Industriedienstleistungen im Fokus
Interview mit Dr. Michael Herbermann und Gerhard Schmidt (Bilfinger) zur neuen Konzernstrategie
Zum Jahreswechsel hat der Bilfinger Konzern das Geschäftsfeld Industrial organisatorisch neu ausgerichtet. Neben dem Teilkonzern Bilfinger Industrial Services mit Sitz in München, als Marktführer in der Branche mit der Abkürzung BIS ein Begriff, wurde mit Bilfinger Industrial Technologies mit Sitz in Frankfurt ein zweiter Teilkonzern etabliert, der sich auf Planung und Bau von Industrieanlagen fokussiert.
Mit etwa 38.000 Mitarbeitern erwirtschaftete Bilfinger Industrial 2012 rund 3,7 Mrd. € und ist damit das größte Geschäftsfeld der gesamten Bilfinger Group. Im Rahmen des neuen Markenauftritts tragen die Gesellschaften des Konzerns grundsätzlich den Namen Bilfinger in der Firmenbezeichnung.
Die Abkürzung BIS ist damit Historie.
Dr. Michael Reubold befragte die beiden CEOs der Teilkonzerne - Dr. Michael Herbermann von Industrial Services und Gerhard Schmidt von Industrial Technologies - zur neuen Konzernstrategie und der Positionierung ihrer Unternehmen.
CHEManager: Die Bilfinger Group hat sich in den zurückliegenden Jahren vom ehemaligen Baukonzern zum internationalen Engineering- und Servicekonzern weiterentwickelt. Wie ist vor diesem Hintergrund die Neuorganisation von Bilfinger Industrial einzuordnen?
Michael Herbermann: Das Segment Industrial steht exemplarisch für die strategische Neupositionierung des Bilfinger-Konzerns als internationaler Engineering- und Servicekonzern. Wir haben als ehemalige BIS Group wesentlich dazu beigetragen, dass der Anteil der Dienstleistungen gegenüber dem traditionellen Baugeschäft im Gesamtkonzern heute bei mehr als 80 % liegt. Allein das Segment Industrial mit seiner stark internationalen Ausrichtung steht dabei für rund 40 % der Gesamtleistung des Konzerns. Insofern finden wir uns natürlich sehr gut wieder in der Neupositionierung von Bilfinger. Der neue Markenauftritt unterstreicht die Bedeutung des Dienstleistungsgeschäfts mit großem Nachdruck. Mit Bilfinger im Namen unserer Gesellschaften wird einer breiten Öffentlichkeit vermittelt, dass wir Kerngeschäft des Konzerns sind.
Gerhard Schmidt: Wir sind mit Bilfinger Industrial Technologies Anfang des Jahres sehr erfolgreich gestartet, die Neuausrichtung des Segments ist für uns gleichsam unsere Geburtsstunde. Jetzt wollen wir die Chance nutzen, um uns als Lösungsanbieter für Planung und Bau von Industrieanlagen noch stärker zu positionieren und sehen uns hier aktuell gut aufgestellt. Vorteilhaft für uns ist, dass wir als neuer Teilkonzern nicht nur an die hervorragende Reputation unserer operativen Gesellschaften im Markt anknüpfen können, sondern zugleich auch an die des Konzerns: Ingenieurskompetenz und Servicementalität sind fest in unserem Denken verankert, bilden die Basis unseres geschäftlichen Handelns. Durch die Integration der internationalen Tebodin-Gruppe haben wir unsere Beratungs- und Planungskompetenz zudem weiter ausgebaut.
Welche konkreten Ziele verfolgen Sie mit der Neuorganisation des Industriesegments?
Gerhard Schmidt: Die Neustrukturierung erlaubt es beiden Teilkonzernen im Segment, sich stärker auf die jeweiligen Kernkompetenzen zu konzentrieren. Zudem schärfen wir durch Änderung der internen Organisationsstruktur unser Profil als Lösungsanbieter. Die Übergänge zwischen den Teilkonzernen sind fließend und durch unterschiedliche regionale und portfoliospezifische Schwerpunkte gekennzeichnet. Gemeinsam verfolgen wir das Ziel, unsere Kunden noch umfassender als bislang versorgen zu können.
Michael Herbermann: Wir setzen hier ein Modell um, das bereits seit einigen Jahren in unserer Struktur angelegt war. Wir hatten bisher Gesellschaften mit dem Schwerpunkt Planung, Design und Errichtung von Anlagen, Anlagenteilen und Versorgungseinrichtungen in einer Division Plant Technologies gebündelt. Im Wesentlichen werden diese Gesellschaften jetzt zusammen mit der Tebodin-Gruppe durch Industrial Technologies vertreten. Die Gesellschaften mit dem Schwerpunkt Maintenance bilden dagegen unverändert den Teilkonzern Industrial Services. Synergien zwischen diesen Gesellschaften zum Nutzen unserer Kunden herzustellen, war schon in der Vergangenheit unser Thema und ist es auch weiterhin.
