich stand

Wie die Vergleichszahlen aus insgesamt 15 europäischen Regionen belegen, zeigt die Life-Sciences-Region Tirol auch im internationalen Vergleich eine beachtliche Dynamik. Hinsichtlich des Beschäftigungswachstums in den Life Sciences seit 2011 nimmt Tirol laut BAK Economics sogar den Spitzenplatz unter den betrachteten Regionen ein.

 

 Standort Tirol

©Standortagentur Tirol

 

„Novartis und Sandoz mit den Standorten in Kundl und Schaftenau im Tiroler Unterland können als das Rückgrat der Tiroler pharmazeutischen Industrie bezeichnet werden.“

 

Rückgrat Novartis und Sandoz

Novartis und Sandoz mit den Standorten in Kundl und Schaftenau im Tiroler Unterland können als das Rückgrat der Tiroler pharmazeutischen Industrie bezeichnet werden. Im Jahre 1965 hat die Schweizer Sandoz die Tiroler Biochemie übernommen, der Name Biochemie GmbH blieb allerdings bis 2003 erhalten. 1996 verschmolzen Sandoz und Ciba-­Geigy zu Novartis. Im September 2023 haben die Aktionäre des Mutterhauses Novartis mit großer Mehrheit entschieden, Sandoz abzuspalten und an die Börse zu bringen. Seit Anfang Oktober gehen die beiden Unternehmen somit wieder eigene Wege, glauben aber beide weiterhin an die Stärken des Standorts und investieren in Kundl und Schaftenau.

Sandoz bleibt dabei seiner Rolle als Pionier und Weltmarktführer bei Biosimilars treu: 2006 gelang dem Unternehmen die weltweit erste Zulassung zunächst in Europa, 2015 dann in den USA. Biosimilars sind gleichwertige Nachfolgeprodukte von bereits seit Jahren am Markt zugelassenen Biopharmazeutika, deren Patente abgelaufen sind, und damit eine preiswertere Alternative für teure Therapien. Sandoz investierte 2023 in ein neues Biosimilar-Entwicklungszentrum am bayerischen Standort Holzkirchen, setzt aber auch auf die Antibiotika-Produktion in Tirol: Eine 150-Millionen-Euro-Investition in Kundl, die einen Beitrag der österreichischen Bundesregierung in Höhe von 50 Mio. EUR beinhaltet, soll eine signifikante Verbesserung der Penicillin-Herstellung ermöglichen. Sandoz verfügt damit nach eigenen Angaben über das einzige verbliebene große vertikal integrierte Produktionsnetzwerk für Penicilline in Europa – im Sinne der europäischen Versorgungssicherheit ein unschätzbares Asset.

Auch Novartis investiert weiterhin in die Standorte Kundl und Schaftenau – etwa 2022 rund 300 Mio. EUR in eine neue Produktionsanlage für Biopharmazeutika in Schaftenau – wird sich aber in Zukunft auf die Entwicklung neuer, patentgeschützter Arzneimittel konzentrieren. Darüber hinaus bietet Novartis einen attraktiven Forschungs- und Produktions­standort für weitere Unternehmen aus dem Life-Sciences-Bereich an: Mit der Ansiedlung eines Produktionsstandorts von BASF in Kundl im Jahr 2021 investierte das Unternehmen in eine Anlage zur Herstellung von bakteriellen Enzymen. Die Betriebsansiedlung der Standortagentur Tirol unterstützt Novartis dabei, weitere Unternehmen an den Standort zu ziehen und bewirbt die vorhandenen Dienstleistungen in den Bereichen Facility Management, Energieversorgung, Engineering, Wartung, Logistik und umweltfreundliche Abwasserbehandlung mit.

