Innovation in der Chemieindustrie
Eine bewusste Strategie ist Voraussetzungen für erfolgreiche Innovationsprozesse
Fragt man Führungskräfte aller Industrien nach den wichtigsten Erfolgsfaktoren zur Abgrenzung vom Wettbewerb und für langfristiges, profitables Wachstum, weisen sie meist mit äußerster Entschiedenheit auf die große Bedeutung von Innovation hin. Nicht selten gar mit der Anmerkung, dass dies Aufgabe eines speziellen organisatorischen Bereiches sei.
Auf Ebene der Geschäftseinheiten jedoch begegnet einem meist ein opportunistisches Vorgehen. Die Konsequenz ist ein Mangel an strategischer Ausrichtung für Innovationsaktivitäten.
Beobachte Probleme
Das Fehlen schlüssiger Innovationsziele und Umsetzungsstrategien, aus denen operative Einheiten wie F&E und Produktentwicklung, aber auch Marketing & Sales Handlungsdirektiven ableiten können, birgt erhebliche Risiken. Warum also gibt es für Innovation häufig keine entsprechende Strategie, die auf klaren Zielen basiert und so in Handlungsvorgaben mündet? Die Antwort auf diese Frage und teilweise auch die Lösung des Problems sind im qualitativen und interdisziplinären Charakter von Innovation zu suchen:
l Innovation fällt in keinen eindeutigen Zuständigkeitsbereich, da die gesamte Organisation mit allen operativen Einheiten betroffen ist
l Die Vorstellungen darüber, was Innovation ist, gehen weit auseinander
l Mögliche Zielvorgaben für Innovation werden als vorwiegend qualitativ betrachtet
l Parameter für eine Innovationsstrategie sind unbekannt
l Die Messbarkeit von Innovation und Innovationserfolg ist umstritten
Ziel und Zweck
Es ist nun das Ziel, diese Herausforderungen zu überwinden, Ziele für Innovation zu entwickeln und das Bewusstsein für die entsprechende Strategie im Unternehmen zu fördern. So sollen die Voraussetzungen für einen zielgerichteten Innovationsprozess geschaffen werden. Damit ist ein wichtiger Schritt getan, der es dem Unternehmen erlaubt, noch ungenutztes, wertsteigerndes Potential aus Innovation abzurufen.
Zur Entwicklung einer Innovationsstrategie hat sich das in Abb. 1 gezeigte Vorgehen bewährt: Zunächst muss der Innovationsbegriff im Unternehmen mit einem für eine überwiegende Mehrheit zugänglichen Verständnis belegt werden. Dadurch wird im zweiten Schritt die Ableitung verbindlicher Innovationsziele für alle Bereiche des Unternehmens ermöglicht. An diesen orientiert sich im letzten Schritt die Innovationsstrategie, die grundsätzliche Wege zur Erreichung der Ziele für die jeweiligen Unternehmensbereiche formuliert.
Verständnis des Innovationsbegriffs
Nach dem Motto „So genau wie möglich und so breit wie nötig" wird unter Einbezug aller Produktbereiche, Funktionsbereiche und Hierarchieebenen das von allen tragbare Innovationsverständnis ermittelt. Ob es sich um ein gemeinsames oder bereichsweise unterschiedliches Verständnis handeln wird, stellt sich in dieser Phase heraus. Ebenso die Interpretationsbreite, also ob der Innovationsbegriff z.B. eher produktbezogen, klassisch-technologisch und hauptsächlich F&E betreffend sein soll, oder ob z.B. auch Organisations- oder Prozessverbesserungen eingeschlossen sein sollen. Viele Aspekte mehr wären denkbar und schließlich ist die spezifische Situation im Unternehmen maßgebend.
In jedem Falle muss eine möglichst scharfe Abgrenzung zu solchen Aktivitäten erfolgen, die als nicht-innovativ gelten. Abb. 2 gibt einen Überblick über das Vorgehen.
Unsere Erfahrung zeigt, dass meist eine Grauzone nicht gänzlich zu vermeiden ist, jedoch in der Regel 90% der Aktivitäten eindeutig als innovativ oder nicht-innovativ einzuordnen sind. Bevor man allerdings so weit ist, müssen alle relevanten qualitativen und quantitativen Kriterien für den vereinbarten Innovationsbegriff bestimmt und mögliche Ausprägungen ermittelt werden. Ein Beispiel für ein quantitatives Kriterium könnte „time-to-market" sein mit den Ausprägungen 6 Monate, 1 Jahr, 3 Jahre. Für jedes ermittelte Kriterium muss dann die Innovationsgrenze bestimmt werden, z.B. 1 Jahr.
