Kolumne Perspektivenwechsel
Riesen Rad für 10-20% Beeinflussbarkeit der Wertschöpfung
Chemiestandort-Services drehen zur Sicherstellung des Kerngeschäftes der Chemieproduzenten ein riesiges Rad. Die Rohstoffe machen bereits circa 2/3 der Wertschöpfung im Basischemikaliengeschäft aus. Von der verbleibenden Wertschöpfung fallen auf Produktion, Forschung und Entwicklung, Marketing und Overhead circa. 80-90% Für die Kosten der Chemieparkservices wie u. a. Energien, Entsorgung, Infrastruktur, Technik und Logistik verbleiben ca. 10-20% der Wertschöpfung. Vom Umsatz sind es dann circa 3-7%. Wenn dann noch berücksichtigt wird, dass der Anteil der Energien circa 60-80% der Chemieparkservices ausmacht, verbleiben für alle andere Services ein Anteil von circa 0,8% bis 2,1% des Umsatzes! Im Spezialchemikaliengeschäft verschieben sich die Anteile entsprechend.
Für diesen Teil der Wertschöpfung drehen die Chemiestandortbetreiber mit vielen Mitarbeitern ein riesiges Rad. Dienstleistungserbringung hat eben andere Erfolgsfaktoren als eine Chemieproduktion: Menschen tragen Sorge für die Qualität der Dienstleistung/ des Produktes, wenig Möglichkeiten der Automatisierung, hoher Anspruch an die Sorgfalt im Umgang mit Chemieprodukten, Kapazitäten können nicht auf Lager gehalten werden, richtige Dimensionen von Infrastrukturen für die Volatilität aller Chemiestandortkunden, etc.. Das alles für 1-2% des Umsatzes einer Chemie-Wertschöpfungskette (ohne Energien)?
Die Praxis zeigt hier aber eine deutliche Trendwende zur Fokussierung der Chemiestandort-Services. Zum einen zwingt der Druck auf die Rohstoffkosten und das höhere Lohnniveau bei höherer Personalqualität Chemieproduzenten auch vermeintlich kleinere Kostenbausteine zu analysieren und zu optimieren. Hierzu werden sehr systematisch interne Benchmark-Systeme entwickelt und gemeinsame Analysen mit dem Chemiestandort-Dienstleister/ den Dienstleistern durchgeführt. Zum anderen ist die optimale Effektivität und Effizienz der Chemiestandort-Dienstleistungen absolut erfolgskritisch für die gesamte Wertschöpfungskette im Kerngeschäft. Dies wird in den meisten Fällen erst dann festgestellt, wenn die entsprechende Industriedienstleistung nicht zur Verfügung steht. Deutlich wird dies beispielsweise bei einer fehlenden Möglichkeit zur Reinigung der Abwässer oder mangelnden Bereitstellung der Rohstoffe durch logistische Transport- und Lagerkapazitäten. Selbst vermeintliche Leistungen, die nicht im Kostensenkungsportfolio des Herstellers erscheinen, wie das Proben ziehen durch die Analytik oder die Sicherheitskontrolle der Ausgangstransportträger, können zu einer erheblichen Verzögerung in der Wertschöpfungskette führen. Hier gibt es sicherlich unterschiedliche Auswirkungsgrade der Standortleistungen auf die Wertschöpfungskette.
Bei der Optimierung des europäischen Chemiegeschäftes ist die Perspektive des Kostensenkungspotenzials oder der Anteil an der Wertschöpfung also nicht ausreichend. Die Perspektive des Nutzens der Leistung, der Flexibilisierungsmöglichkeit und insbesondere der Auswirkungen des Ausfalls sind bei der Diskussion zwischen Hersteller und Chemiestandort-Dienstleister zu intensivieren. Es verbleibt das Modell einer „Chemiestandort-Familie", wo die Zusammenarbeit über den nachhaltigen und langfristigen Erfolg des Chemiegeschäftes an europäischen Chemiestandorten entscheidet.