Hygienic Design in der Lebensmittelindustrie
27.04.2015 -
Experten schätzen den zeitlichen Reinigungsanteil in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie auf bis zu 30 %. Kein Wunder, dass die Produzenten bei der Konstruktion ihrer Anlagen großen Wert auf die reinigungsfreundliche Gestaltung, das Hygienic Design, legen.Das Ziel: Mit möglichst geringem Zeit- und Reinigungsmittelaufwand den optimalen hygienischen Zustand herzustellen. Die „auf Hygiene getrimmten" Anlagen leisten nicht nur einen Beitrag zur Erhöhung der Lebensmittelsicherheit - sie steigern auch die Produktivität.
Der Kerngedanke von Hygienic Design ist schnell formuliert: Immer geht es darum, durch konstruktive Maßnahmen zu verhindern, dass Mikroorganismen oder Verunreinigungen jeglicher Art ein Lebensmittel belasten. Zentraler Aspekt ist die leichte Reinigbarkeit der Maschinen und Anlagen. Doch was so banal klingt ist keine leichte Aufgabe. EHEDG, 3A oder Werkstoffvorgaben der FDA - die Liste von Hygiene-Anforderungen ist lang.
(K)ein Buch mit sieben Siegeln
Für Dr. Jürgen Hofmann ist Hygienic Design indes kein Buch mit sieben Siegeln sondern schlicht die Antwort auf die Frage: Wie lässt sich die Anlage optimal reinigen? Schon mit einfachen konstruktiven Details würden sich viele Gefahrenquellen für Verunreinigungen vermeiden lassen. „Man braucht nur mit einer Reinigungskraft zu sprechen, um zu verstehen, dass scharfe Kanten weniger günstig sind als glatte Übergänge", meint Hofmann. Mit seinem Ingenieurbüro berät er Maschinenbauer und Lebensmittelproduzenten, die ihre Anlagen auf mehr Hygiene trimmen wollen. Der Vorsitzende der deutschen Gruppe der European Hygienic Engineering & Design Group (EHEDG) weiß aus langjähriger Praxis, worauf bei Produktionsanlagen zu achten ist, damit diese leicht zu reinigen sind: Insbesondere darauf, auf Spalte, Vertiefungen, konstruktive Toträume und strömungsfreie Zonen zu verzichten, da hier Ablagerungen und Biofilme drohen.
Typische Konstruktionsmerkmale, die auch FrieslandCampina beachtete als es darum ging, die neue Dessert- und Joghurt-Linie in Gütersloh in Betrieb zu nehmen. Nahezu 2.000 pneumatische Aktoren und Ventile sorgen dafür, dass das vernetzte System aus Rohrleitungen, Erhitzern und Edelstahltanks exakt arbeitet - mitten im sensiblen Prozessfeld, wo regelmäßig Reinigungsmittel und Wasser zum Einsatz kommen. Möglich wird der „kurze Dienstweg" zu den Aktoren und Sensoren durch Ventilinseln von Bürkert, die in Hygienic Design-Gehäuse installiert wurden. Die Schaltschränke bieten Schutz vor härtesten Wash Down-Attacken mit Hochdruckreinigern. Garant für die Dichtheit ist eine blaue Silikondichtung, die beständig gegen Reinigungsmittel aller Art ist. Überhängende 30-Grad-Dachschrägen mit waagerechten Tropfkanten sorgen bei den Gehäusen für schnelles und sicheres Ablaufen von Flüssigkeiten.
Edelstahl = Hygienic Design?
Neben der Konstruktion nach hygienischen Kriterien spielt die Auswahl der Materialien eine wichtige Rolle, die beim Bau der Maschinen und Anlagen verwendet werden. Edelstahl gilt zwar gemeinhin als das hygienische Material schlechthin, doch Jürgen Hofmann warnt: „Auch Edelstahl rostet unter bestimmten Bedingungen!" Verursacher sind Chloride, wie sie in Reinigungsmitteln und in den Lebensmitteln selbst vorkommen. Die Korrosion ist abhängig vom Oberflächenzustand. Hofmann: „Eine hohe Güte der produktberührenden Bereiche ist zwingend erforderlich. Erst eine Passivierung, beispielsweise durch Elektropolieren, und eine mittlere Rautiefe von maximal 0,8 µm gewährleisten dies." Eine eigene Arbeitsgruppe der EHEDG befasst sich mit der chemischen Behandlung von Edelstahloberflächen. Sie ist verantwortlich für eine der zahlreichen Leitlinien, in denen Kriterien für eine reinigungsfreundliche Konstruktion definiert sind. Darüber hinaus zertifiziert die EHEDG Bauteile, die diesen Anforderungen gerecht werden.
Das alleine ist jedoch noch keine Garantie, dass sich die Anlage in einem hygienischen Zustand befindet. Selbst ein zertifizierter Sensor kann so eingebaut werden, dass die ganze Messstelle unhygienisch wird. Über die Reinigungsfähigkeit einer Anlage entscheidet stets deren schwächstes Glied - was jeden noch so optimierten Cleaning in Place-Prozess ausbremsen kann. Doch wann kann man CIP-reinigen und wann ist man auf eine Handreinigung angewiesen, weil sich Produktrückstände nicht restlos ausspülen lassen? Spätestens wenn man um das Öffnen nicht herum kommt, tritt die leichte Zerlegbarkeit der Anlage in den Vordergrund der Überlegungen - und damit wieder das Hygienic Design.
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