 

©Standortagentur Tirol

Quelle der Zahlen: BAK Economics, 2023 ©Standortagentur Tirol

 

Innovationsstarke Medizintechnik

Was die Innovationskraft anbelangt, so ist nicht nur die pharmazeutische Industrie zu nennen; auch die Medizintechnik hat in Tirol in den vergangenen 20 Jahren kräftig aufgeholt und den Life-Sciences-Standort diversifiziert und belebt. Insbesondere die Medizintechnik in Tirol sorgt für ein stetiges Wachstum an Patenten. Im realen Wertschöpfungswachstum liegt die Branche in Tirol zwischen 2011 und 2021 bei beachtlichen 11 % pro Jahr. Neben dem Unternehmen MED-EL, das mehr als 2.600 Mitarbeitende beschäftigt und nach eigenen Angaben weltweit führender Anbieter von Hörimplantaten (Cochleaimplantaten) ist, forschen, entwickeln und produzieren hier viele Nischenspezialisten. Im Cluster Life Sciences Tirol der Standortagentur Tirol vernetzen sich die etwa 50 Akteure der Medtech-Branche mit den biotechnologischen und pharmazeutischen Unternehmen. So entstehen in technologieübergreifenden Bereichen wie etwa bei Smart-Drug-Device-Produkten, also Kombinationen aus intelligentem Medizinprodukt und Arzneimittel, die Innovationen der Zukunft.

 

„Die Medizintechnik hat in Tirol in den vergangenen 20 Jahren kräftig aufgeholt und den Life-Sciences-Standort diversifiziert und belebt.“

 

Health Hub Tirol fördert Innovationen

Seit zwei Jahren ist das Land Tirol bestrebt, die Dynamik am Standort zusätzlich zu beleben und eine Lücke in der Infrastruktur zu schließen – der Health Hub Tirol, eine hundertprozentige Tochter der Standortagentur Tirol, trägt entscheidend dazu bei: In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass es einen Mangel an Laborflächen für ansiedlungsinteressierte Biotech-Unternehmen und Start-ups in Tirol gibt. Die Services des Health Hub Tirol gehen allerdings weit über ein reines Flächenangebot hinaus: Diese setzen sich aus den vier Elementen „Infrastruktur“ (Labor- und Büroräumlichkeiten, zen­trale Facilities), „Förderung“ mittels kompetitiver Ausschreibungen, „Services“ wie z.B. Finanzierungs- und Gründungsberatung sowie „Kapital“ (Zugang zum Investorennetzwerk der Standortagentur Tirol und eigener Life-Sciences-Fonds) zusammen. Der Health Hub Tirol richtet sich an Gründer und Unternehmen, Ausgründungen von Universitäten und Hochschulen sowie Ausgründungen bestehender Unternehmen und interagiert dabei eng mit dem Gründungszentrum Start-up Tirol.

Derzeit sind drei interimistische Flächen mit insgesamt ca. 1.200 m2 vorhanden. Ab Anfang 2025 stehen im Neubauprojekt „Westpark“ etwa 4.500 m2 zur Verfügung – dort wird es auch die Möglichkeit geben, innovative Teams bereits in der „Preseed-Phase“, also vor der Unternehmensgründung, mit Flächenangeboten und Services zu unterstützen. Auch besteht die Möglichkeit, eine Förderung zu beantragen: Die letzte Ausschreibung mit Antragsschluss Ende Januar 2023 war mit 2,4 Mio. EUR dotiert und äußerst erfolgreich. Es gab 24 Einreichungen aus dem In- und Ausland, die fünf bestgereihten Unternehmensprojekte können über die nächsten drei Jahre gefördert werden. Auch für 2024 ist wieder eine Ausschreibung geplant.

Autoren: Petra Stöckl, Programm-Managerin Gesundheitsindustrie und Life Sciences, Standortagentur Tirol, Innsbruck, Österreich
Klaus Weinberger, CEO, Health Hub Tirol GmbH, Innsbruck, ­Österreich

 

 

Standortagentur Tirol

Als Standortdienstleisterin und -entwicklerin trägt die Standortagentur Tirol GmbH dazu bei, Tirol als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort weiter zu stärken. Indem sie Forschung, Innovation und Digitalisierung motiviert und ermöglicht, stärkt sie sowohl die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts insgesamt als auch die der Tiroler Unternehmen und trägt damit zum Ausbau und zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei. Die Standortagentur Tirol ist – ebenso wie die Tirol Werbung und die Agrarmarketing Tirol – Teil der Lebensraum Tirol Gruppe, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Tirol als modernen, nachhaltigen Wirtschafts- und auch Lebensraum zu profilieren.

Downloads

Kontakt

Standortagentur Tirol GmbH

Ing.-Etzel-Straße 17
6020 Innsbruck
Österreich

+43 512 576262