Welche Leistungen bietet Bilfinger Industrial seinen Kunden an, und wie sind diese innerhalb des Segments strukturiert?
Gerhard Schmidt: Bilfinger Industrial steht seinen Kunden mit Leistungen entlang des gesamten Lebenszyklus einer Anlage zur Seite - von Engineering über Fertigung und Errichtung bis zu Inbetriebnahme, Instandhaltung, Optimierung und Erweiterung oder auch Rückbau. Der Schwerpunkt des Geschäfts von Industrial Technologies liegt im ersten Abschnitt des Lebenszyklus. Wir bieten Beratung und Engineering an und realisieren maßgeschneiderte Anlagen- und Infrastrukturlösungen in enger Kooperation mit unseren Kunden. Dabei sind wir in der Lage, Gewerke separat zu erstellen oder als Komplettanbieter mit dem Ziel, zeitraubende Schnittstellen für unsere Kunden zu minimieren. Darüber hinaus liefern wir Anlagenkomponenten die auf eigenem Technik-Know-how basieren. Diese sogenannten Engineered Products werden durch unsere Gesellschaften weltweit geliefert, montiert und in Betrieb genommen.
Michael Herbermann: Der zweite Abschnitt des Lebenszyklus umfasst schwerpunktmäßig die Instandhaltung einschließlich der geplanten Anlagenstillstände, der sogenannten Turnarounds, aber auch Modifizierungen oder Modernisierungen. Das sind Schwerpunkte im Teilkonzern Industrial Services. Hinzu kommen regionale Schwerpunkte wie der Bau von Tanklagern und Pipelines in den USA oder Fertigung und Montage in Indien.
Worin sehen Sie spezifische Stärken?
Gerhard Schmidt: Die Stärken von Industrial Technologies liegen insbesondere in den Bereichen Engineering, Engineered Products sowie im Anlagenbau. Unsere Kompetenzen im Bereich Engineering reichen von Speziallösungen bis hin zu fachübergreifenden Planungs- und Konstruktionsleistungen. Unter Engineered Products verstehen wir schlüsselfertige Anlagenkomponenten, die wir z.B. für die Bereiche Gasaufbereitung oder Biotechnologie entwickeln. Als Anlagenbauer sind wir zudem in der Lage, komplexe Großprojekte mit eigener Manpower und Inhouse-Expertenwissen zu realisieren.
Michael Herbermann: Über einzelne Gewerke und Disziplinen hinaus ist für Industrial Services ein wichtiger Ansatzpunkt, dass wir unsere Methoden- und Prozesskompetenz kontinuierlich weiterentwickeln und durch Know-how-Transfer in der gesamten Organisation zur Verfügung stellen. Gerade im internationalen Umfeld zeigt sich, dass wir mit höherwertigen Instandhaltungskonzepten und -prozessen für global agierende Kunden ein strategischer Partner sind. Diese internationale Ausrichtung werden wir als eine unserer wesentlichen Stärken weiter ausbauen.
Werden Sie demnach Ihre Internationalisierungsstrategie weiter fortsetzen und - wenn ja - mit welchen Schwerpunkten?
Michael Herbermann: Der Ausbau des Portfolios und die Internationalisierung waren und sind die Grundlage unserer Entwicklung zum führenden Lösungsanbieter im Industrieservice. Dabei gehört z.B. EMSR seit Jahren zu unserem Leistungsspektrum. Um uns regional in diesem Bereich zu verstärken, haben wir gezielt investiert und speziell in Zentraleuropa, aber auch Skandinavien und Großbritannien Gesellschaften mit diesem Fokus akquiriert. Konkrete Zielmärkte für weitere Akquisitionen sind u.a. Nordamerika, Indien und Südostasien sowie die Türkei und der Mittlere Osten.
Gerhard Schmidt: Zum einen wollen wir durch Akquisitionen in den definierten Zielmärkten Nordeuropa, Nordamerika, Australien und China unsere Engineering-Kompetenz weiter stärken. Im Anlagenbau sehen wir Potenziale in Russland, Asien und Middle East. Darüber hinaus ist die Bilfinger interne Zusammenarbeit - in der Gruppe, im Segment Industrial und auch in unserem Teilkonzern - ein zentraler Hebel für den Ausbau unserer Marktstellung. So wollen wir unser Geschäft weiter internationalisieren, indem wir zum Beispiel zur Lieferung von Anlagenkomponenten und Durchführung von Anlagenbauprojekten die Repräsentanzen unserer Tochtergesellschaft Tebodin in Wachstumsregionen als Marktzugang nutzen.
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Bilfinger Berger Industrie Services GmbH
Gneisenaustr. 15
80992 München