Verständnis des Innovationsbegriffs
Ausgerüstet mit solch einem Kriterienkatalog lassen sich alle wesentlichen Aktivitäten bzw. Bereiche in „innovativ" und „nicht-innovativ" einteilen und erhalten somit ein nachvollziehbares Innovationsrating. Es hat sich bewährt, diese qualitative Vorgehensweise durch ein hierfür entwickeltes Scoring-Modell quantitativ zu unterstützen. Dies führt schnell zu Diskussionen und Vergleichen mit dem zuvor erwarteten Innovationszustand des Unternehmens, die wichtig sind für den folgenden Zielbestimmungsprozess.
Die nun zu erfüllende Aufgabe ist, den Kriterien und ihrer heutigen Ausprägung die für einen bestimmten Zielzeitraum angestrebten Ausprägungen zuzuordnen. Dies muss durch fundierte Kenntnis der zentralen werttreibenden Innovationskriterien geschehen. Hierfür erfolgen typischerweise eine Umfeldanalyse sowie eine interne Analyse, die sich auf quantitative und qualitative Fähigkeiten beziehen. Diese Analysen lassen sich gut mit auf die jeweilige Situation speziell angepassten Tools, wie einem Innovation-Survey, durchführen. Ziel ist die Kenntnis des Marktes, der Wettbewerber sowie der eigenen Fähigkeiten. Ferner werden die bestehenden als innovativ geltenden Projekte auf ihre Treiber untersucht. Nun können die gewünschten/notwendigen Ausprägungen für die Treiber in Form von Innovationszielen definiert werden. Abb. 3 zeigt das Vorgehen zur Ableitung der Innovationsziele.
Derartige Zielvorgaben sind dringend erforderlich, um alle zukünftigen Aktivitäten bewusst und effektiv auf den gewünschten Innovationsgrad hinarbeiten zu lassen und später eine Steuerung des Innovationsprozesses vornehmen zu können.
Formulieren der Innovationsstrategie
Um die Innovationsziele zu erreichen, bedarf es einer Strategie, die sowohl übergeordnet als auch kriteriumsspezifisch ansetzen kann. Diese Strategie beschreibt Wege und Konzepte, die eine höchstmögliche Effektivität auf dem Weg zur Zielerreichung sicherstellen. Zunächst müssen die identifizierten Innovationsziele auf ihre Kompatibilität hin untersucht und ggf. priorisiert werden. Zudem muss die Innovationsstrategie in die übergeordnete Geschäftsstrategie eingebunden werden. Hierbei ist zu verdeutlichen, welchen Beitrag Innovation zum Geschäftserfolg leisten soll. Dazu gehört auch, klar zu definieren, welche Risiken eingegangen werden können. Schließlich müssen die Messgrößen auf Basis der Ziele und des Beitrags zur Unternehmensstrategie beschrieben werden.
Wie Investitionen im Allgemeinen sollen auch Innovationsinvestitionen auf transparente Weise eine höchstmögliche Rendite erzielen. Daher ist eine optimale Allokation von Ressourcen zu erlangen. Dabei gibt es keine „heiligen Kühe", insbesondere bei der Frage nach den Quellen des Innovationsbeitrags. Von der Vorstellung, ein Unternehmen sei nur dann innovativ, wenn alle Innovationsleistungen originär aus dem eigenen Unternehmen kommen, wird man in dieser Phase bewusst Abstand nehmen. Joint Ventures, Kooperationen mit Universitäten, Kunden etc. zählen explizit zu den Optionen der Innovationsquellen. Die Wertschöpfungskette von marktfähigen Innovationen ist lang und mit einem breiten Spektrum an Tätigkeitsfeldern versehen, die Ansatzpunkte bieten können, um die definierten Innovationsziele zu erreichen. Hinzu kommt, dass nicht alle Innovationsbeiträge zwangsläufig am kostengünstigsten intern zu erzielen sind. Daher bedarf es eines Verständnisses, wo - aufgrund komparativer Vorteile - der eigene Innovationsbeitrag liegen muss und in welchen Bereichen der Zukauf von Innovation effizienter ist.
Fazit
Innovation ist einer der wichtigsten Werttreiber der Chemieindustrie. Zur Maximierung des Ertrags aller Innovationsanstrengungen ist eine Innovationsstrategie notwendig, die die im Unternehmen vorhandene Energie fokussiert. Die Entwicklung dieser Strategie erfordert eine Einbindung interner und externer Meinungen sowie Fakten. Die Strategie liefert dann einen unternehmensspezifischen Rahmen für die Steuerung und Organisation des Innovationsprozesses mit den drei Schritten Ideengenerierung, Filterung und Implementierung. Sowohl die Steuerung von Innovation als auch die erfolgreiche Implementierung eines Innovationsprozesses wird in den folgenden zwei Teilen dieser Serie über Innovation in der Chemieindustrie näher ausgeführt.
Kontakt
Stratley AG
Spichernhöfe Spichernstraße 6A
50672 Köln
Deutschland
+49 221 977 655 0